Titelbild zu Gebt uns ruhig die Schuld (den Rest könnt ihr behalten)
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An dem chinesischen Händler für Billigmode Shein gibt es eine Menge, was man kritisch betrachten kann. So gibt es Vorwürfe, dass der Onlineshop Kleidung unter menschenunwürdigen Bedingungen herstellen lässt, es wurden giftige Stoffe in der verkauften Kleidung gefunden, sogar Fälle von Kinderarbeit wurden bei den Zulieferern festgestellt.1 Als Fast-Fashion-Händler mit täglich 500 neuen Kleidungsstücken im Sortiment fördert Shein außerdem ein schädlich-verschwenderisches Konsumverhalten, mit drastischen Auswirkungen für die Umwelt.

Auch das Schweizer Boulevardblatt 20min hat in einem aktuellen Artikel den Händler kritisiert, allerdings aus einem ganz anderen Grund: Dem Blatt gefällt die Werbung für die Kindermode nicht. Diese sei zu „lasziv“ und könnte unter Umständen, so die schreckliche Befürchtung der Autorin, Pädophilen gefallen. Dieses Thema ist ihr so wichtig, dass sie für den Artikel gleich zwei Expertinnen nach ihren Meinungen befragt. Herausgekommen ist ein Artikel mit dem hetzerischen Titel Gefundenes Fressen für Pädophile. Der Titel zitiert dabei eine anonyme Hinweisgeberin, die in dem Artikel am Anfang kurz zu Wort kommt und angibt, bei ihrer Arbeit in einer Psychiatrie „öfter mit Pädophilen“ zu tun zu haben.

Pädophile sind keine Tiere

Dabei ist die Überschrift schon entwürdigend. Die Wortwahl („Fressen“) rückt Pädophile in die Nähe von wilden, gefährlichen Tieren — eine Assoziation, die medial gerne bedient wird, wenn es um Pädophilie geht. Dies stützt eine gefährliche und menschenfeindliche Narrative, nach der es auf der einen Seite die „gute“ Gesellschaft gibt, und auf der anderen Seite die gefährlichen Pädophilen, vor denen die Gesellschaft fortwährend geschützt werden muss. Gleichzeitig legt die Überschrift nahe, dass alles, was gut für Pädophile ist oder Pädophilen (sexuelle) Erfüllung geben könnte, notwendigerweise schlecht ist. Im Ergebnis werden Sachverhalte nicht mehr danach bewertet, ob sie schädliche Anteile enthalten, sondern danach, ob es Pädophile gefallen könnte.2 So führt die anonyme Hinweisgeberin weiter aus, die Bilder aus der Werbung könnten Pädophilen als „Vorlage für ihre sexuellen Fantasien“ dienen, und verzichtet dabei auf jegliche Erklärung, warum das ein Problem ist oder wie das den abgebildeten Kindern schadet.

Derartige mediale Demütigungen sind, muss man leider sagen, schon Alltag und nichts Besonderes. Die erste für den Artikel befragte Expertin, Fanny de Tribolet-Hardy von der Präventionsstelle Pädosexualität in Zürich, erklärt immerhin, das Problem sei die Sexualisierung von Kindern, auch „unabhängig von Pädophilie“. Im Gegensatz zur Hinweisgeberin problematisiert sie die Bilder also aufgrund der Art, wie diese Kinder darstellt, und nicht aufgrund der (vermuteten) Wirkung auf pädophil empfindende Menschen – ein wichtiger Unterschied! Die Autorin hat sich dennoch für eine Darstellung entschieden, die primär Pädophile entmenschlicht und schon reine Fantasien von pädophilen Menschen problematisiert. Dass die kritisierte Werbung pädophile Fantasien beflügeln würde, wird dabei als selbstverständlich angenommen, ist tatsächlich aber nicht so klar, wie es dargestellt wird.

