die Corona-Krise dominiert immer noch die Medien, und Artikel zum Thema Pädophilie sind daher immer noch vergleichsweise rar gesät. Die Fundstücke, die ich diesmal mitgebracht haben beziehen sich daher nicht nur auf die letzte Woche, sondern auf die letzten beiden Wochen. Dafür habe ich aber diesmal – endlich! – mal wieder etwas Positives mitgebracht, und zwar gleich zwei interessante Interviews mit Max Weber: einmal bei Fritz, einer Radiostation des RBB, und dann bei dem Podcast von KTW. Fritz hat außerdem einen ziemlich sachlichen Artikel zum Thema Pädophilie veröffentlicht. Aber daneben gibt es natürlich auch leider wieder einiges an Hetze zu berichten, wie zum Beispiel einen Teilsieg der LGBT-feindlichen Bürgerinitiative "Stoppt Pädophilie" in Polen.
Unser Autor Max Weber hat ein etwa einstündiges Gespräch mit Claudia Kamieth vom Magazin "Tabulos" des RBB geführt, das nun in der ARD Audiothek abrufbar ist. Das Gespräch ist zu umfangreich, um im Detail darauf einzugehen, und ich kann nur empfehlen es sich in seiner Gänze einmal anzuhören. Inhaltlich geht es um viele wichtige Themen wie etwa die Frage, ob Pädophilie eine Krankheit oder eine Orientierung ist.
Frau Kamieth macht zwar von Anfang an deutlich, dass sie starke Berührungsängste bei dem Thema und sogar Angst vor dem Gespräch hatte – und ich muss sagen, dass durchaus immer ein wenig weh tut zu hören, wie viel Angst und Ablehnung selbst Menschen, die sich professionell mit Tabuthemen beschäftigen, bei dem Gedanken empfinden mit uns auch nur zu reden. Dennoch erlaubt sie es Max, sehr frei zu reden, und schneidet keine Experten-Aussagen dazwischen, wie es so viele andere Interviews und Dokumentationen tun (die Experten-Aussagen hat der RBB in einem separaten Artikel veröffentlicht, mehr dazu später). Das Ergebnis ist, dass Max die Zeit bekommt, um seine Position ausführlich und wortgewandt darzustellen und die Zuhörer die Chance bekommen, sich daraus ihre eigene Meinung zu bilden.
Das Interview kann man sich in der ARD Audiothek anhören, oder direkt über den Player unten.
Im Oktober habe ich bereits von einer Gesetzesinitiative in Polen berichtet, nach der Sexualkundeunterricht an Schulen gesetzlich verboten werden könnte. Genauer gesagt soll mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden, "wer als Erzieher, Pfleger oder Lehrer Geschlechtsverkehr oder andere sexuelle Handlungen durch Minderjährige propagiert oder lobt." Initiator dieses Gesetzesentwurfs ist eine rechtskonservative Bürgerinitiative, deren Ziel es ist "Pädophilie zu stoppen". Vor allem geht es ihnen aber darum, die Rechte und Freiheiten von Homosexuellen einzuschränken, und sie haben es erreicht, dass sich die Stimmung gegen Homosexuelle in Polen derart geändert hat, dass sich inzwischen schon mehrere Gemeinden offiziell zu LGBT-freien Zonen erklärt haben.
Um zusammenzufassen: die Bürgerinitiative möchte also der LGBT-Community einen Schlag versetzen, indem sie unter dem Vorwand, Pädophilie stoppen zu wollen versuchen, die sexuelle Aufklärung Minderjähriger zu verbieten.
Ja, ich weiß auch, dass das keinen Sinn ergibt. Das polnische Parlament sieht das aber wohl leider anders und stimmte in erster Lesung für diese Gesetzesänderung. Als Nächstes wird die Änderung jetzt in Ausschüssen behandelt, und danach dem Parlament noch einmal zur Abstimmung vorgelegt, bevor sie dann möglicherweise in Kraft tritt.
Auf der Webseite des Berliner Radiosenders Fritz ist parallel zu dem Interview mit Max ein Artikel zum Thema Pädophilie veröffentlicht worden. In dem Artikel komme mehrere Sexualtherapeuten der Berliner Charité zu Wort, die über Pädophilie und die Arbeit bei "Kein Täter Werden" aufklären.
