Am Freitag, den 10.11.2017 trafen sich Max, Sirius und ein weiteres Mitglied des SuH-Teams, das in diesem Bezug nicht genannt werden möchte, im Rahmen eines von Mascha aus dem GSA-Forum mitorganisierten Seminars zum Themenbereich LGBTIQ+ (lesbian, gay, bi, trans, intersex, queer und weitere). Dort hatten wir die Möglichkeit, ein wenig Aufklärung zu betreiben und einen allgemeinen Vortrag zum Thema Pädophilie mit unseren persönlichen Geschichten und Perspektiven zu vertiefen. Die Seminargruppe bestand aus ca. 20 Personen im Alter von 20-35 Jahren aus 12 Ländern, wesentlich mehr Frauen als Männer, von denen die Mehrzahl selber schwul, lesbisch, bi, transgender oder transsexuell war.
Das Thema Pädophilie ist dabei dank Mascha überhaupt erst in das Seminar eingebracht worden und wurde in zwei Teilen behandelt:
- Ein von Mascha vorgetragener theoretischer Vortrag, der das Ziel hatte die gröbsten Vorurteile auszuräumen und eine allgemeine Einführung in das Thema zu geben. Hier wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass Pädophilie nicht mit Kindesmissbrauch gleichzusetzen ist, und dass auch in der wissenschaftlichen Forschung die Pädophilie langsam als sexuelle Orientierung anerkannt wird.
- Ein etwa anderthalbstündiges Gespräch am darauf folgenden Tag, in dem wir uns als Betroffene den Fragen der Seminarteilnehmer*innen gestellt haben.
Ablauf des Gesprächs
Eine derartige Veranstaltung war für uns alle komplettes Neuland und dürfte für diesen Themenkomplex ziemlich einmalig sein. Entsprechend nervös waren wir auch zu Beginn. Hinzu kam, dass etliche Teilnehmer*innen am Anfang noch eine sichtlich skeptische Einstellung hatten und sich nicht sicher waren, wie sie die Pädophilie bewerten sollen und ob es sich dabei wirklich um eine vollwertige sexuelle Orientierung handelt. Also ob es zum Beispiel wirklich möglich ist, sich in ein Kind zu verlieben, oder ob diese Empfindungen nur vorgeschoben werden und aus einer „Krankheit“ resultieren.
Das Gespräch am Freitag fing dann damit an, dass wir uns zu den Teilnehmer*innen des Seminars in den Kreis setzten und Mascha in ein paar einleitenden Worten beschrieb, wie sie mich kennengelernt und die anderen beiden kurz zuvor zum ersten Mal getroffen hatte. Im Anschluss daran haben wir uns erst einmal unabhängig von der Pädophilie persönlich mit Pseudonym, Alter, Beschäftigung und Hobbys vorgestellt. Erst in einer zweiten Vorstellungsrunde haben wir das Thema Pädophilie aufgegriffen und zunächst über unser Coming-In geredet. Da dieses bei jedem von uns anders abgelaufen ist, hatten die Teilnehmer*innen bereits hier die Möglichkeit, einen Einblick in die Heterogenität der Gruppe der pädophilen Menschen zu bekommen. Nach jeder persönlichen Geschichte hatten die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, direkt Fragen zu diesen Geschichten zu stellen, woraus sich dann nach Abschluss der letzten Erzählung eine offene Fragerunde entwickelte.
Die gestellten Fragen waren dabei insgesamt sehr respektvoll und gingen kaum auf den sexuellen Aspekt der Pädophilie ein. So wurde zum Beispiel nicht nach konkreten sexuellen Fantasien, dem Konsum von Missbrauchsabbildungen oder dem Ausleben der eigenen Sexualität gefragt. Stattdessen bezogen sich die Fragen eher darauf, wie wir selber die Pädophilie wahrnehmen und empfinden und wie wir damit umgehen. Einige Fragen gingen zum Beispiel auf den Prozess der Akzeptanz der eigenen Neigung und des sich selber Verstehens ein. Hier konnten wir zum Beispiel von dem Erleben der gesellschaftlichen Ablehnung berichten und beschreiben, wie wir dieses Stigma konkret erleben und wie schnell dies auch internalisiert werden kann.
