Titelbild zu Nein, die UN will Kinderpornografie nicht legalisieren
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Kurzfassung. Die Vereinten Nation sind kurz davor, einen internationalen Vertrag zur Bekämpfung von Computerkriminalität zu verabschieden. In einigen Kreisen verbreitet sich die Behauptung, der Vertrag würde zumindest in Teilen Kinderpornografie legalisieren und Kinder verwundbar gegenüber sexuellen Übergriffen machen. Dies basiert auf einem fundamental falschen Verständnis der Zusammenhänge: tatsächlich werden die internationalen Regeln zu Kinderpornografie durch den Vertrag wesentlich verschärft.

Was ist die Behauptung? Ausgehend von einigen rechtskonservativen US-Medien ist auch im deutschsprachigen Raum die Behauptung angekommen, die Cybercrime Convention der Vereinten Nationen sei von einer „Pädophilenlobby“ gesteuert, um gefährliche Ausnahmeregelungen in den Vertragstext zu Kinderpornografie einzubauen. Diese würde Kinder gezielt schwächen, indem Formen von Kinderpornografie legalisiert und die Ausbeutung von Kindern ermöglicht wird. Nur eine Minderheit der Mitgliedsstaaten, angeführt vom Iran soll versucht haben, dies zu verhindern, sei aber durch eine Mehrheit von Staaten rund um die EU und die USA überboten worden.

Eine Petition zu dem Thema fordert deshalb ganz konkret Bundeskanzler Olaf Scholz und die deutsche UN-Botschafterin Antje Leendertse auf, sich gegen den Vertrag zu positionieren, da dieser „einige Formen der Kinderpornografie, die lange als illegal galten“ entkriminalisieren sowie „die gesellschaftliche Wahrnehmung von Pädophilen verbessern“ würde. Zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels hatte die Petition eine Viertelmillion Unterschriften.

Etwas Kontext: Was ist die Cybercrime Convention? Die Cybercrime Convention ist ein internationaler Vertrag, der alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zur Umsetzung gemeinsamer Maßnahmen gegen Computerkriminalität verpflichtet. Zu den Inhalten gehört unter anderen auch eine Einigung über ein gemeinsames Vorgehen gegen Kinderpornografie. Der Vertrag ist ursprünglich von Russland eingebracht worden und nun nach mehr als drei Jahren Verhandlungen im August dieses Jahres vom Verhandlungskomitee verabschiedet worden. Derzeit wird auf die finale Zustimmung der letzten Entwurfsfassung durch die Generalversammlung gewartet, die noch dieses Jahr erfolgen soll. Die Konvention wird sehr kontrovers gesehen, und zahlreiche Zivilorganisationen wie der CCC, die EFF und weitere kritisieren, dass der Entwurf internationalen Menschenrechtsstandards nicht gerecht wird.

Was sagt die Cybercrime Convention zu Kinderpornografie? Die Bestimmungen zu Kinderpornografie finden sich in Artikel 14 der Konvention. Dort wird jeder Staat dazu verpflichtet, die Herstellung, Verbreitung, Finanzierung, Beschaffung und den Besitz von kinderpornografischem Material unter Strafe zu stellen. Kinderpornografie (im Entwurf als Kindesmissbrauchsmaterial oder Material der sexuellen Ausbeutung von Kindern bezeichnet) wird definiert als bildliche, auditive oder auch nur rein textuelle Darstellungen von unter 18-Jährigen, die diese entweder im Kontext sexueller Handlungen darstellt, oder deren Geschlechtsteile für sexuelle Zwecke abbildet.

