1. Einleitung
Immer wieder wird Menschen, die sich für Aufklärung zum Thema Pädophilie, sowie für Toleranz gegenüber nicht straffälligen Pädophilen einsetzen, vorgeworfen, die Interessen von pädophilen Menschen über den Schutz von Kindern zu stellen. Sie werden mitunter sogar angegriffen oder bedroht. Gerade vor kurzem ist es zu mehreren Fällen dieser Art gekommen.
In diesem Artikel möchte ich aufzeigen, wieso die Aufklärung über und Entstigmatiserung von Pädophilie und pädophilen Menschen im Allgemeinen und ganz konkret auch unsere Arbeit (auf Kinder im Herzen, Wir sind auch Menschen und den P-Punkten) nicht nur für das Wohlbefinden von Pädophilen, sondern auch für den Kinderschutz positive Effekte hat. Dabei stellt sich erstmal die Frage, was genau unsere Arbeit ist und welche Ziele sie verfolgt.
Vereinfacht lassen sich hier zwei zentrale Ziele benennen:
- Das Erreichen von pädo- oder hebephilen Menschen, mit dem Ziel, sie bei ihrem Umgang mit der Neigung, sowie damit verbundenen Problemen zu unterstützen und ihnen einen Schutzraum zu geben, in dem sie frei von Angst vor Zurückweisung über ihre Sexualität sprechen können,
- die gesellschaftliche Aufklärung über Pädophilie und das Aufräumen von Vorurteilen über diese Neigung (etwa, dass alle Pädophilen Kindern durch sexuelle Übergriffe oder den Konsum von Kinderpornografie schaden würden)
Beide Ziele haben wiederum verschiedene Auswirkungen, wobei ich mich im Folgenden auf die meiner Einschätzung nach jeweils zwei wichtigsten konzentrieren möchte.
2. Unterstützung pädophiler Menschen
Viele pädophile Menschen berichten von Problemen und (psychischen) Belastungen im Zusammenhang mit ihrer Neigung. Diese können durch die Neigung selbst ausgelöst werden (wie etwa Traurigkeit darüber, nie ein erfülltes Sexleben haben zu können) oder durch den gesellschaftlichen Umgang mit der Neigung (wie etwa den Hass und die Stigmatiserung von Pädophilen sowie unmenschlichen Forderungen z.B. nach der Inhaftierung von allen pädophilen Menschen).
2.1 Psychische Erkrankungen als Risikofaktor
Haben pädophile Menschen keinen Ansprechpartner, um über ihre Probleme und Sorgen zu reden, sondern werden mit diesen alleingelassen, kann das zu Einsamkeit und psychischen Erkrankungen wie Depressionen führen. Psychische Erkrankunge gelten jedoch als ein Risikofaktor für sexuellen Kindesmissbrauch. Indem wir pädophilen Menschen die Möglichkeit geben, sich über ihre Probleme auszutauschen; indem wir ihnen einen Ort geben, an dem sie akzeptiert werden, helfen wir ihnen dabei, auch mit ihrer Neigung ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen – natürlich in dem Bewusstsein, dass Sex mit Kindern nicht vertretbar ist (s. 2.2) – und nicht in Einsamkeit und Depressionen zu versinken.
2.2 Missbrauchsverharmlosende Einstellungen als Risikofaktor
Der Mensch hat ein starkes Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Die einzige Möglichkeit, sich als Pädophiler zugehörig zu fühlen, ist durch die enorme gesellschaftliche Ablehnung von pädophilen Menschen der Kontakt zu Personen mit der gleichen Neigung. Würde es nun ein Angebot wie das unsrige, wo sexuelle Gedanken und Fantasien akzeptiert, sexuelle Handlungen mit Kindern jedoch strikt abgeleht werden, nicht geben, bestünde die Gefahr, dass Pädophile auf der Suche nach einem Ort, an dem sie akzeptiert werden, an Gruppen pädophiler Menschen geraten, die sexuelle Handlungen mit Kindern nicht klar ablehnen oder sogar den Missbrauch an Kindern propagieren. Daher ist unsere Arbeit wichtig, um solche Pädophilen auffangen zu können, bevor sie an diese Gruppierungen geraten.