Insgesamt ist der Artikel wie ich finde ziemlich sachlich geschrieben, und einige wichtigen Fakten (wie zum Beispiel der Unterschied zwischen Pädophilie und Kindesmissbrauch) werden genannt. Etwas ungünstig gewählt fand ich die Aussage, nach der "ein Mensch mit pädophiler Neigung jedoch so gut therapiert sein kann, dass er mit seiner Neigung leben kann, ohne selbst darunter zu leiden oder seine Neigung auszuleben." Dass ein Leben ohne Leid und Übergriffe möglich ist, ist zwar eine wichtige Aussage, aber hier wird impliziert, dass dies nur mit Therapie möglich ist – was definitiv nicht der Fall ist, auch wenn eine Therapie für viele hilfreich dabei sein kann. Es gibt weder eine Garantie dafür, dass mit "genug Therapie" jemand glücklich wird und keine Straftaten begeht, noch ist eine Therapie eine notwendige Voraussetzung dafür, dies zu erreichen. Ein wenig enttäuscht war ich als Administrator zweier Selbsthilfegruppen auch, dass zwar betont wird wie wichtig es ist, als pädophiler Mensch andere Pädophile kennenzulernen um dadurch zu erkennen, dass diese keine Monster sind und man demnach selber vielleicht auch keins sein muss – aber existierende Selbsthilfegruppen in Form von Onlineforen und -Chats mit keinem Wort erwähnt wurden, obwohl diese das Gleiche leisten können und dabei eine geringere "Einstiegshürde" haben.
Des Weiteren wird eine Aussage des Sozialtherapeuten Jürgen Lemke zitiert, der einige psychologische Merkmale beschreibt, die er bei vielen Missbrauchstätern finden konnte. Genauer gesagt hat er festgestellt, dass viele Missbrauchstäter ein geringes Selbstwertgefühl haben und sich deswegen an Jüngere wenden, um sich ihnen gegenüber mächtig und im Vorteil zu fühlen. Dabei handelt es sich aber gerade um nicht-pädophile Ersatzhandlungstäter, also Täter, die sich nicht zu Kindern hingezogen fühlen und eigentlich Beziehungen zu Erwachsenen wollen, sich an sie aber nicht herantrauen und sich deswegen an Kinder vergehen. Die Aussage wirkt in einem Artikel über Pädophilie daher ziemlich deplatziert, vor allem da im Kontext nahe gelegt wird, Lemke beschreibe tatsächlich pädophile Täter.
Davon abgesehen ist der Artikel aber ziemlich sachlich geschrieben und kann meiner Ansicht nach ohne größere Bauchschmerzen an Menschen weitergeleitet werden, die gerade anfangen sich mit dem Thema Pädophilie zu beschäftigen.
Auf Vice.com ist ein Interview erschienen, in dem 10 Fragen an die Berliner Sexualtherapeutin Silke Wahnfried gestellt wurden. Eine dieser zehn Fragen lautet: "Therapierst du auch Pädophilie?". Damit ist das Interview durchaus interessant für alle pädophilen Menschen, die sich überlegen aufgrund ihrer Neigung an einen Sexualtherapeuten zu wenden.
Die Antwort von Frau Wahnfried, die ein paar Fragen vorher noch erzählt, wie sie in der Ausbildung gelernt hat vor außergewöhnlichen oder schockierenden Fantasien nicht zurückzuschrecken, ist leider wenig ermutigend:
Nein, da liegt die klare fachliche Grenze. Menschen mit Pädophilie sollten sich beispielsweise an die Charité wenden, an die Initiative "Kein Täter werden". […] Wichtig ist bei allem immer, dass es einvernehmlich stattfindet. Bei Pädophilie ist das aber nicht möglich.
Dabei bin ich gar nicht der Ansicht, dass ein Ausleben der Pädophilie nicht möglich ist. Das heißt nicht, dass ich der Meinung bin, man könne ruhig Sex mit Kindern haben. Aber es gibt andere Möglichkeiten, um die eigene Sexualität auszuleben, ohne dass Kinder dabei involviert sind: Masturbation, die eigenen Fantasiewelt erforschen, legale Kinderbilder oder Rollenspiele mit erwachsenen Partnern, um mal ein paar zu nennen. Dass die sexuellen Wünsche und Fantasien so in der Realität nicht auslebbar sind, ist ja nicht nur ein Problem, dass alleine pädophile Menschen haben. Auch nicht-pädophile Menschen haben Fantasien, die einfach unrealistisch oder selbst- bzw. fremdgefährdend sind, können niemanden finden, mit dem sie ihre Fantasien ausleben können oder haben bereits einen Partner, der diese Fantasien nicht teilt. Ich finde diese Perspektive ganz wichtig, weil sie ein wenig die Hoffnungs- und Ausweglosigkeit mindert, die sonst oft beim Thema Pädophilie mitschwingt, und die für Menschen mit Pädophilie sehr belastend sein kann.