Kleinkinder mit Handtasche und Kaffeebecher

Unter der Artikelüberschrift werden zwei (zensierte) Beispielbilder gezeigt, die Mädchen mit „lasziven“ Blick und in sexualisierten Körperhaltungen zeigen sollen. Über eine umgekehrte Bildersuche bei Google findet man tatsächlich Verweise auf die Produktseiten bei Shein, auf denen die unzensierten Originalbilder ursprünglich zu finden waren. Die Produktseiten existieren inzwischen nicht mehr, wobei sich nicht sagen lässt, ob sie wegen des Artikels offline genommen wurden, oder weil Fast Fashion – Geschäfte ihre Kleidungsangebote schneller wechseln als manch einer seine Unterhose. Im Onlineshop von Shein findet man insbesondere in der Kategorie für Mädchenkleidung allerdings zahlreiche Werbebilder, die in eine ähnliche Richtung gehen wie die, über die sich 20min empörte.

Auf einem Bild posiert ein Mädchen im Grundschulalter in einem hautengen Kleid, das dafür gemacht zu sein scheint, Kurven zu betonen, die noch kein Mädchen in dem Alter hat. Auf dem nächsten Bild ist ein Mädchen zu sehen, das aufgestylt mit großen, funkelnden Ohrringen auf ein Handy in ihrer Hand starrt, als würde sie eine wichtige Nachricht ihres Chefs lesen. Sie sieht nicht so aus als wäre sie alt genug, um überhaupt schon lesen zu können, auch wenn das bei der Menge an aufgetragenem Make-up schwer zu bewerten ist. In dem Stil reiht sich ein Bild ans Nächste. Eher selten trifft man auf Bilder von Kindern beim spielen, toben oder in anderen typisch kindlichen Alltagssituationen. Statt im Kinderwagen posieren vielleicht dreijährige Mädchen stattdessen mit Handtasche um der Schulter, oder noch absurder, bemüht lässig mit Kaffeebecher To Go in der Hand.

Ich habe eine Menge Gefühle, wenn ich diese Bilder sehe. Erregung gehört eher nicht dazu, dafür aber Irritation. Die Werbefotos wirken absurd, als hätte der Fotograf nur eine Bildsprache für das Ablichten von Erwachsenenmode gelernt und wendet diese nun ohne jegliche Anpassung gedankenlos beim Fotografieren von Kindern an, die teilweise alleine noch nicht einmal sicher auf den Beinen stehen können. In den meisten Bildern sehen die Kinder nicht wie Kinder aus, sondern wie Miniatur-Erwachsene. Es ist wie eine Art Uncanny Valley: Die Kinder könnten auf den Bildern fast als Erwachsene durchgehen, was unpassend und verstörend wirkt.

Meine Fantasien beflügeln diese Bilder jedenfalls nicht. Auch andere Pädophile, denen ich einige der Bilder gezeigt habe, empfanden dies ähnlich. Woher kommt also diese dringende Sorge der anonymen Hinweisgeberin, die Werbung könnte pädophilen Menschen zur Erregung dienen?

Pädophile Sexualität und teleiophile Projektion

Wenn sich exklusiv Teleiophile (Menschen, deren sexuelle Orientierung ausschließlich auf Erwachsene ausgerichtet ist3) vorstellen, was Pädophile anziehen finden könnten, scheinen sie oft einfach auf Kinder zu projizieren, was sie selber an Erwachsenen anziehend finden – eben verführerische, laszive Blicke und Körperhaltungen, die Figur betonende Kleider, sowie Schminke und Make-Up. Das ist wohl eigentlich das, was de Tribolet-Hardy meint, wenn sie von einer inakzeptablen Sexualisierung von Kindern spricht: die Übertragung von Elementen einer sexualisierten Bildsprache, wie sie häufig bei Erwachsenen benutzt wird, auf Bilder mit Kindern.