Welche Ausnahmen ermöglicht die Cybercrime Convention bei Kinderpornografie? Grundsätzlich sind die Regeln sehr umfassend. Verboten werden sollen gleichermaßen Aufnahmen von Vergewaltigungen von Kleinkindern als auch fiktive erotische Geschichten, in denen 17-Jährige vorkommen. Die Konvention erlaubt Staaten aber, in vier Konstellationen von einer Kriminalisierung abzusehen:

  1. Bei fiktivem Material, das keine real existierende Person zeigt;
  2. Bei nicht-visuellen, also insbesondere rein textuellen Inhalten;
  3. In Konstellationen, in denen Minderjährige Inhalte von sich selber erstellen oder besitzen;
  4. Bei einvernehmlich erstellten Aufnahmen legaler Handlungen zum privaten Gebrauch.

Option 1 und 2 ermöglicht es Mitgliedstaaten also, die Strafverfolgung auf die bildliche Darstellung real existierender Minderjähriger zu beschränken. Option 3 und 4 wiederum erlauben Ausnahmeregelungen, um die Kriminalisierung von Minderjährigen für von sich selbst erstellte Aufnahmen zu verhindern.

Legalisiert die Cybercrime Convention also Formen von Kinderpornografie? Nein. Zunächst einmal sind diese Ausnahmen nicht verpflichtend. Wenn Mitgliedstaaten Kinder strafrechtlich verfolgen oder kinderpornografische Geschichten und Zeichnungen verbieten wollen, dann steht ihnen das auch nach Verabschiedung der Konvention frei. Staaten dürfen in diesen Fällen von einer Strafverfolgung absehen, müssen es aber nicht. Dass der Artikel 14 ausdrücklich die Kriminalisierung Minderjähriger und künstlerischer Darstellungen ermöglicht, wurde unter anderem von der EFF und dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte kritisiert. In dem Artikel findet sich außerdem ein Zusatz, dass nichts in der Konvention der Umsetzung von Richtlinien im Wege stehen soll, die für die Wahrung von Kinderrechten als sinnvoller erachtet werden. Praktisch heißt dies, dass der Artikel nur das absolute Mindestmaß definiert, das überall auf der Welt verboten werden muss. Es steht jedem Land aber frei, eigene Regeln zu erfinden, die beliebig hart über dieses Mindestmaß hinausgehen können.

An keiner Stelle in dem Entwurf werden Arten von Darstellungen beschrieben, die unbedingt legal bleiben müssen.

Auch historisch stellt die Cybercrime Convention keine Entschärfung des Umgangs mit Kinderpornografie dar, im Gegenteil. Der Vorgängervertrag der Cybercrime Convention ist die bereits 2001 beschlossene Budapest Convention, die aber nur lückenhaft von den Mitgliedstaaten umgesetzt wurde. Auch hier finden sich (in Artikel 9) Bestimmungen für den Umgang mit Kinderpornografie, und bereits dort wurden Ausnahmen für rein fiktive Darstellungen ermöglicht. Darüber hinaus ermöglicht die alte Budapest Convention es den unterzeichnenden Staaten sogar, den Besitz auch realer Missbrauchsabbildungen straffrei zu lassen. Dies ist mit der Cybercrime Convention nicht mehr möglich. Außerdem wird mit der Cybercrime Convention die Definition von Kinderpornografie deutlich erweitert und umfasst dort auch reine Nacktaufnahmen, die in der Budapest Convention noch unerwähnt bleiben.

Die internationalen Regeln für den Umgang mit Kinderpornografie werden von der Cybercrime Convention also nicht gelockert, sondern im Gegenteil deutlich erweitert.

Was hat es mit dem Iran auf sich? Es stimmt, dass der Iran noch in der letzten Verhandlungssitzung versucht hat, die Ausnahmeregelungen für Minderjährige und Fiktivpornografie aus der Cybercrime Convention zu streichen. Der iranische Repräsentant argumentierte unter anderen, dass kein nennenswerter Unterschied zwischen der Aufnahme realen Kindesmissbrauchs und fiktiven Darstellungen existiere und beide gleich schädlich seien. Zusammen mit einigen anderen Ländern war der Iran bis zum Schluss bemüht, weitere Passagen streichen zu lassen, die den Schutz von grundlegenden Menschenrechten gewährleisten sollen. All diese Vorschläge konnten keine Mehrheit finden.