3. Gesellschaftliche Aufklärung
Dass Pädophile in unserer Gesellschaft derart abgelehnt und regelrecht gehasst werden, liegt auch daran, dass verschiedenste Vorurteile über diese Neigung existieren. Dazu gehören das Gleichsetzen von Pädophilen und Missbrauchstätern oder der Irrglaube, Pädophile bräuchten unbedingt eine Therapie, um sich einigermaßen im Griff zu haben und müssten sich zeitlebens vollständig von Kindern fernhalten. Abgesehen davon, dass natürlich auch eine Reduzierung des gesellschaftlichen Hasses positive Auswirkungen auf die Psyche pädophiler Menschen hätte, möchte ich vor allem auf folgende Auswirkungen hinweisen:
3.1 Evidenzbasierte Prävention
Da die aktuellen Bemühungen zum Schutz von Kindern vor allem durch erwähnte Vorurteile gekennzeichnet sind, würde es Not tun, sich der Thematik endlich auf einer sachlichen Ebene zu nähern. Es hat keine positiven Effekte, wenn man (ohne Belege für deren Schädlichkeit) Pädophilen jede Art der Triebbefriedigung untersagt (wie etwa kindliche Sexpuppen oder computeranimierte oder gezeichnete Kinderpornografie). Hier wäre es notwendig, auf wissenschafltichen Erkenntnissen fußend, Wege zu finden, wie sich Kinderschutz und das Wohlbefinden von Pädophilen am besten vereinen lassen. Zudem ist es wichtig, die Schwelle, sich bei Therapieangeboten zu melden, für diejenigen Pädophilen, die Angst haben, übergriffig zu werden, möglichst niedrig zu halten. Auch das erreicht man, indem man sachlicher mit der Thematik umgeht.
3.2 Sexueller Kindesmissbrauch durch Ersatzhandlungstäter
Während es in 3.1 vor allem darum ging, bei der Prävention von sexuellem Missbrauch durch Pädophile evidenzbasiert vorzugehen, geht es bei diesem Punkt darum, auch nicht pädophile Missbrauchstäter bei der Prävention zu berücksichtigen. Ein Großteil (60 – 90%) der sexuellen Übergriffe auf Kinder geht nicht auf Pädophile, sondern auf sogenannte Ersatzhandlungstäter zurück. Diese missbrauchen das Kind wegen des Machtgefühls, Sadismus oder als Ersatz für einen eigentlich präferierten Partner, an den sie sich jedoch nicht herantrauen. Im gesellschaftlichen Diskurs findet diese Tätergruppe aber kaum Beachtung, bzw. es fehlt einfach das Wissen von ihrer Existenz. Es gibt auch kein Therapieangebot und keine Präventionsmaßnahme, die sich explizit an diese Personengruppe wendet. Das hat zur Folge, dass sexueller Kindesmissbrauch selbst dann ein enormes Problem bliebe, wenn es gelänge, Missbrauch durch pädophile Täter vollständig zu verhindern. Effektiver Kinderschutz ist damit also nur möglich, wenn man erkennt, dass das Vorhandensein einer pädophilen Neigung kein notwendiges (und im Übrigen auch kein hinreichendes) Kriterium für sexuelle Übergriffe auf Kinder ist.
4. Zusammenfassung
Mit unseren Projekten richten wir uns einerseits an Pädophile, die Unterstützung benötigen oder den Austausch mit ähnlich-Empfindenden suchen, andererseits an die Gesellschaft, mit dem Ziel, ein realistischeres Bild von unserer Neigung zu verbreiten. Auf diese Weise können wir aktiv zum Schutz von Kindern beitragen, indem wir auf Betroffenenseite Risikofaktoren wie psychische Erkrankungen und missbrauchsverharmlosende Einstellungen minimieren und auf gesellschaftlicher Seite einen sachlichen, faktenbasierten Diskurs zu dem Thema begünstigen. Und auch wenn die aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen nicht nur Grund zur Hoffnung geben, ist es gerade in dieser Zeit wichtig, sich weiter für diese Ziele einzusetzen.