Es ist mal wieder Zeit, mit viel Getöse das vergangene Jahr zu verabschieden, das neue zu begrüßen und anschließend zu versuchen, unsere zitternden Haustiere wieder unter dem Bett hervorzulocken. Wie die Zeit vergeht! Kaum zu glauben, aber diesen Blog hier gibt es jetzt schon seit über vier Jahren. Wäre der Blog ein Mensch, wäre er schon alt genug, um für unsere nepiophilen Leser:innen nicht mehr interessant zu sein!
Wie es viele in dieser Jahreszeit tun, möchte ich mich auch einmal an einen Rückblick auf das vergangene Jahr versuchen. Viele Themen waren in irgendeiner Form auch im Kontext Pädophilie relevant, und leider habe ich im Laufe des Jahres nicht annähernd so viele Sachen hier thematisiert, wie ich es gerne getan hätte. Um dieses Defizit zumindest ein wenig zu beheben, ist hier eine sicherlich unvollständige Liste an Themen, die letztes Jahr für mich im Kontext Pädophilie relevant waren, und es oft auch im nächsten Jahr noch sein werden.
Die dunkle Bedrohung: Chatkontrolle
Dieses Jahr sah hitzige Debatten um die vermutlich größte Bedrohung für die europäische Demokratie, die ich in während Lebenszeit beobachten konnte. Die Rede ist von einer von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Verordnung zur Bekämpfung sexuellen Kindesmissbrauchs. Die Verordnung sieht unter anderem vor, sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufzubrechen, um auch private Kommunikation automatisch auf Kindesmissbrauchsabbildungen und Grooming zu scannen, mit bisher ungeprüften Technologien und unklaren Fehlerquoten. Ebenfalls Teil der Verordnung sind auch Netzsperren und Alterskontrollen für Webseiten, die effektiv das Recht auf Anonymität im Internet beendet hätte. Hardliner wollten die Verordnung sogar noch verschärfen und Ende-zu-Ende-Verschlüsselung – und damit vertrauliche Kommunikation – grundsätzlich kriminalisieren.
Die Chatkontrolle hat massiv Kritik von verschiedenen Akteuren erfahren. Juristische Expert:innen sehen in dem Vorschlag einen massiven Eingriff in die Grundrechte und einen Verstoß gegen geltendes EU-Recht, Fachleute halten die vorgeschlagenen Lösungen für technisch nicht machbar, Sachverständige haben sich einstimmig dagegen positioniert. Die Chatkontrolle birgt zahlreiche Gefahren gerade auch für stigmatisierte Minderheiten wie zum Beispiel queere Menschen, aber ganz besonders auch für Pädophile. Über die gefährlichen Implikationen für pädophile Menschen habe ich im Dezember letzten Jahres einen ausführlichen Beitrag geschrieben.
Zwischenzeitlich sah es in diesem Jahr trotz alledem so aus, als ob die Chatkontrolle dennoch beschlossen werden würde. Die EU-Kommission wehrte Kritik mit unseriösen und irreführenden Aussagen ab und emotionalisierte die Debatte immer wieder. Teils wurden Gegner der Verordnung als Unterstützer von „Kinderschändern“ (sic!) diffamiert. Dies ist ein Beispiel dafür, wie Kinderschutz oft zum Aufbau eines industriellen Massenüberwachungskomplexes instrumentalisiert wird, und durch geschicktes Framing Grund- und Persönlichkeitsrechte als Feind des Kinderschutzes dargestellt werden. Auch typisch ist, dass derart kritische Verordnungen erst unter dem Vorwand des Kinderschutzes etabliert und anschließend sukzessiv ausgebaut werden – aus internen Dokumenten wurde etwa ersichtlich, dass Akteure wie Europol sich bereits eine Erweiterung der Verordnung auf „andere Kriminalitätsbereiche“ wünschten.