5. Promiflashs paradoxe Präsentation von Promi-Paar Pochers Pädophilie-Profilierung
In meiner letzten Sonntagskiste habe ich beschrieben, wie Comedian Oliver Pocher mit seiner Frau Amira Pocher versuchen sich medial zu profilieren, indem sie online einen inszenierten "Kampf gegen Pädophilie" ausfechten. Auch, wenn das Medienecho dazu langsam etwas abstirbt, so sind in der Zwischenzeit noch zwei Artikel auf promiflash.de erschienen, die eine besondere Erwähnung wert sind.
Der erste Artikel beginnt mit dem Aufhänger, dass die Pochers jetzt eng mit dem Landeskriminalamt zusammenarbeiten, um gemeinsam dafür zu sorgen, dass Pädophile online keine Plattform bekommen. Wer jetzt aber erwartet, dass die Pochers in SEK-Aufzug die Wohnungen von Menschen stürmen, die unklugerweise ein Kinderbild zu viel auf Instagram geteilt haben, muss bei näherer Betrachtung des Artikels leider enttäuscht werden. Diese "enge Zusammenarbeit" beschränkt sich wohl nur auf zwei Mails, die Amira Pocher mit dem Hauptkommissar des LKA ausgetauscht hat.
Der zweite Artikel beschreibt noch einmal, wie unermüdlich die Pochers jeden öffentlich kritisieren, der Bilder der eigenen Kinder im Netz stehen hat. Und das nicht ohne Erfolg: Youtuberin Sarah Harrison hat nach dieser Kritik den Instagram-Account inzwischen gelöscht, den sie für ihre zweijährige Tochter eingerichtet hat. Wer sich aber nur ein bisschen mit dem Internet auskennt weiß, dass Bilder nie verschwinden, wenn man sie einmal öffentlich hochgeladen hat, und sie jederzeit woanders wieder auftauchen können. Zum Beispiel auf Promiflash.de: dort hat besagte Tochter mit zwei Jahren schon ihre eigene Seite, die auch direkt in dem Artikel prominent verlinkt ist. Bildergalerie inklusive.
Neben dem RBB-Beitrag gibt es außerdem ein interessantes zweiteiliges Gespräch mit Max beim Podcast von "Kein Täter Werden" erschienen. Das Interview kann hier abgerufen werden: Teil I | Teil II. In dem Interview redet Max unter anderem über seine Arbeit an Schicksal und Herausforderung und die Schwierigkeiten und Herausforderungen in der Selbsthilfearbeit beim Forum Gemeinsam statt allein.
7. Kriminalisierung pädophiler Menschen in den Medien
Nicht jeder pädophile Mensch wird zum Straftäter, und die meisten Kindesmissbrauchstäter und Konsumenten von Kinderpornographie sind nicht pädophil.
Leider wird diese wichtige Unterscheidung in den Medien oft nicht gemacht, und Pädophilie mit Straftaten oft in einen Topf geworfen. Gerade das trägt aber massiv zur Stigmatisierung pädophiler Menschen bei, da die meisten Menschen so den Eindruck gewinnen, dass Pädophilie und Kindesmissbrauch ein und dieselbe Sache ist. Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, möchte ich hier jede Woche Beispiele für diese Behandlung des Themas Pädophilie in den Medien sammeln.
8. Karibiktanz
Zum Abschluss habe ich diesmal ein Lied über das kindliche Streben nach Autonomie mitgebracht: Danse Caribe von Andrew Bird. Mir gefällt vor allem die nostalgische und leicht wehmütige Stimmung des Lieds, die mit einem fröhlich und tropisch klingenden Mittelteil kontrastiert wird.
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Sirius
Mein Name hier ist Sirius – angelehnt an den Doppelstern im Großen Hund. Ich bin etwa Anfang 30, und studierter Informatiker. Seit meiner Jugend weiß ich, dass ich mich zu Kindern besonders hingezogen fühle. Und auch wenn der Umgang damit nicht immer einfach war, so hat es mich doch auch unter anderem zu meinem Rotkäppchen geführt, mit der ich in einer glücklichen Beziehung lebe. In meiner Freizeit versuche ich einen Beitrag zur Aufklärung über Pädophilie zu leisten, mache gerne Musik und verzweifle gelegentlich an der Gesellschaft.