Dabei werden die betroffenen Kinder allerdings unkindlicher gemacht. Für Pädophile, die gerade das Kindliche am Kind anziehend finden (und das nicht nur auf sexueller, sondern auch auf ästhetischer und emotionaler Ebene), werden die Kinder dadurch wohl eher weniger attraktiv. Die anonyme Hinweisgeberin fordert in ihrer Empörung, Kinder mehr in kindgerechten, „natürlichen“ Posen abzulichten. Ironischerweise würde dies vermutlich das genaue Gegenteil des von ihr gewünschten Effekts haben und die Werbung für pädophile Menschen deutlich ansprechender machen.4

Es scheint für exklusiv Teleiophile, selbst denen, die meinen beruflich regelmäßig mit Pädophilen zu tun zu haben äußerst schwer vorstellbar zu sein, dass Pädophile Kinder nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer kindlichen Eigenschaften anziehend finden. Das Kindliche ist für uns kein Mangel, über das wir aufgrund unserer Sexualität irgendwie hinwegsehen können, sondern das eigentlich attraktive an Kindern.

Ein realistischeres Bild davon, was diese Werbung bei Pädophilen auslöst, hätte man natürlich erlangen können, wenn die Journalistin sich die Mühe gemacht hätte, einmal mit pädophilen Menschen direkt zu sprechen. Stattdessen werden hier aber lieber wilde Thesen aufgestellt, auf der Basis von Aussagen von Menschen, die anscheinend überwiegend oder ausschließlich mit Straftätern zusammenarbeiten. Ein weiteres Beispiel dazu, wie in den Medien allzu gerne über, aber nie einmal mit Pädophilen geredet wird.

Kinder werden nicht von Pädophilen zu Sexobjekten gemacht

Die Empörung, die sich 20min herbeischreibt (übrigens nicht zum ersten Mal), kann also eher als eine Projektion teleiophiler Sexualität verstanden werden. Die Empörung ist damit unfreiwillig enthüllend und sagt mehr über die sexuellen Präferenzen Teleiophiler aus, als über Pädophile. Gefundenes Fressen ist das, was ich in den Werbebildern gesehen habe, für mich jedenfalls eher nicht.

Im Gegenteil erscheint es mir eher so, dass die Kinder mehr den teleiophilen „schmackhaft“ gemacht werden — jedenfalls könnte ich mir vorstellen, dass die Aufmachung der Kinder bei einigen eigentlich exklusiv teleiophilen Menschen dazu führt, dass sie sich von den Bildern angesprochen fühlen, einfach weil die Kinder stellenweise wirklich aussehen wie kleine Erwachsene.

Fassen wir also zusammen: vermutlich teleiophile Menschen übertragen die sexualisierte Bildsprache aus der Modewerbung für Erwachsene auf Kinderwerbung und erreichen damit, dass die abgebildeten Kinder eher für Teleiophile als für Pädophile ansprechend wird. Es sind nicht Pädophile, die Kinder wie kleine sexy Erwachsene anziehen, und in der Regel wohl auch keine Pädophile, die das toll finden.

Für die teleiophile Mehrheitsgesellschaft wäre das mal ein guter Anlass, selbstkritisch den eigenen Umgang mit Kindern in den Medien zu hinterfragen. Umso irritierender ist es, dass stattdessen – wieder einmal – die Verantwortung ausschließlich bei den Pädophilen gesucht wird. Kinderschützerin Tamara Parham, die als zweite Expertin in dem Artikel zu Wort kommt, äußert etwa die Befürchtung, die Werbung könne „Menschen mit sexuellen Neigungen zu Kindern“ suggerieren, sexuelle Kontakte zu wünschen und diesen informiert zustimmen zu können. Man könnte genauso gut fragen, ob solche Werbung nicht das Risiko erhöht, dass Kinder von Teleiophilen als Sexobjekte gesehen und verletzt werden. Kognitive Verzerrungen sind kein rein pädophiles Problem. Zur Erinnerung: die meisten Missbrauchstaten werden nicht von Pädophilen, sondern von exklusiv teleiophilen Menschen begangen.

Als i-Tüpfelchen der Entwürdigung verbreitet die Kinderschutzexpertin schließlich noch völlig deplatzierte und schädliche „Ratschläge“, dass sich Pädophile pauschal von sozialen Medien fernhalten sollen. Dies hätte die Werbung zwar auch nicht verhindert, unterstützt dafür aber immerhin den gesellschaftlichen Ausschluss und die soziale Isolation pädophiler Menschen.

