Es gibt immer wieder Versuche, pädophile Charaktere in fiktiven Geschichten einzubauen. Häufig sind sie dabei entweder Bösewichter oder Witzfiguren, es kommt eher selten vor, dass pädophile Charaktere in Geschichten als ganzheitliche Menschen gezeichnet werden. Meistens entspricht die Darstellung pädophiler Menschen dabei bestimmten Stereotypen, die ich einmal versucht habe herauszuarbeiten.
Mir sind dabei insbesondere vier stereotypische Pädophile aufgefallen, zu denen die meisten fiktive pädophile Charaktere zu gehören scheinen: der Geschickte Manipulator, das Morrallose Monster, der Widerliche Perversling und die Geplagte Seele. Allen gemein ist, dass diese Stereotype männlich sind, pädophile Frauen sind in fiktiven Werken so gut wie gar nicht vertreten. Im Folgenden möchte ich diese Stereotype, die mir aufgefallen sind jeweils beschreiben, und einige Beispiele für jede Kategorie nennen. Dabei sind diese Klischees nicht unbedingt strikt voneinander getrennt, einige Charaktere haben durchaus Merkmale von mehreren Stereotypen. Ser Meryn Trant aus Game of Thrones hat zum Beispiel sowohl Eigenschaften des Widerlichen Perverslings als auch des Morallosen Monsters. Ich hab dennoch versucht die Charaktere so einzuordnen, wie es meiner Ansicht nach ihren Hauptmerkmalen entspricht.
Die Beispiele sind dabei alles andere als vollzählig, und es kann gut sein dass es noch weitere Stereotype gibt, an die ich nicht gedacht habe. Wenn euch noch weitere Beispiele einfallen, dann schreibt das also gerne in die Kommentare!
Der Geschickte Manipulator
Der Geschickte Manipulator hat nur ein Ziel im Kopf: eine sexuelle Beziehung mit einem Kind anzufangen. Was ihn vom Widerlichen Perversling unterscheidet ist, dass man ihm dieses Ziel nicht sofort ansieht. Er weiß, dass er sein Ziel nur dann erreichen kann, wenn er sich gesellschaftlich integriert und nicht sofort auffällt. Vielleicht arbeitet er in einem Beruf mit Kindern, oder engagiert sich ehrenamtlich für sie. Er tut dies allerdings nur, um seinem eigentlichen Ziel näher zu kommen und Kontakte zu Kindern herzustellen, damit er sie später missbrauchen kann.
Der geschickte Manipulator ist hoch intelligent und sehr charismatisch. Er versteht es Kinder dazu zu bringen, das zu tun was er mit ihnen machen möchte, und Erwachsene dazu zu bringen ihm zu vertrauen. Wahrscheinlich hat er sich selber auch manipuliert und ist der Überzeugung, dass sein Missbrauch einvernehmliche und beidseitig gewünschte Beziehungen sind. Soziale Beziehungen zu Erwachsenen sind für ihn nur ein notwendiges Übel, um über sie an Kinder heran zu kommen, wirkliches Interesse an Freundschaften und Bindungen zu Erwachsenen hat er nicht. Mit gerade schon psychopathischer Gleichgültigkeit spielt er mit den Gefühlen seiner Mitmenschen, und geht wenn nötig auch eine Ehe mit einer Frau ein, an der er kein Interesse hat wenn es ihn dazu befähigt, sich in das Schlafzimmer ihrer Tochter zu stehlen.
Beispiele
- Humbert Humbert aus dem Roman Lolita von Vladimir Nabokov.
- Der Baseball-Coach aus dem Film Mysterious Skin
- René Zernitz aus dem 2018 ausgestrahlten Tatort Déjà-vu
Das Morallose Monster
Das Morallose Monster vergewaltigt Kinder und fügt ihnen Schmerzen zu ohne dabei Reue zu zeigen. Meistens ist die Kindsvergewaltigung nur ein Punkt auf einer langen Liste von Verbrechen, die das Morallose Monster ohne mit der Wimper zu zucken ausübt. Auch mit dem Töten von Kindern hat er meist kein Problem.
Das morallose Monster ist wahrscheinlich wohl nicht im eigentlichen Sinne pädophil. Vor allem ist er ein Sadist, der Vergnügen an dem Leid Anderer verspürt und sich in sinnlosen Grausamkeiten ergötzt. Er ist die Darstellung eines abgrundtief bösen Menschen, und seine Vergewaltigungen von Kindern sind da nur ein weiterer Punkt der beweist, dass er absolut keine moralischen Grundsätze hat und zu jeder unmenschlichen Tat fähig ist. Trotzdem wird er aufgrund seiner Sexualverbrechen an Kindern als pädophil gesehen oder sogar so bezeichnet.
Beispiele
- Mason Verger aus dem Roman Hannibal von Thomas Harris
- Theodore "T-Bag" Bagwell aus der Serie Prisonbreak
- Oswald Danes aus der vierten Staffel der Serie Torchwood
- Judge Holden aus dem Roman Die Abendröte im Westen von Cormac McCarthy
- Ethan Roark aus der Comicbuchserie Sin City und dessen Verfilmung
Der Widerliche Perversling
Ähnlich wie der Geschickte Manipulator hat auch der Widerliche Perversling nur sein sexuelles Verlangen nach Kindern im Kopf. Ihm fehlt allerdings die Subtilität und das Charisma des Geschickten Manipulators. Bei ihm ist direkt klar, worum es ihm geht. Er ist der Klischeepädophile im eigentlichen Sinn, der in Gebüschen an Spielplätzen herumlungert oder versucht, Kinder mit Süßigkeiten in sein Auto zu locken.