Die Kritik an den möglichen Ausnahmen muss außerdem im Kontext der im Iran vorherrschenden Sexualmoral betrachtet werden. Voreheliche Beziehungen zwischen Männern und Frauen werden strikt reguliert, dass Jugendliche ihre eigene Sexualität vor der Eheschließung erkunden ist staatlich unerwünscht. Homosexuellen Menschen droht die öffentliche Hinrichtung. Gleichzeitig sind im Iran Kinderehen legal, was die Darstellung des Landes als globale Vorkämpfer in Sachen Kinderschutz besonders fragwürdig erscheinen lässt.

Auch hier gilt der Hinweis, dass die Cybercrime Convention es dem Iran nicht verbietet, für sich selber Fiktivpornografie zu verfolgen.

Was hat das mit Pädophilie zu tun? Nichts. Erzählungen von Pädophilen, die insgeheim die Weltgeschichte lenken, sind insbesondere in rechten Kreisen weit verbreitet. Diese Erzählungen bedienen sich dem gesellschaftlichen Stigma gegen Pädophilie, nach dem Pädophile als gesellschaftliche Bedrohung gelten, und der weit verbreiteten fehlenden Differenzierung zwischen Pädophilie und Sexualstraftaten gegen Kinder. Tatsächlich sind die meisten Menschen, die im Darknet nach Kinderpornografie suchen, nicht pädophil, und ein Großteil der Tatverdächtigen ist selber minderjährig. Es gibt keine politische Organisation pädophiler Menschen mit nennenswertem Einfluss, und keinen Hinweis darauf, dass pädophile Menschen an der Erstellung des Vertragstextes beteiligt waren. Im Entwurfstext selber ist an keine Stelle von Pädophilie die Rede.

CC BY-SA

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4 Kommentare

Ich lehne natürlich jeden wie auch immer gearteten Herrschaftsanspruch der UN vollumfänglich ab. Ich lehne auch jeden Herrschaftsanspruch jeder Organisation ab, die sich als "Regierung" bezeichnet. Denn kein Mensch hat einen legitimen gewaltsamen Herrschaftanspruch gegenüber einem anderen Menschen ohne dessen individuelle Zustimmung. Und ich für meinen Teil gebe diese Zustimmung keinem anderen Menschen. Also auch nicht der UN, der EU, dem Bundestag oder dem Bundesverfassungsgericht. Und natürlich auch keiner anderen gewaltkriminellen Organisation, egal welche Uniformen sie tragen. Es gelten ausschließlich die Menschenrechte.

Die Menschenrechte sind genau von solchen Organisationen aufgestellt worden: Der EU, der UN, dem Europarat (der hat mit der EU gar nix am Hut, Politiker sind nicht so sonderlich gut im Namen einfallen lassen), oder der Parlamentarische Rat.

Menschenrechte alleine bringen niemanden etwas, wenn es nicht jemanden gibt, der sie durchsetzt, der an der Seite der Schwachen steht, damit die Menschenrechte gelten und nicht das Recht des Stärkeren. Das ist das Versprechen des Rechtstaates in einer Freiheitlichen-Demokratischen Grundordnung. Dieses Versprechen wird leider nicht immer eingelöst, weshalb es Kontrolle braucht, Kontrolle durch die Medien, Kontrolle durch das Volk, Kontrolle durch Zwischenstaatliche Organisationen.

"Die Menschenrechte sind genau von solchen Organisationen aufgestellt worden"

Bullshit natürlich; die Menschenrechte gelten als logisch-normatives Prinzip vollkommen losgelöst von jedweder Institution oder Organisation. Sie sind die Messlatte anhand derer man menschliches Verhalten gegenüber anderen Menschen hinsichtlich objektiver Kriterien bewerten kann. Und damit natürlich auch das Verhalten von Organisationen und Institutionen, die ja in Wahrheit nichts anderes sind als Gruppen von Menschen.