Ihr, die auf unsrer Scham und eurer Lust besteht
Das eine wisset ein für allemal:
Wie ihr es immer dreht und wie ihr’s immer schiebt
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.

(Bertolt Brecht)

Gebt uns ruhig die Schuld, den Rest könnt ihr behalten

(Die Fantastischen Vier)


  1. Wenn der Besitz von Kinderpornografie mit der Begründung mit mehreren Jahren Haft bedroht ist, dass schon der reine Konsum Missbrauch und Ausbeutung von Kindern fördert und weiterträgt, welche Strafe haben dann Menschen verdient, die Produkte aus einer Industrie kaufen, die bekannterweise immer wieder Probleme mit Kinderarbeit hat? 

  2. Diese Art des Denkens ist es, die unter anderen zu Verboten von Ersatzmaterialien wie kindlichen Sexpuppen geführt hat, obwohl bis heute jeglicher Beweis eines schädlichen Einflusses solcher Puppen fehlt. 

  3. Teleiophil ist, wer sich sexuell zu erwachsenen hingezogen fühlt. Genauer ist es nach dem Wissenschaftler Michael Seto die spezifische Präferenz zu jungen Erwachsenen, der Einfachheit halber meine ich mit dem Begriff hier aber allgemein die sexuelle Ansprechbarkeit für erwachsene Menschen. 

  4. Das sollte aber bitte nicht zum Anlass gegeben werden, Werbung mit Kindern in kindgerechten Situationen zu problematisieren und Kinder nur noch als kleine Erwachsene abzulichten. Die Frage nach Kinderbildern in der Werbung muss sich immer am Wohl und den Persönlichkeitsrechten der betroffenen Kinder orientieren und nicht an der Frage, wie Pädophile die Bilder finden könnten. 

CC BY-SA

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1 Kommentar

"Ein realistischeres Bild davon, was diese Werbung bei Pädophilen auslöst, hätte man natürlich erlangen können, wenn die Journalistin sich die Mühe gemacht hätte, einmal mit pädophilen Menschen direkt zu sprechen. Stattdessen werden hier aber lieber wilde Thesen aufgestellt, auf der Basis von Aussagen von Menschen, die anscheinend überwiegend oder ausschließlich mit Straftätern zusammenarbeiten." Schön gesagt. Es ist wirklich ein unzumutbarer Zustand, dass diese Leute nie auf die Idee kommen, mal MIT uns zu reden. Denn man könne ja unmöglich mit uns reden, so scheint die Denkart zu sein.

Sirius

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Mein Name hier ist Sirius – angelehnt an den Doppelstern im Großen Hund. Ich bin etwa Anfang 30, und studierter Informatiker. Seit meiner Jugend weiß ich, dass ich mich zu Kindern besonders hingezogen fühle. Und auch wenn der Umgang damit nicht immer einfach war, so hat es mich doch auch unter anderem zu meinem Rotkäppchen geführt, mit der ich in einer glücklichen Beziehung lebe. In meiner Freizeit versuche ich einen Beitrag zur Aufklärung über Pädophilie zu leisten, mache gerne Musik und verzweifle gelegentlich an der Gesellschaft.