Das Blatt wendete sich erst, als nach Recherchen eines internationalen Journalistenteams bekannt wurde, dass hinter der EU-Verordnung ein starkes Lobbyismus-Netzwerk steckte, die Millionen in Lobbyfirmen investiert haben, um gezielt EU-Abgeordnete zu beeinflussen. Im Zentrum stand die Organisation Thorn des US-Schauspielers Ashton Kutcher, die sich nach außen hin als gemeinnützige Kinderschutzorganisation präsentierte, aber eher als amerikanisches KI-Startup verstanden werden sollte, das ein handfestes kommerzielles Interesse an der Umsetzung der Verordnung hat. Dieses Netzwerk hatte Verbindungen in die höchsten Ränge der EU-Gesetzgebung, während sich gleichzeitig die EU-Kommission in der ganzen Gesetzgebungsphase kein einziges Mal mit kritischen Stimmen aus der Zivilgesellschaft zusammengesetzt hatte. Wenig später wurde darüber hinaus bekannt, dass die EU-Kommission versuchte, EU-Mitgliedsstaaten mit fragwürdigen Methoden des Microtargetings gezielt zu beeinflussen.
Daraufhin hat sich erst das EU-Parlament gegen die kritischsten Punkte der Verordnung positioniert, während im EU-Rat keine Einigung gefunden werden konnte. Als Folge liegt die Verordnung erst einmal auf Eis. Ein Grund zum Aufatmen ist das aber noch nicht: 2024 ist EU-Wahl, und es ist sehr wahrscheinlich, dass die Befürworter:innen der Verordnung nach der Wahl erneut versuchen werden, die Verordnung in einer Form durchzubringen. Die Chatkontrolle wird uns vermutlich auch 2024 – und darüber hinaus – noch lange begleiten.
Eine spannende Zusammenfassung des ganzen Dramas von einigen der Leute, die an erster Reihe gegen die Verordnung gekämpft haben, kann man sich hier anschauen.
Die Gefahren der Digitalisierung von Gesundheitsdaten
Im Bereich der Gesetzgebung gibt es weitere Vorhaben, die für pädophile Menschen äußerst relevant sind. 2023 hat der Bundestag zwei Gesetze verabschiedet, die zur Digitalisierung des Gesundheitswesens beitragen sollen. Mit dem Digital-Gesetz kommt ab 2024 das eRezept und ab 2025 die elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten. Letztere sieht vor, Gesundheitsdaten zentral digital zu speichern, um sie für Ärzte verfügbar zu machen. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz wiederum sieht vor, diese Daten auch für die Forschung, aber auch für Unternehmen nutzbar zu machen. Auf europäischer Ebene wiederum wurde 2023 der europäische Gesundheitsdatenraum diskutiert, der auch einen Austausch der Gesundheitsdaten über Landesgrenzen hinweg ermöglichen soll.
Auch hier äußern digitale Aktivist:innen Bedenken. Die zentrale Speicherung geht mit diversen Sicherheitsrisiken einher, die während des Gesetzgebungsprozesses eher beiseite gewischt statt ernst genommen wurden. Für die Forschung sollen die Daten zwar pseudonymisiert werden, allerdings ist zu befürchten, dass diese pseudonymisierten Daten mit wenig Aufwand einzelnen Personen wieder zugeordnet werden können.
Laut ICD-10 ist Pädophilie in Deutschland immer noch eine diagnostizierbare Störung. Dies ist im ICD-11 zwar nicht mehr grundsätzlich der Fall, allerdings kann unter bestimmten Umständen immer noch eine „pädophile Störung“ diagnostiziert werden – und es ist bisher noch nicht absehbar, ab wann der ICD-11 in Deutschland eingesetzt werden wird. Heißt im Klartext: jeder, der sich gegenüber Fachkräften als pädophil outet, geht in der Zukunft die Gefahr ein, dass in einem zentralisierten Datensatz hinterher vermerkt ist, dass man pädophil ist und man hinterher noch nicht einmal genau nachvollziehen kann, wer auf diese Information Zugriff bekommt. Zwar kann man der Speicherung widersprechen, dies muss man allerdings aktiv selber machen (sogenanntes Opt-Out-Verfahren).