Ansonsten müsste man ja sagen, wenn die EU, die UN, der Europarat, der Bundestag, das Bundesverfassungsgericht oder sonst irgend ein Kasperleverein hochoffiziell festlegt, dass es menschenrechtskompatibel sei, zufälligen Unschuldigen die rechte Hand ohne Grund mit einem rostigen Hackebeil abzuhacken, dass dies dann tatsächlich nicht mehr menschenrechtswidrig sei. Natürlich ist die Menschenrechtwidrigkeit des nicht-einvernehmlichen Abhackens von Gliedmaßen des Körpers unschuldiger Menschen mittels eines rostigen Hackebeils nicht von der willkürlichen Festlegung offizieller Bürokraten in offiziellen Dokumenten abhängig, sondern von der logisch-objektiven Tatsache, dass ein solches Hackebeilschwingen die körperliche Integrität, Autonomie und die selbstbezogenen Präferenzen des Opfers tatsächlich verletzt.

Und in der Tat: Das Versprechen, dass diese Institutionen menschenrechtskompatibel handeln würden, wird objektiv nicht eingehalten.

Es geht übrigens auch nicht darum, das Recht des Stärkeren zu verhindern, sondern im Gegenteil darum, durch objektiv-normative Prinzipen zu koordinieren, dass die Starken (also Menschen) sich nicht gegenseitig schädigen müssen. Ansonsten könnte man auch Menschenrechte für Hühner einführen. Zur Erinnerung: Der Staat ist nicht der Stärkere, sondern die Institution, sie sich selbst offizielle politische Autorität zuschreibt. In Wahrheit sind die Staatbeamten lediglich 5% der Bevölkerung und hätten keinerlei Chance gegen die 95% der restlichen Bevölkerung, wenn diese die Autorität des Staates nicht mittragen würden. Deswegen ist es ja so dummdreist, dass die Menschenrechtsprinzipien so objektiv und unverhohlen verletzt werden. Alle verlieren, niemand gewinnt. Außer ein paar Psychopathen, die einfach nur die Welt brennen sehen wollen.

Die Budapest-Konvention ist, im Gegensatz zur Cybercrime-Konvention ein Vertrag des Council of Europes, des Europarates, einer Art europäischen "Mini-UN" (vereinfacht gesagt). Die Cybercrimekonvention hebt diese europäische Konvention nun auf ein neues Level und baut sie auf und um, erneuert sie, passt sie an die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte an. Nichtsdestotrotz sind beide Verträge unabhängig, es wird also nicht einfach Budapest durch die Cybercrime-Konvention ersetzt, sondern beide existieren nebeneinander.

Sirius

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Mein Name hier ist Sirius – angelehnt an den Doppelstern im Großen Hund. Ich bin etwa Anfang 30, und studierter Informatiker. Seit meiner Jugend weiß ich, dass ich mich zu Kindern besonders hingezogen fühle. Und auch wenn der Umgang damit nicht immer einfach war, so hat es mich doch auch unter anderem zu meinem Rotkäppchen geführt, mit der ich in einer glücklichen Beziehung lebe. In meiner Freizeit versuche ich einen Beitrag zur Aufklärung über Pädophilie zu leisten, mache gerne Musik und verzweifle gelegentlich an der Gesellschaft.