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Danke für die sachliche Kritik, ich versuche mal auf die einzelnen Punkte zu antworten. Einen Titel wie "Pädophilie – Wenn Sexualität Opfer schafft" verstehe ich zunächst als sachlich korrekt, da eine mit Kindern ausgelebte Pädosexualität Verbrechen ist und Opfer schafft. Ich empfinde das ehrlich gesagt so ein wenig als Wortklauberei. Sexualität ist eigentlich mehr als nur das Sexualverhalten, sondern beschreibt die Gesamtheit des sexuellen Verhaltens, aber auch der sexuellen Präferenzen und der sexuellen Identität einer Person. Unter der Interpretation kann man Pädophilie durchaus als Sexualität verstehen, und ich bin der Meinung, dass der Titel diese Interpretation auch nahe legt. Aber auch wenn wir sagen, dass Sexualität nur das Verhalten beschreibt, wird durch den Titel eine enge Verbindung nahe gelegt. Es wird eben nicht differenziert, sondern impliziert, dass das Schaffen von Opfern eine wesentliche Eigenschaft der Pädophilie ist. Eine Kinderleiche am See ist sicher viel abstrakter als das, was Eltern über Pädos eingetrichtert wird. Aber das ist doch genau das Schlimme: Das es für viele Eltern schwieriger ist, sich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, dass jemand in Gedanken ihr Kind sexuell begehrenswert finden könnte, als mit dem Gedanken, dass ihr Kind als Leiche im See enden könnte. Dass die bloße Existenz von Pädophilen als schwieriger zu Verdauen gilt als selbst schlimmste Gewalttaten an Kindern, zeigt, wie krank, hysterisch und verzerrt die Diskussionen zu dem Thema eigentlich inzwischen geworden sind. Sein letzter Satz den dein Zitat leider auslässt (warum?) dreht wieder die sachliche Aussage: Pädophilie allein hat keinen (oder weniger) Krankheitswert. Es stimmt, dass er mit dem letzten Satz seine Aussage ein Stück weit wieder relativiert. Dennoch, die vorigen, von mir zitierten Sätze beantworten die Frage eigentlich relativ klar: Pädophilie gilt „unter Medizinern“ als eine „abnorme Sexualpräferenz“, die schon „einen gewissen Krankheitswert hat“. Mal abgesehen davon, dass er damit einen wissenschaftlichen Konsens zu der Frage impliziert, den es so schlicht nicht gibt, verstehe ich in dem Zusammenhang den letzten Satz eher so, dass die Handlungen lediglich beeinflussen, wie krank ein Pädophiler wirklich ist, aber nicht, ob ein Pädophiler grundsätzlich krank ist. Ich habe das Zitat um den letzten Satz dennoch einmal ergänzt, da ich durchaus sehen kann, dass er die Interpretation der Aussagen beeinflussen kann. Das Zitat in deinem Text bezieht diese Reizkontrolle wiederholt klar auf - Straftäter, nicht auf non-offender - Tätigkeiten, die klar über normalen privaten Umgang mit Kindern hinausgehen […] Deine ganze weitere Argumentation zu diesem Punkt stützt sich auf diesen Strohmann, Schiltz habe explizit nicht-Täter eingeschlossen und die individuelle Betrachtung voll verneint ("Situationen mit Kindern grundsätzlich zu vermeiden"). Ich habe in die Stelle im Podcast reingehört und kann diese Interpretation irgendwie nicht nachvollziehen. Ich denke schon, dass sich die Aussagen von Schiltz zur Vermeidung von Kinderkontakt allgemein auf Pädophile beziehen: Die Frage war ganz klar, ob „Vermeidung im Umgang mit Kindern“ allgemein eine gute Strategie für Pädophile sei, und nicht nur auf Straftäter beschränkt. Und Schiltz' Antwort war ebenso klar und eindeutig: „Das ist eine sehr gute Strategie.“ Er sagt: „Wir machen das [Vermeidung von Kinderkontakt] auch, wenn wir mit bereits straffälligen Personen arbeiten“. Das zeigt, dass er in seiner Antwort über nicht straffällige Personen redet und die Strategien, die er Straftätern vermittelt auch für nicht-straffällige Pädophile anwenden will. Dazu kommt, dass seine Antwort jegliche Differenzierung vermissen lässt. Er sagt nicht „es kommt drauf an, wie es der Person im Umgang geht“ oder „es kommt drauf an, ob sich die Person im Umgang mit Kindern vernünftig verhält“. Nein, stattdessen: Vermeidung im Umgang mit Kindern ist immer eine „sehr gute Strategie“, Punkt. Die Beispiele, die er nennt, resultieren eher aus einem Unvermögen sich vorzustellen, dass Pädophile auch die Nähe von Kindern suchen können, ohne sich creepy zu verhalten oder die Kinder zur sexuellen Erregung zu instrumentalisieren.