Oftmals wird der Widerliche Perversling als Witzfigur dargestellt, da seine plumpen Annäherungsversuche selten Aussichten auf Erfolg haben und für jeden offensichtlich ist, was seine Ziele sind. Zudem ist er nicht gerade intelligent und wird häufig von den Kindern ausgetrickst, die er sich eigentlich als Ziel auserkoren hat. Wenn der Widerliche Perversling doch einmal ernst gemeint ist, dann wird sein Interesse an Kindern, das er meistens auch stolz und offen zur Schau stellt, als Abartigkeit dargestellt, die schockieren und empören soll.
Beispiele
- Mr. Herbert aus der Fernsehserie Family Guy
- Der Pädobär
- Chester the Molester aus der gleichnamigen Comicserie
- Ser Meryn Trant aus der Fernsehserie Game of Thrones
Die Geplagte Seele
Die Geplagte Seele kommt noch am ehesten der realistischen Darstellung eines facettenreichen Menschen nahe. Im Gegensatz zu den anderen Stereotypen ist die Geplagte Seele ein komplexer Charakter, mit dem man sich durchaus identifizieren und den man sympathisch finden kann. Die Pädophilie äußert sich bei ihm nicht darin, dass es ihn zu einer unmenschlichen und abartigen Person macht, sondern sie führt zu inneren und äußeren Konflikten, die den Charakter zutiefst belasten.
Der Grund für diese Konflikte kann sein, dass die geplagte Seele ihre pädophile Natur zutiefst ablehnt und nach Möglichkeiten sucht, damit umzugehen. Möglicherweise lebt die Geplagte Seele in einem ständigen Kampf mit sich selber, um nicht übergriffig zu werden, oder sie hat bereits einen Übergriff begangen und muss nun versuchen, damit umzugehen. Wenn die Außenwelt von der pädophilen Seite der Geplagten Seele oder ihren eventuellen Taten erfährt, ergeben sich weitere Konflikte, welche die geplagte Seele überwinden muss. Eine rosige Zukunft hat sie dabei selten vor sich, und oft endet die Geschichte der Geplagten Seele mit dem Tod durch Suizid oder äußere Gewalt.
Beispiele
- Walter aus dem Film The Woodsman
- Linus aus der Fernsehserie Preacher
- Kenny aus der Folge Mach, was wir sagen der Fernsehserie Black Mirror
- George aus der Folge Ein hinkender Vergleich der Fernsehserie The Good Doctor
Schlusswort
Auffällig, wenn auch nicht weiter verwunderlich, ist es, dass alle Stereotype über pädophile Menschen negativ sind. Meistens nehmen pädophile Charaktere in fiktiven Geschichten eher die Position des Antagonisten ein. Oft kann man sie noch nicht einmal wirklich als Menschen bezeichnen. Es kommt sehr selten vor, dass eine pädophile Person als jemand gezeichnet wird, mit dem man sich identifizieren kann und auf dessen Seite man stehen kann. Und auch in diesen Fällen ist das Interesse an Kindern etwas negatives, dass der Charakter überwinden muss. Positive Figuren, die es geschafft haben ihre pädophile Neigung zu akzeptieren und es nicht als etwas grundsätzlich Schlechtes sehen, gibt es so ziemlich gar nicht.
Ich sehe in dieser Zeichnung pädophiler Charaktere in Fiktion grundsätzlich zwei Probleme. Zunächst einmal formen Geschichten unsere Wahrnehmung der Realität. Wenn pädophile Menschen in Geschichten immer nur entweder als abgrundtief böse, grundsätzlich widerlich oder zutiefst zerrissen dargestellt werden, dann verbreitet das die Ansicht, dass alle pädophile Menschen so sind. Dadurch wird der pädophile Mensch in den Köpfen der meisten Menschen zu einer Karrikatur, die nicht viel mit der Realität zu tun hat, und es werden Vorurteile bestätigt, die Ursache der Stigmatisierung von Menschen mit Pädophilie sind.
Darüber hinaus ergibt sich das Problem, dass Menschen mit Pädophilie im Grunde kein positives Vorbild haben, mit dem sie sich identifizieren können. Dabei hätten Geschichten grundsätzlich das Potential, Menschen die vielleicht gerade pädophile Neigungen an sich entdecken das Gefühl zu geben, nicht ganz alleine zu sein und ihnen eine Zukunftsperspektive und die Aussicht zu geben, damit trotzdem ein zufriedenes Leben führen zu können. Die Darstellung pädophiler Menschen lässt aber im Grunde nur die Schlussfolgerung zu, dass man entweder ein grundsätzlich schlechter Mensch ist, oder zu einem aussichtslosen und unglücklichen Leben verdammt ist.
Ich würde mir daher wünschen, wenn die üblichen Klischees in der Zukunft mehr aufgeweicht werden und pädophile Charaktere in fiktiven Geschichten mehr wie Menschen, und weniger oft wie Bösewichter oder Witzfiguren behandelt werden würden. Insbesondere würde ich mir wünschen, wenn Autoren den Austausch mit pädophilen Menschen suchen würden, wenn sie das Thema in ihre Geschichten einbauen möchten, um so zu einem umfassenderen und realistischeren Bild zu kommen, was es überhaupt bedeutet pädophil zu sein. Die sehr klischeebeladene Darstellung von pädophilen Charakteren könnte als Chance verstanden werden, über dieses Thema Geschichten zu erzählen die bisher noch nie erzählt wurden, wenn es mutige Autoren geben würde die sich auch nicht davor scheuen, kontroverse Themen von neuen Perspektiven aus anzugehen.