Für Cyberkriminelle ist dieser Datensatz ein sehr verlockendes Angriffsziel. Gerade stigmatisierte Diagnosen eignen sich wunderbar, um Individuen damit zu erpressen – und es gibt wohl kaum eine Diagnose im ICD-10, die stärker stigmatisiert ist, als Pädophilie. Jede:r Pädophile sollte sich dieses Risiko bewusst sein und im Zweifelsfall erwägen, der ePA zu widersprechen.
Die Causa Teichtmeister
Zumindest in Österreich ist das Thema Pädophilie 2023 durch den Fall des (bis dahin) beliebten Schauspielers Florian Teichtmeister in der Öffentlichkeit relevant geworden, bei dem Anfang des Jahres ein Verfahren wegen Beschaffung und Besitz von Kinderpornografie eingeleitet wurde. Ein ursprünglich auf den Februar angesetzter Gerichtstermin wurde mehrfach verschoben, letzten Endes wurde er im September zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.
Im Gegensatz zu vielen anderen Fällen ist Teichtmeister wohl wirklich pädophil – zumindest gab er dies in seiner Gerichtsverhandlung zu. Infolgedessen wurde das Thema in der Öffentlichkeit breit diskutiert und Dutzende Medienberichte veröffentlicht. Abgesehen von einigen stigmatisierenden Äußerungen lief der Diskurs überwiegend sachlich, wenn auch sehr klinisch und auf Prävention fokussiert. Dennoch zeigt der Fall damit einmal mehr, dass Pädophilie meist nur im Zusammenhang mit öffentlichkeitswirksamen Kriminalfällen überhaupt thematisiert wird, was für die stigmatisierende kognitive Verknüpfung von Pädophilie mit schweren Straftaten eher förderlich ist.
Auch die Politik hat auf den Fall reagiert und prompt ein Maßnahmenpaket zum Kinderschutz vorgeschlagen, das unter anderem einige in solchen Fällen schon obligatorische Strafverschärfungen enthalten (die dennoch weit hinter den derzeit in Deutschland geltenden Strafen zurückbleiben). Als positive Überraschung enthält das Paket kein Verbot von Liebespuppen mit kindlichem Aussehen, obwohl es 2022 noch so aussah, als ob auch in Österreich bald ein Verbot folgen würde, und obwohl es mindestens einen Antrag zu Maßnahmen gegen Pädophilie und Kindesmissbrauch (sic!) gab, der dies forderte.
Die ungebrochene Angst vor dem Silikon
Beim Thema der sogenannten „Kindersexpuppen“ gab es dieses Jahr ebenfalls ein paar Entwicklungen.
Einmal wurde neue Forschung publiziert, die ernsthafte Zweifel an der vermuteten Gefährlichkeit dieser Puppen eröffnet und im Gegenteil nahelegt, dass die Benutzung von Puppen eher einen kriminalpräventiven Effekt hat. Dies reiht sich im Wesentlichen an die Ergebnisse vergangener Studien an. Gleichzeitig gab es dieses Jahr erstmals Daten zu Puppen in der polizeilichen Kriminalstatistik – und auch diese Daten widersprechen deutlich dem Narrativ, dass Puppen ständig bei Missbrauchstäter:innen gefunden würden und deshalb einen Beitrag zur Überwindung der Hemmschwelle für Missbrauch leisten müssten.
Dennoch ist eine politische Rücknahme des Verbots auch unter der Ampelregierung ausgeschlossen. Entsprechende Hoffnungen zerschlug Bundesjustizminister Marco Buschmann im April auf der Plattform abgeordnetenwatch.de. Die einzige Hoffnung auf eine mögliche Rücknahme des Verbots besteht daher in einer ausstehenden Verfassungsbeschwerde gegen deren Kriminalisierung, zu der es im vergangenen Jahr allerdings keine neuen Entwicklungen gegeben hat.
