Letzten Freitag diskutierte der Deutsche Bundestag über einen Antrag der AfD-Fraktion zur „Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch“ (PDF). Der Antrag sieht unter anderem erweiterte und gesetzlich verankerte Befugnisse für die unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung und Meldepflichten für Mitarbeiter:innen von Kirchen und Institutionen bei Bekanntwerden von Fällen sexuellen Missbrauchs vor. Von Mitgliedern der anderen Fraktionen wurde der Antrag stark kritisiert, insbesondere wurde der AfD die versuchte Politisierung von Kinderschutz vorgeworfen.

Dennoch bot die Diskussion eine Plattform für diffamierende und stigmatisierende Aussagen gegenüber pädophilen Menschen in Deutschland. Dies fing mit dem Abgeordneten Thomas Ehrhorn von der AfD an, der in Bezug auf das berüchtigte „Kentler-Experiment“ davon sprach, dass „schwererziehbare Straßenkinder an pädophile Pflegeväter“ vermittelt wurden, und damit allen Sexualstraftätern im Kontext des „Experiments“ eine Pädophilie unterstellte – obwohl erwiesenermaßen die meisten Täter:innen nicht pädophil sind. Ebenso bezeichnete er die Reformpädagogik als „Deckmantel für pädophile Verbrechen“, und stellte damit Pädophilie mit Kindesmissbrauch gleich.

Das die AfD gegen pädophile Menschen hetzt, ist nichts Neues. Leider beschränkten sich diese negativen Aussagen aber nicht auf die Fraktion der AfD. Noch weiter ging etwa Rednerin Ana-Maria Träsnea von der SPD. Sie bezeichnete das Kentler-Experiment sogar als staatlich gedecktes „bundesweit agierendes Netzwerk an Pädophilen“ und spielt damit auf vor allem im rechten Milieu verbreitete Verschwörungsmythen an, nach denen „pädophile Eliten“ im Geheimen die Welt regieren. Im weiteren Verlauf ihrer Rede redet sie vom „Teufelskreis pädophiler Gewalt in Deutschland“ und wirft die Frage auf, wie dieser durchbrochen werden könnte. Insgesamt impliziert sie damit, dass pädophile Menschen eine bedeutsame Gefahr für die öffentliche Ordnung in Deutschland seien.

Katja Adler, Rednerin für die FDP, entschied sich wiederum dafür in ihrer Rede das „Sharenting“, also das exzessive Veröffentlichen von Kinderbildern durch Erziehungsberechtigte auf sozialen Medien zu kritisieren. Dies sei problematisch, da dies vielen Pädophilen eine Freude bereiten würde. Anstatt einer differenzierten Betrachtungsweise unterstützt sie hiermit die weit verbreitete Narrative, nach der das, was auch nur marginal positiv für Pädophile sein könnte unbedingt negativ und schädlich sein muss. Weiterhin warnte sie Eltern davor, dass die „Kontaktaufnahme der Pädophilen“ heute häufig im Netz geschehen würde und sie daher besonders vorsichtig sein sollen. Auch hier werden einerseits Pädophile grundsätzlich als Gefahr dargestellt, und andererseits alle Menschen mit negativen Absichten als pädophil gelabelt.

All diese Redebeiträge stellen pädophile Menschen pauschal als eine Gefahr für die Gesellschaft dar, oder setzen Pädophilie gleich mit Kindesmissbrauch gleich. Ähnlich klingende und diffamierende Aussagen finden sich bei Abgeordneten über sämtliche Parteigrenzen hinweg und über das gesamte politische Spektrum.

Auf keine der genannten Passagen gab es Einwürfe oder Proteste aus dem Plenum. Obwohl der Antrag und die Rede der AfD scharf kritisiert wurde, griff niemand die Grundannahme an, dass Pädophilie etwas Schlechtes und in der deutschen Gesellschaft nicht tolerierbar sei. Daraus ergibt sich ein überparteiliches und besorgniserregendes Verständnis, Pädophile als grundsätzliche Gefahr zu verstehen, und die Aufgabe des Bundestags darin zu sehen, diese „Gefahr“ zu bekämpfen.

Die AfD vertritt bekanntermaßen nicht nur beim Thema Pädophilie, sondern auch beim Thema LGBT stigmatisierende Standpunkte. Nicht selten wird dabei Pädophilie instrumentalisiert, um Themen im Bereich LGBT zu diffamieren. So schloss AfD-Abgeordneter Ehrhorn seine Rede mit einer Reihe queerfeindlicher Aussagen, und sprach unter anderem von „aufgezwungene[r] Vielfaltspolitik“ und „Queer-Propaganda“. Auf diese Aussagen regte sich übrigens lauter Protest im Plenum, Redner Daniel Baldy von der SPD kommentierte dies mit den Worten: „Regenbogenfahne und sexuellen Kindesmissbrauch in einen Zusammenhang in einer Rede zu bringen, das ist das Allerletzte.“ Umso enttäuschender ist es, dass gleichzeitig seine Partei- und Koalitionskolleginnen in ihren Reden wiederholt Pädophilie mit Kindesmissbrauch gleichstellen. Nicht zuletzt ist dies ein Beispiel dafür, dass auch auf politischer Ebene Pädophile keinen Schutz vor Diskriminierung und Stigmatisierung erfahren.