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Eine kleine Anekdote zum Thema Frauen: selbst Krafft-Ebing hat schon 1886 in seiner Psychopathia sexualis erkannt, dass „diese Paedophilia erotica auch beim Weibe vorkommt“. Er beschrieb dort unter anderem den Fall einer exklusiv pädophilen jungen Frau, bei der der bloße Anblick eines Kindes, in das sie sich verliebt hatte ausreichte, um sie zum Orgasmus (inklusive Ejakulation) zu bringen. Knapp 150 Jahre später erzählen uns jetzt anerkannte Experten wie Schiltz, Beier oder Graf, dass es angeblich keine pädophilen Frauen (zumindest in relevanter Anzahl) geben würde. Manchmal fühlt es sich so an, als ob sich im Bereich Pädophilie die Entwicklung und der Wissensstand sei Jahrzehnten rückwärts entwickelt.
Der satz "(im Sinne einer Löschung sexueller Fantasien) " ist schon heftig. Wirklich erstaunlich wie man einfach so gelassen in einer Klammer, die Manipulation der Gedankenwelt fordert. Die Gedankenfreiheit ist eines der zentralen Menschenrechte, denn sonst sind wir nur wandelnde Fleischhaufen...
Danke für die sachliche Kritik, ich versuche mal auf die einzelnen Punkte zu antworten. Einen Titel wie "Pädophilie – Wenn Sexualität Opfer schafft" verstehe ich zunächst als sachlich korrekt, da eine mit Kindern ausgelebte Pädosexualität Verbrechen ist und Opfer schafft. Ich empfinde das ehrlich gesagt so ein wenig als Wortklauberei. Sexualität ist eigentlich mehr als nur das Sexualverhalten, sondern beschreibt die Gesamtheit des sexuellen Verhaltens, aber auch der sexuellen Präferenzen und der sexuellen Identität einer Person. Unter der Interpretation kann man Pädophilie durchaus als Sexualität verstehen, und ich bin der Meinung, dass der Titel diese Interpretation auch nahe legt. Aber auch wenn wir sagen, dass Sexualität nur das Verhalten beschreibt, wird durch den Titel eine enge Verbindung nahe gelegt. Es wird eben nicht differenziert, sondern impliziert, dass das Schaffen von Opfern eine wesentliche Eigenschaft der Pädophilie ist. Eine Kinderleiche am See ist sicher viel abstrakter als das, was Eltern über Pädos eingetrichtert wird. Aber das ist doch genau das Schlimme: Das es für viele Eltern schwieriger ist, sich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, dass jemand in Gedanken ihr Kind sexuell begehrenswert finden könnte, als mit dem Gedanken, dass ihr Kind als Leiche im See enden könnte. Dass die bloße Existenz von Pädophilen als schwieriger zu Verdauen gilt als selbst schlimmste Gewalttaten an Kindern, zeigt, wie krank, hysterisch und verzerrt die Diskussionen zu dem Thema eigentlich inzwischen geworden sind. Sein letzter Satz den dein Zitat leider auslässt (warum?) dreht wieder die sachliche Aussage: Pädophilie allein hat keinen (oder weniger) Krankheitswert. Es stimmt, dass er mit dem letzten Satz seine Aussage ein Stück weit wieder relativiert. Dennoch, die vorigen, von mir zitierten Sätze beantworten die Frage eigentlich relativ klar: Pädophilie gilt „unter Medizinern“ als eine „abnorme Sexualpräferenz“, die schon „einen gewissen Krankheitswert hat“. Mal abgesehen davon, dass er damit einen wissenschaftlichen Konsens zu der Frage impliziert, den es so schlicht nicht gibt, verstehe ich in dem Zusammenhang den letzten Satz eher so, dass die Handlungen lediglich beeinflussen, wie krank ein Pädophiler wirklich ist, aber nicht, ob ein Pädophiler grundsätzlich krank ist. Ich habe das Zitat um den letzten Satz dennoch einmal ergänzt, da ich durchaus sehen kann, dass er die Interpretation der Aussagen beeinflussen kann. Das Zitat in deinem Text bezieht diese Reizkontrolle wiederholt klar auf - Straftäter, nicht auf non-offender - Tätigkeiten, die klar über normalen privaten Umgang mit Kindern hinausgehen […] Deine ganze weitere Argumentation zu diesem Punkt stützt sich auf diesen Strohmann, Schiltz habe explizit nicht-Täter eingeschlossen und die individuelle Betrachtung voll verneint ("Situationen mit Kindern grundsätzlich zu vermeiden"). Ich habe in die Stelle im Podcast reingehört und kann diese Interpretation irgendwie nicht nachvollziehen. Ich denke schon, dass sich die Aussagen von Schiltz zur Vermeidung von Kinderkontakt allgemein auf Pädophile beziehen: Die Frage war ganz klar, ob „Vermeidung im Umgang mit Kindern“ allgemein eine gute Strategie für Pädophile sei, und nicht nur auf Straftäter beschränkt. Und Schiltz' Antwort war ebenso klar und eindeutig: „Das ist eine sehr gute Strategie.“ Er sagt: „Wir machen das [Vermeidung von Kinderkontakt] auch, wenn wir mit bereits straffälligen Personen arbeiten“. Das zeigt, dass er in seiner Antwort über nicht straffällige Personen redet und die Strategien, die er Straftätern vermittelt auch für nicht-straffällige Pädophile anwenden will. Dazu kommt, dass seine Antwort jegliche Differenzierung vermissen lässt. Er sagt nicht „es kommt drauf an, wie es der Person im Umgang geht“ oder „es kommt drauf an, ob sich die Person im Umgang mit Kindern vernünftig verhält“. Nein, stattdessen: Vermeidung im Umgang mit Kindern ist immer eine „sehr gute Strategie“, Punkt. Die Beispiele, die er nennt, resultieren eher aus einem Unvermögen sich vorzustellen, dass Pädophile auch die Nähe von Kindern suchen können, ohne sich creepy zu verhalten oder die Kinder zur sexuellen Erregung zu instrumentalisieren.
Ach Sirius, ich weiß immer nicht so recht wie ich damit umgehen soll: ich sehe mich wiederholt in der ziemlich unangenehmen Lage, zwar im Grunde mit dir übereinzustimmen aber einige deiner Argumente daneben oder unausgegoren zu finden. Leicht anbgreifbar eben. Ich schneide hier mal nur vier dieser Punkte an: Der Titel: Wenn man auf der Trennung von Verhalten und Neigung bestehst dann finde ich, muss man das auch den Journalisten zugestehen: Pädophilie ist eben keine Sexualität (Handlungsweise) sondern eine sexuelle Präferenz. Einen Titel wie "Pädophilie – Wenn Sexualität Opfer schafft" verstehe ich zunächst als sachlich korrekt, da eine mit Kindern ausgelebte Pädosexualität Verbrechen ist und Opfer schafft. Bösartig ist der Titel ganz klar dennoch, da den Journalist*innen einerseits die Wirkung dieses Framings bewusst gewesen sein muss. Und andererseits offenbart der weitere Kontext, dass sie tatsächlich gar nicht sinnvoll differenzieren wie du in deinen Worten zur Einleitung weiter unten gut illustrierst. Eines der schwierigsten Themen Sie sagt "schwierig", nicht "schlimm", wie du sie zitierst und kritisierst. Inwiefern schwierig, das erklären die Moderatoren ja auch gleich indem sie ihre Familien erwähnen: es ist emotional schwierig und das glaube ich Normalos auch. Eine Kinderleiche am See ist sicher viel abstrakter als das, was Eltern über Pädos eingetrichtert wird. Trotzdem stimme ich zu: indem sie die "Schwierigkeit" betonen gewinnen sie keinen Blumentopf sondern reiben das Stigma nochmals stärker rein. Zeigen hier unnötiges Verständnis für ignorante Leute. Allerdings hängt der [Krankheitswert] natürlich auch immer davon ab, inwiefern eine Person nach dieser Neigung handelt. Herr Schiltz finde ich äußert sich hier hörbar vorsichtig. Er zaudert wie nirgends sonst im Interview, hört ihr das auch? Warum frage ich mich. Warum haut er nicht klar raus: "Die Neigung an sich wird schon als "komisch" gesehen aber Krankheitswert