Verbrechen, Vergehen, Versehen
2021 hatte die damalige Regierung nicht nur Sexpuppen mit kindlichem Aussehen kriminalisiert, sondern unter dem Motto Verbrechen statt Vergehen unter anderem auch die Strafmaße für Straftaten im Deliktbereich der Kinderpornografie massiv erhöht.
2022 stellte sich diese Verschärfung als großer Fehler heraus, der zahlreiche Probleme in der Praxis verursacht.
Noch ein Jahr (und mehrere Verfassungsbeschwerden von verzweifelten Richtern) sollte es dauern, bis das Bundesjustizministerium im November schließlich einen Gesetzesentwurf für die teilweise Entschärfung der Strafmaße vorschlug.
Leider enthält der Gesetzesentwurf einige sehr kritische Passagen. Buschmann hat offenbar Angst, politisch diffamiert zu werden als jemand, der auf der Seite von Täter:innen steht, und versucht dies zu umgehen, indem er versichert, dass die richtigen Täter:innen nach wie vor mit voller Härte bestraft werden. Und die richtigen Täter:innen sind vor allem: Pädophile.
Die Entschärfung hat damit das Potenzial, die Diskriminierung pädophiler Menschen voranzutreiben und den Gleichsatz, dass vor dem Recht alle gleich sind zuungunsten von Täter:innen, die pädophil sind, anzugreifen.
Auch das ist ein Thema, das uns 2024 sicherlich beschäftigen wird, da der Entwurf nächstes Jahr im Bundestag abgestimmt wird.
Die zunehmende Auslöschung Pädophiler aus dem öffentlichen Diskurs
2023 war auch das Jahr, in dem soziale Medien zunehmend strikter gegen Pädophile vorgegangen sind. Egal ob in Kommentarspalten auf News-Webseiten, auf Hilfeseiten wie GuteFrage.net oder auf sozialen Medien, es werden zunehmend Regeln geschrieben, die pädophilen Menschen schon die Präsenz auf den Plattformen verbieten oder die Accounts Pädophiler unter oft fadenscheinigen Begründungen gelöscht. 2023 war auch das Jahr, in dem Google überraschend die YouTube-Konten zahlreicher Pädophiler Aktivist:innen gelöscht hat (darunter auch mein Konto).
Angestoßen wurde dies unter anderem von journalistischen Recherchen in Missbrauchsnetzwerken, die nicht hinreichend zwischen Pädophilie und Missbrauch differenzieren, sodass als Antwort soziale Medien oftmals pauschal moderative Richtlinien gegen alle Pädophile erlassen.
Die Folge ist, dass pädophile Menschen aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen werden, die Perspektiven und Lebensrealitäten Pädophiler noch unsichtbarer werden, beleidigenden und verletzenden Aussagen noch seltener widersprochen wird und sich damit das Stigma immer mehr als scheinbare Selbstverständlichkeit etabliert.
Fediverse to the rescue (?)
Als Lösung für das Problem, aus den großen zentralisierten sozialen Medien regelmäßig ausgesperrt zu werden, erfreuen sich dezentrale Lösungen wie das Fediverse immer größerer Beliebtheit unter Pädophilen und anderen marginalisierten Randgruppen. Anders als bei Netzwerken wie Facebook gibt es hier keine zentrale Instanz, welche die volle Kontrolle hat und Sperrungen und Löschungen veranlassen kann, sondern zahlreiche kleinere Instanzen, deren Mitglieder untereinander kommunizieren können. Jede Instanz kann für sich entscheiden, mit welchen anderen Instanzen sie kommunizieren möchte, aber es ist theoretisch unmöglich, jemanden vollständig aus dem Fediverse auszusperren.
Im September des Jahres haben wir ebenfalls den Sprung ins Fediverse gewagt und mit Paravielfalt eine Instanz eröffnet, die sich an alle Menschen wendet, die sich aufgrund ihrer sexuellen Identität stigmatisiert und benachteiligt fühlen.
Wer möchte, ist herzlich eingeladen sich zu registrieren und teilzunehmen!