Ach Sirius, ich weiß immer nicht so recht wie ich damit umgehen soll: ich sehe mich wiederholt in der ziemlich unangenehmen Lage, zwar im Grunde mit dir übereinzustimmen aber einige deiner Argumente daneben oder unausgegoren zu finden. Leicht anbgreifbar eben. Ich schneide hier mal nur vier dieser Punkte an: Der Titel: Wenn man auf der Trennung von Verhalten und Neigung bestehst dann finde ich, muss man das auch den Journalisten zugestehen: Pädophilie ist eben keine Sexualität (Handlungsweise) sondern eine sexuelle Präferenz. Einen Titel wie "Pädophilie – Wenn Sexualität Opfer schafft" verstehe ich zunächst als sachlich korrekt, da eine mit Kindern ausgelebte Pädosexualität Verbrechen ist und Opfer schafft. Bösartig ist der Titel ganz klar dennoch, da den Journalist*innen einerseits die Wirkung dieses Framings bewusst gewesen sein muss. Und andererseits offenbart der weitere Kontext, dass sie tatsächlich gar nicht sinnvoll differenzieren wie du in deinen Worten zur Einleitung weiter unten gut illustrierst. Eines der schwierigsten Themen Sie sagt "schwierig", nicht "schlimm", wie du sie zitierst und kritisierst. Inwiefern schwierig, das erklären die Moderatoren ja auch gleich indem sie ihre Familien erwähnen: es ist emotional schwierig und das glaube ich Normalos auch. Eine Kinderleiche am See ist sicher viel abstrakter als das, was Eltern über Pädos eingetrichtert wird. Trotzdem stimme ich zu: indem sie die "Schwierigkeit" betonen gewinnen sie keinen Blumentopf sondern reiben das Stigma nochmals stärker rein. Zeigen hier unnötiges Verständnis für ignorante Leute. Allerdings hängt der [Krankheitswert] natürlich auch immer davon ab, inwiefern eine Person nach dieser Neigung handelt. Herr Schiltz finde ich äußert sich hier hörbar vorsichtig. Er zaudert wie nirgends sonst im Interview, hört ihr das auch? Warum frage ich mich. Warum haut er nicht klar raus: "Die Neigung an sich wird schon als "komisch" gesehen aber Krankheitswert hat sie nur, wenn daraus Leiden entsteht bliblablubberklärung"? Sein letzter Satz den dein Zitat leider auslässt (warum?) dreht wieder die sachliche Aussage: Pädophilie allein hat keinen (oder weniger) Krankheitswert. Trotzdem lässt er angebrachte Kritik an der Fragestellung aus, wie ich sie teils von Dr. Ahlers geliebt habe, der oft erstmal die Fragesteller freundlich zusammengefaltet hat bevor er die richtige Frage beantwortete. Sowas hätte ich mir von Schiltz hier auch gewünscht. ich denke das wollte er hier nicht. Und dieser letzte Satz wird nicht das sein, was beim Zuhörer hängenbleibt. Nicht zuletzt, da weder der Grund für die Einordnung als abnormal noch die Abhängigkeit vom Handeln nach der Neigung erläuert wird. Daher bin ich bei der Kritik und den Vergleichen zur Situation Homosexueller wieder voll bei dir. Hier werden Strategien und Behandlungsmethoden, die ursprünglich für die Behandlung von Sexualstraftätern entwickelt wurden und dort vielleicht sogar Sinn ergeben (ich weiß es nicht), eins zu eins auch auf Pädophile angewandt, die nie ein Kind missbraucht haben. Auf diesen Punkt habe ich im Interview sehr geachtet und ich muss widersprechen: Nein das tut er (im Interview) nicht. Das Zitat in deinem Text bezieht diese Reizkontrolle wiederholt klar auf - Straftäter, nicht