hat sie nur, wenn daraus Leiden entsteht bliblablubberklärung"? Sein letzter Satz den dein Zitat leider auslässt (warum?) dreht wieder die sachliche Aussage: Pädophilie allein hat keinen (oder weniger) Krankheitswert. Trotzdem lässt er angebrachte Kritik an der Fragestellung aus, wie ich sie teils von Dr. Ahlers geliebt habe, der oft erstmal die Fragesteller freundlich zusammengefaltet hat bevor er die richtige Frage beantwortete. Sowas hätte ich mir von Schiltz hier auch gewünscht. ich denke das wollte er hier nicht. Und dieser letzte Satz wird nicht das sein, was beim Zuhörer hängenbleibt. Nicht zuletzt, da weder der Grund für die Einordnung als abnormal noch die Abhängigkeit vom Handeln nach der Neigung erläuert wird. Daher bin ich bei der Kritik und den Vergleichen zur Situation Homosexueller wieder voll bei dir. Hier werden Strategien und Behandlungsmethoden, die ursprünglich für die Behandlung von Sexualstraftätern entwickelt wurden und dort vielleicht sogar Sinn ergeben (ich weiß es nicht), eins zu eins auch auf Pädophile angewandt, die nie ein Kind missbraucht haben. Auf diesen Punkt habe ich im Interview sehr geachtet und ich muss widersprechen: Nein das tut er (im Interview) nicht. Das Zitat in deinem Text bezieht diese Reizkontrolle wiederholt klar auf - Straftäter, nicht auf non-offender - Tätigkeiten, die klar über normalen privaten Umgang mit Kindern hinausgehen: "vor einem Schulhof stehen, [...] im Schwimmbad herumhängen und dort Beobachtungen machen." also Kinder beglotzen. Und ob ein Straftäter frei sein sollte, später "im Kindergarten [zu] arbeiten", da kann man durchaus geteilter Meinung drüber sein. - "Reize, die sie in problematische Triebsituationen bringen könnten", wozu auch erläutert wird, das dies hochindividuell sei. Deine ganze weitere Argumentation zu diesem Punkt stützt sich auf diesen Strohmann, Schiltz habe explizit nicht-Täter eingeschlossen und die individuelle Betrachtung voll verneint ("Situationen mit Kindern grundsätzlich zu vermeiden"). Beides ist, finde ich, falsch. Soviel zu den angekündigten 4 Beispielen. Was Pädophilie bei Frauen angeht: Welchen Vorteil bringt es diese Vermutung bei jeder Erwähnung extra zu betonen? , dass es wahrscheinlich nur super wenige gäbe??!? Das regt mich auch ENDLOS auf. Warum? - Entweder es gibt wesentlich mehr pädophile Frauen als die Wissenschaft vermutet. Dann ist das falsch, kontraproduktiv, invalidierend und suuuper schädlich für die Selbstwahrnehmung krass vieler Menschen. - Oder es gibt tatsächlich nur super wenige pädophile Frauen. Dann wär es zwar nicht sachlich falsch aber schädlich und trotzdem kontraproduktiv, dass so darauf herumgeritten wird. - Und die Vermutung einfach auszulassen und es beim "Wir wissen es nicht" mit kurzer neutraler Begründung zu belassen würde nichts von diesem Schaden anrichten. Letzteres wäre neutral und sachlich. Oh, was soll denn eigentlich neutral und sachlich bleiben? Richtig, der Journalismus. Liebes Aktenzeichen-Team: Aufgabe verfehlt.
Derartige Ungenauigkeiten finden sich leider ständig in wissenschaftlichen Artikeln zum Thema. Dennoch erwähnt der Artikel einige, wie ich finde, sehr valide Punkte, allen voran: Es gibt überhaupt keinen Beweis dafür, dass Kein Täter Werden überhaupt hält, was es verspricht. Die Zahlen, die bisher im Projekt veröffentlicht wurden, zeigen, dass es bei Klienten, die Täter sind sehr hohe Rückfallquoten gibt, während einige Nicht-Täter sogar erst im Verlauf der Therapie zu Ersttätern werden. Im Bezug auf das PPJ kritisiert König den Einsatz von Medikamenten, den ich bei Minderjährigen ebenfalls sehr fragwürdig finde.