Aber auch im Fediverse läuft nicht alles ohne Probleme. So hatten wir recht schnell nach Eröffnung der Instanz Probleme mit einer Instanz für queere Menschen, die uns ohne Beweise die Verbreitung krimineller Inhalte unterstellte. Ein Versuch meinerseits, die Situation mit den Admins zu klären wurde mit einer Sperre und versuchtem Doxing quittiert.
Dennoch hatten die Vorwürfe zumindest begrenzt Erfolg, nachdem die Instanz uns mit falschen Unterstellungen gesperrt hatte, schlossen sich der Sperre mehrere andere Instanzen an – darunter auch große und bedeutsame Instanzen wie mastodon.social und digitalcourage.social. Auf vielen der Sperrlisten steht immer noch die falsche Behauptung als Sperrgrund, dass wir strafbares Material verbreiten oder uns für die Legalisierung von Kindesmissbrauch einsetzen würden, und Appelle an die Admins bleiben meist folgenlos und unbeantwortet.
Künstliche Intelligenz
Ein großes Thema sind weiterhin die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz. Politisch wurde auf EU-Ebene die weltweit erste Richtlinie zur Regulierung künstlicher Intelligenz verhandelt, die leider zahlreiche Ausnahmen für Strafverfolgungsbehörden offen lassen. Besonders kritisch ist das sogenannte „Predictive Policing“, das (mit Einschränkungen) erlaubt wird. Dies bezeichnet den Einsatz von Systemen, die aus bestimmten Merkmalen eines Menschen die Wahrscheinlichkeit der Person vorhersagen soll, Straftaten zu begehen. Für Menschen, die – warum auch immer – in einer Polizeidatenbank als „(möglicherweise) pädophil“ gelistet sind kann dies fatale Folgen haben, denn natürlich werden auch diese automatischen Systeme von den Vorurteilen beeinflusst, nach denen Pädophile grundsätzlich „tickende Zeitbomben“ und „permanente Gefahren“ sind.
Ebenso kontrovers diskutiert wurde das Thema der künstlich generierten Kinderpornografie. Hier ist grundsätzlich zu differenzieren zwischen Modellen, die mit realer Kinderpornografie trainiert wurden oder darauf spezialisiert sind, reale Kinder (und oft auch reale Missbrauchsopfer aus bekannten Missbrauchsdokumentationen) nachzubilden, und solchen, die rein fiktive Kinder generieren und ohne die Benutzung von Missbrauchsabbildungen erstellt wurden. Letztere schaden keinen real existierenden Kindern, können somit für Pädophile eine weitere Möglichkeit darstellen, ihre Sexualität ohne jemanden zu schaden auszuleben und stellen vielleicht auch eine Chance dar, Konsument:innen realer Kinderpornografie auf ethische Ausweichmöglichkeiten „umzuleiten“.
Leider wird das Thema der künstlich generierten Kinderpornografie selten so differenziert betrachtet, und eher einseitig dämonisiert. Besonders negativ aufgefallen ist hier ein Artikel im SPIEGEL aus dem September, in dem auch KTW-Pressesprecher Maximillian von Heyden zu Wort kommt. Nicht nur werden hier Behauptungen aufgestellt, die sich wissenschaftlich nicht belegen lassen, sondern auch die Lebensrealitäten straffrei lebender Pädophiler nicht bedacht.
Nach meinem (Laien-)Verständnis des Strafgesetzbuches ist die Generierung künstlicher Kinderpornografie für den privaten Gebrauch derzeit legal, solange die generierten Bilder nicht realitätsnah sind. Die Debatte um KI-generierte Bilder wird in der Zukunft sicherlich nur weiter an Fahrt aufnehmen und an Relevanz gewinnen. Wenn es bei dieser einseitigen Betrachtung bleibt, die wir bisher sehen können, besteht daher die Gefahr, dass aufgrund der einseitigen Verurteilung KI-generierter Kinderpornografie in der Zukunft das Gesetz geändert wird, und das möglicherweise auf eine Weise, die gleichzeitig auch sämtliche fiktive Kinderpornografie unter Strafe stellt.