auf non-offender - Tätigkeiten, die klar über normalen privaten Umgang mit Kindern hinausgehen: "vor einem Schulhof stehen, [...] im Schwimmbad herumhängen und dort Beobachtungen machen." also Kinder beglotzen. Und ob ein Straftäter frei sein sollte, später "im Kindergarten [zu] arbeiten", da kann man durchaus geteilter Meinung drüber sein. - "Reize, die sie in problematische Triebsituationen bringen könnten", wozu auch erläutert wird, das dies hochindividuell sei. Deine ganze weitere Argumentation zu diesem Punkt stützt sich auf diesen Strohmann, Schiltz habe explizit nicht-Täter eingeschlossen und die individuelle Betrachtung voll verneint ("Situationen mit Kindern grundsätzlich zu vermeiden"). Beides ist, finde ich, falsch. Soviel zu den angekündigten 4 Beispielen. Was Pädophilie bei Frauen angeht: Welchen Vorteil bringt es diese Vermutung bei jeder Erwähnung extra zu betonen? , dass es wahrscheinlich nur super wenige gäbe??!? Das regt mich auch ENDLOS auf. Warum? - Entweder es gibt wesentlich mehr pädophile Frauen als die Wissenschaft vermutet. Dann ist das falsch, kontraproduktiv, invalidierend und suuuper schädlich für die Selbstwahrnehmung krass vieler Menschen. - Oder es gibt tatsächlich nur super wenige pädophile Frauen. Dann wär es zwar nicht sachlich falsch aber schädlich und trotzdem kontraproduktiv, dass so darauf herumgeritten wird. - Und die Vermutung einfach auszulassen und es beim "Wir wissen es nicht" mit kurzer neutraler Begründung zu belassen würde nichts von diesem Schaden anrichten. Letzteres wäre neutral und sachlich. Oh, was soll denn eigentlich neutral und sachlich bleiben? Richtig, der Journalismus. Liebes Aktenzeichen-Team: Aufgabe verfehlt.
Derartige Ungenauigkeiten finden sich leider ständig in wissenschaftlichen Artikeln zum Thema. Dennoch erwähnt der Artikel einige, wie ich finde, sehr valide Punkte, allen voran: Es gibt überhaupt keinen Beweis dafür, dass Kein Täter Werden überhaupt hält, was es verspricht. Die Zahlen, die bisher im Projekt veröffentlicht wurden, zeigen, dass es bei Klienten, die Täter sind sehr hohe Rückfallquoten gibt, während einige Nicht-Täter sogar erst im Verlauf der Therapie zu Ersttätern werden. Im Bezug auf das PPJ kritisiert König den Einsatz von Medikamenten, den ich bei Minderjährigen ebenfalls sehr fragwürdig finde.
Hab nur 1min lang reingeguckt in den Artikel und buchstäblich der erste Absatz, den ich lese, schmeißt voll Pädophilie als Sexualpräferenz aus KTW-Kontext mit der „pädophilen Störung“ aus dem DSM durcheinander — UND baut das Ergebnis zu einem heftigen Kritikpunkt aus, man würde dem wissenschaftlichen Konsens widersprechen (Festschreibung von mir): Ein Hauptziel der Behandlung im Präventionsprojekt für Jugendliche ist es, die „sexuelle Präferenzbesonderheit für das kindliche Körperschema“ in das eigene Selbstbild zu integrieren und diese zu akzeptieren, da keine Veränderung der sexuellen Präferenz (im Sinne einer Löschung sexueller Fantasien) in Aussicht gestellt werden kann (Schlinzig et al. 2021, S. 189). Auch diese äußerst pessimistische therapeutische Haltung widerspricht international anerkannten Klassifikationssystemen. Das DSM‑5 weist darauf hin, dass eine „pädophile Störung“ grundsätzlich veränderbar ist, sowohl mit als auch ohne Therapie (Falkai und Wittchen 2015, S. 962) Macht diesen Artikel für mich jetzt nicht gerade vertrauenswürdig.
"Bei tatsächlich vorliegenden Straftaten kann eine diagnostizierte Pädophilie zu höheren Strafen oder zusätzlichen Auflagen vor Gericht führen." Die diesem Umstand zugrundeliegenden Tatsachen, hat User "Schneeschnuppe" hier in einem Kommentar sehr treffend dargelegt: (letzter Kommentar ganz unten) https://kinder-im-herzen.net/blog/sirius-sonntagskiste-nr-35-echoes-aus-der-vergangenheit