Ich bin leider keiner der beiden Beschwerdeführer. Vielleicht wäre ich ein dritter geworden. Aber dazu hätte es mehr Zeit gebraucht. Als meine kleine Welt zusammenbrach, war ich emotional gerade mal dazu in der Lage, dass mein Leben irgendwie weiterging. Es hat sehr lange gedauert, bis ich mich hinreichend genug gefangen hatte, um mich nicht mehr nur noch elend und verloren zu fühlen. Und dass ich heute überhaupt keine Probleme mehr habe, von meiner Sexualpräferenz und allem, was mir widerfahren ist, zu berichten, war ebenfalls ein sehr langer Prozess. Letztendlich war es mein zutiefst verletzter Gerechtigkeitssinn, der mich dazu brachte, mich zu dem erlittenen Unrecht zu äußern. Anfangs hatte ich allerdings noch unglaublich viel Angst vor dem Hass der Gesellschaft. Als ich meinen ersten Kommentar öffentlich schrieb und immer noch nicht wusste, wie ich überhaupt mit der nahezu für mich unerträglichen Situation umgehen soll, habe ich mich aus Angst vor dem Hass der Gesellschaft übergeben müssen. Unter diesem Stigma zu leben und das Gefühl zu haben, etwas sagen zu müssen, um nicht unterzugehen, ist eine immense psychische Belastung, die ich keinem Menschen wünsche. Ich bin den beiden Beschwerdeführern sehr dankbar dafür, dass sie das geschafft haben, wozu ich damals noch nicht in der Lage war: Gegen das Puppenverbot zu klagen.
Bist du einer der Beschwerdefüher von den Verfassungsbeschwerden? Wenn ja dann bin ich froh, denn dein Schicksal ist so ziemlich das perfekte Beispiel gegen das Gesetz.
Ich habe diesen Fragebogen seit 2005 nun bestimmt 8 Mal oder öfter schon ausgefüllt. Vom ersten Mal an stieß mir auf, dass es keinerlei Kontrollfragen gibt, um eine Beantwortung nach der ich-lehne-einfach-alles-ab-Methode zu erkennen, oder Items, die wirklich eine nennenswerte moralische Zwiespältigkeit aufweisen.
Außerdem sah ich einen Konflikt zwischen meiner Antwort, wenn ich die Sätze als fachliche Behauptungen/Aussagen betrachten würde oder mir vorstelle, jemand lässt privat nach 3-4 Bier diese Aussagen fallen. Der Kontext und der Unterton verändert meine Reaktion darauf ganz erheblich: habe ich eine sachliche Aussage vor mir „Manche Kinder wirken erwachsener als andere“ dann wär das für mich die Einladung über Tannerstadien und Psychologie zu referieren und warum das erwachsen-wirken nicht wirklich eine substanzielle Aussagekraft hat. Im Stammtischszenario würde es mir eher ein irritiertes „Wat soll dat denn heißen?“ entlocken. Und „Kinder, die von mehr als einer Person missbraucht wurden, tun wahrscheinlich irgendetwas, das auf Erwachsene anziehend wirkt.“ kriegt eine vollkommen andere Bedeutung, abhängig vom Kontext:
„Das Kind hat es selbst verursacht“ oder „Vorherige Missbrauchserfahrungen verändern mitunter Verhalten und Selbstbild, sodass die Anfälligkeit für weiteren Missbrauch steigt“.
Und dann sehe ich auch keinen Grund, warum die Bepunktung nicht bei Null beginnt sondern bei 38. Das könnte man als rein ästhetisches Problem abtun, aber mittlerweile wissen wir ja, dass auch hartgesottene Wissenschaftler nicht gegen emotionale Einflüsse auf ihre Auswertungen gefeit sind. Deshalb macht man ja gern Doppelblindversuche u.ä.
Eine natürlichere Skala wär daher womöglich tatsächlich entstigmatisierend.
Und Punkt 7 (Fantasien über Kinder) zu bepunkten ist, wie ich im anderen Kommentar schon schrieb, natürlich krass diskriminierender Bullshit.
Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, diese Befragung als „Zustimmung zu Fakten über Kinder“ zu betrachten. Sondern dass die Beantwortung nur Sinn macht, wenn sie in dem Kontext bleibt, der dem Sinn des Fragebogens entspricht. Nämlich als persönliche Einstellungen und Überzeugungen zum Thema Kindesmissbrauch, die jemand äußern mag. Stimmst der Person zu, die das sagt, oder nicht? Vielleicht sogar eher gefühlsmäßig als kognitiv. Dann verschwinden meinem Eindruck nach nämlich viele der Probleme, die du dort anführst. Man braucht etwa kein präzise definiertes „oft“ mehr. Allein Punkt 7 bleibt in meinen Augen trotzdem völlig Banane.
Unter "zärtlich streicheln" verstehe ich nichts schädliches oder erotisches. Wo ist hier die Schädlichkeit? Man kann dem Kind auch einfach über den Kopf oder die Wange streicheln.