"Wenn einem Kind etwas unangenehm ist, dann merkt man das"
Und wo kein Widerstand spürbar ist, da ist auch kein Zwang am Werk und somit alles im grünen Bereich. Eigentlich doch ganz einfach, oder?
Vor einigen Tagen habe ich eine Situation erlebt, die mir bis dato völlig unbekannt war und von der ich berichten möchte, weil ich sie sehr passend finde.
Ich spazierte abends in der Gegend umher und entschied mich spontan dazu, in einem nahegelegenden Restaurant noch ein Bier zu trinken, was ungewöhnlich für mich war.
Ich setzte mich also, bestellte mein Bier und hing meinen Gedanken nach als ein Herr um die 40 mich freundlich ansprach und mir das Bier ungefragt ausgab. Es war eine nette Geste, ich bedankte mich und da ich ihn aus der Entfernung nicht gut verstand, setzte ich mich neben ihn um mich ein wenig mit ihm zu unterhalten. Er meinte, dass ich niedergeschlagen wirkte und er sich freue, dass ich nun wieder lächeln könne. Ich erzählte ihm ein wenig davon was mich beschäftigte und wir führten eine angenehme Unterhaltung. Alles wirkte normal, ich hatte nicht das Gefühl, dass er irgendwelche Hintergedanken dabei hatte, denn wir unterhielten uns unter anderem auch über meine Beziehung. Er stellte fest, dass ich meinen Freund wohl sehr lieben würde, was ich bejahte.
Zwischenzeitlich berührte er immer wieder wie zufällig meine Hand oder Schulter während er sprach und sagte mir ich hätte ein schönes, ehrliches Lächeln, wie das eines Kindes. Ein Kompliment, aber zu dem Zeitpunkt fiel mir das alles nicht einmal wirklich auf. Ich fühlte mich während unseres Gesprächs nie unwohl und ich ignorierte seine Berührungen schlichtweg.
Schließlich hatte ich mein Bier ausgetrunken, ich bedankte mich noch einmal bei ihm für das Bier und das Gespräch und wollte nach Hause gehen. Er zog sich ebenfalls seine Jacke an und folgte mir nach draußen. Ich bekam langsam ein komisches Gefühl dabei, fragte mich ob ich wohl zu naiv gewesen war. Er kam zu mir und lief neben mir her, obwohl ich schnellen Schrittes und in eine andere Richtung als er ging. Er schlug vor mich nach Hause zu bringen oder mir ein Taxi zu rufen, fragte mich mehrfach ob denn auch alles okay mit mir sei. Ich fühlte mich immer unwohler, wollte aber auch nicht unhöflich sein, denn der Mann war schließlich freundlich gewesen und vielleicht war ich auch einfach nur zu misstrauisch anderen gegenüber.
Ich zögerte etwas und sagte ihm, dass das wohl keine gute Idee wäre und es mir gut gehe. Er akzeptierte das, wollte sich allerdings erneut mit mir treffen. Er schlug sofort etwas vor, wurde aufdringlicher was die Berührungen anging, nahm meine Hand, streichelte mich am Arm etc. Ich tat auch diese Dinge ab und sagte ihm, dass ich noch nicht wüsste ob ich erscheinen würde und mein Freund wohl auch nicht allzu begeistert davon wäre. Schließlich nahm er mich in den Arm und küsste mich auf die Wange. Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte, wehrte mich nicht und war froh, als er dann endlich in die andere Richtung verschwand und ich allein nach Hause gehen konnte.
Ich bin kein Kind mehr und doch fiel es mir unfassbar schwer diese Situation einzuschätzen und zu erkennen wann gewisse Grenzen überschritten waren. Ich merkte nicht gleich, ab wann ich mich unwohl fühlte und ich konnte dieses Unwohlsein auch nach dem Erkennen nicht angemessen kommunizieren. Ich denke, dass ein Kind in einer ähnlichen Lage, insbesondere wenn es die Person gut kennt und ihr vertraut, unmöglich einordnen kann was es fühlt. Vielleicht erlebt es die Situation sogar ähnlich wie ich - als etwas angenehmes, was erst schleichend zu etwas bedrohlichem wird bevor es das überhaupt realisieren kann. Das würde bedeuten, dass ein Kind nach außen hin gar nicht ausreichend deutlich machen kann, wenn es sich auf einmal nicht mehr wohl fühlt.
Und selbst wenn das Kind es könnte: Würde das Gegenüber dieses Unwohlsein denn überhaupt wahrnehmen wollen?
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Zwischen liebevoll und gruselig liegt in meinen Augen oft ein sehr schmaler Grat, der nicht selten auch vollständig außerhalb der Kontrolle desjenigen liegt, der handelt. Viel mehr bestimmen die Empfindungen des Anderen, wie die Situation tatsächlich ist. Und das macht es eben unmöglich, sagen zu können, dass man die Kompetenz hat, mit einem Kind sexuell so umzugehen, dass es sich dabei gut fühlt. Weil es eben nicht in der eigenen Macht liegt. Im hier beschriebenen Fall war das Ganze gerade gegen Ende auch für mich schon sehr creepy, aber ich glaube, selbst wenn der Herr subtiler vorgegangen wäre, wäre es nicht ausgeschlossen, dass du irgendwann gemerkt hättest, was er vorhat, was direkt zu einem Gefühl von creepyness und Unwohlsein geführt hätte.
Das kenne ich mit den „zufälligen“ Berührungen. Ekelhaft. Allein sie haben von ihrer Wirkung her schon etwas von Ghosting: man wird wie automatisch verleitet, die eigenen Empfindungen abzutun und gute Mine zum bösen Spiel zu machen. Verleitet sich selbst zu misstrauen.
Eine kleine Anekdote: als Kind habe ich es GEHASST am Hals gestreichelt zu werden. Weil ich da so kitzlig war. Meine Eltern aber haben bei Streicheleinheiten oft den Hals mit einbezogen. Ich habe mich (aus meiner Sicht) gewehrt, mich sogar überaus offensichtlich gewehrt. Was bitte sonst soll die-Hand-des-Erwachsenen-immer-und-immer-wieder-dort-wegnehmen bedeuten? Dass man sie gleich wieder dort hintun soll? Hm, nein, aber muss wohl missverständlich gewesen sein, denn das taten meine Eltern dann fast immer. Das mag klein und unbedeutend klingen, hat aber ausgereicht nicht nur als Kind suuuper unangenehm zu sein für mich sondern bis heute negative Auswirkungen auf mein Verhalten und Empfinden zu haben.
Jetzt könnte man sagen „Was für selbstsüchtige Eltern!“ was vielleicht sogar stimmt, aber Ignoranz halte ich für wahrscheinlicher. Wenn man selbst etwas SO offensichtliches ausblenden kann, braucht mir niemand mit den von Sirius und Ruby genannten Argumenten kommen.