Pädophilie in den Medien
Auch 2023 waren die meisten Medienberichte eher stigmatisierend. Sehr häufig wurde Pädophilie mit Missbrauch assoziiert oder direkt gleichgesetzt: Die Zeit fragte etwa, ob die Kirche beim Thema Missbrauch „blind gegenüber Pädophilie“ gewesen sei; es war die Rede von „pädophilen Verbrechen und „Pädophilie-Vorwürfen, wenn es um eigentlich Missbrauch ging; und um eine Oberkommissarin, die „Kinderschänder und Pädophile aufspürt – um nur einmal ein paar Beispiele zu nennen.
Erwähnenswert ist auch eine Kontroverse um ein Missbrauchs-Netzwerk auf Instagram, welche im Juli Wellen schlug und das in den Medien fast ausnahmslos als „Pädophilen-Netzwerk“ bezeichnet wurde.
Positiv-Beispiele wiederum sind rar gesät. Immerhin ermöglichte die Partei der Humanisten Mitgliedern von Schicksal und Herausforderung e. V., auf einem Themenabend zu sprechen. Andere Positiv-Beispiele waren kurzlebiger: so wurde der Auftritt eines Stand-up-Comedians, der sich in seinem Programm empathisch zu nicht-straffälligen Pädophilen geäußert hatte, nach einem Aufruhr auf X (das damals noch Twitter hieß) vom WDR kurzerhand gelöscht. Anstatt sich gegen die Bedrohungen und Beleidigungen, die auf X geäußert wurden zu positionieren, entschuldigte sich der WDR sogar noch bei denen, die dem Comedian teils physische Gewalt androhten.
Es gibt zwei Entwicklungen bei der medialen Thematisierung von Pädophilie, die mir derzeit Sorgen bereiten. Einerseits scheint die Gleichstellung von Pädophilie und Missbrauch immer mehr um sich zu greifen, und auch eigentlich seriöse Medien und Fachpersonal zu erreichen. So gab es beispielsweise eine Therapeutin, die öffentlich Pädophile als „abnormale“ und „krankhaft gestörte“ Menschen bezeichnete, oder auch eine Medienpädagogin, die warnte, dass „Pädophile viele Maschen [haben], um an die Kinder zu kommen.“
Gleichzeitig scheinen selbst seriöse Medien immer weniger bereit zu sein, stigmatisierende und falsche Aussagen zu korrigieren. Selbst bei wissenschaftlich orientierten Publikationen, wenn sie damit eigentlich rechten Akteuren in die Hand spielen und die Quellen, welche sie selbst verlinken ihren Aussagen direkt widersprechen. Im Zuge der Berichterstattung über das sogenannte „Pädophilen-Netzwerk“ bei Instagram habe ich gut ein Dutzend Redaktionen angeschrieben, und keine einzige Antwort bekommen – die Artikel mit den hetzerischen Überschriften sind bis heute unverändert online.
Die letzten Worte des Jahres
Obwohl es an wirklich großen Themen gefehlt hat (vom Fall Teichtmeister vielleicht einmal abgesehen) ist es schwer zu übersehen, dass die gesellschaftlichen Entwicklungen wieder einmal überwiegend negativ waren. Die Stigmatisierung und Diskriminierung pädophiler Menschen scheint unbeirrt voranzuschreiten, und die Möglichkeiten sich dagegen zu wehren in gleichen Tempo zu schrumpfen.
Um dennoch nicht auf einer deprimierenden Note zu enden, möchte ich mich abschließend bei allen treuen Leser:innen bedanken. Der Blog ist oft nicht so aktiv, wie ich es mir gerne wünschen würde, und so möchte ich mich auch bei allen anderen Autor:innen bedanken, die Texte für Kinder im Herzen bereitgestellt und damit die Lücken gefüllt haben.
Wer selber als Autor:in tätig werden oder einen Gastbeitrag einreichen möchte, ist herzlich eingeladen uns zu kontaktieren.
Ansonsten bleibt mir nur noch übrig, allen ein gutes und erfolgreiches 2024 zu wünschen!