Ein weiterer Themenschwerpunkt, zu dem viele Fragen kamen und der anfangs Skepsis in den Gesichtern der Teilnehmer*innen hervorgerufen hatte, war die Tatsache, dass wir uns in Kinder wirklich verlieben mit allem was dazu gehört. Es wurde beispielsweise gefragt, wie das ist, wenn man sich verliebt. Um das zu verdeutlichen haben wir die Frage einfach umgedreht und gefragt, wie es für die Teilnehmer*innen ist, wenn sie sich verlieben. Ein Punkt, der nur nebenbei aufkam, war die Frage wie es ist mit Kindern zu arbeiten und ob man sich dabei nicht selber kontrollieren müsse. Um den Teilnehmer*innen klar zu machen, dass es keine besondere Art von Kontrolle braucht, wurde von uns der Vergleich zur Heterosexualität gezogen – denn ein Hetero-Mann braucht sich ja auch nicht auf eine besondere Weise kontrollieren um sich einer Frau nicht unsittlich zu nähern. Passend zu diesem Punkt kam auch die Frage auf, ob es für uns je eine Option war, auf Kontakt zu Kindern zu verzichten und wie wichtig uns Kinderkontakt im Allgemeinen ist.
Da sich Max und Sirius in Therapie bei KTW befunden hatten wurde auch dieses Thema angeschnitten und Fragen zu dem Ablauf der Therapie gestellt, also ob es sich um Gruppen- oder Einzelsitzungen handelt und was genau vermittelt wird. Dabei konnten wir kommunizieren, dass eine Therapie eine hilfreiche Option sein kann, auch um zum Beispiel ein negatives Selbstbild aufgrund des internalisierten Stigmas zu bearbeiten. Hinterher wurde auch von den Seminarteilnehmer*innen beklagt, dass ein ähnliches Angebot außerhalb von Deutschland nicht wirklich existiere.
Ein weiteres Thema war die Frage nach eigenen Kindern. Diese wurde von uns allen dreien unterschiedlich beantwortet. Allerdings haben wir alle auf das Problem aufmerksam gemacht, dass es für eigene Kinder nötig ist eine Partnerin zu finden und zu lieben, die in der Lage ist Kinder zu bekommen und bereit wäre, unsere pädophile Neigung zu akzeptieren, da wir in einer Partnerschaft nicht verschweigen wollen, dass wir uns auch in Kinder verlieben. Außerdem wiesen wir auf den Erfahrungswert hin, dass sich die meisten Pädophilen nicht in die eigenen Kinder verlieben, die sie mit aufgezogen haben.
Eine weitere Frage, die gestellt wurde, war ob wir glücklich sind. Diese Frage konnten wir ebenfalls mit einer Gegenfrage beantworten. Außerdem wurde gefragt, ob wir weiteres Interesse daran haben, gegen die Stigmatisierung pädophiler Menschen vorzugehen.
Reaktionen der Teilnehmer*innen
Zunächst wurden wir zwar mit neugierigen, aber auch skeptischen Blicken empfangen. Diese anfängliche Skepsis bei einigen Teilnehmer*innen hat sich im Verlauf des Gesprächs doch recht schnell gelegt als klar wurde, dass es sich bei uns vor allem um Menschen handelt, die den üblichen Klischeebildern nicht entsprachen und die in der Lage sind, offen und reflektiert über ihre Empfindungen zu reden.
An vielen Punkten konnten wir Verbindungen zwischen unseren Erfahrungen und Gefühlen und denen der Teilnehmer*innen ziehen. So mussten beispielsweise auch einige der Teilnehmer*innen Erfahrungen zu Ausgrenzung und Stigmatisierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und/oder Identität machen, sodass hier Gemeinsamkeiten mit unserer Situation gefunden werden konnten. Ebenso konnten wir verdeutlichen, dass unser Erleben von Liebe sich im Wesentlichen nicht von dem durchschnittlicher Menschen unterscheidet. Somit konnten wir also auch hier Gemeinsamkeiten zwischen unseren Erfahrungen und denen der Seminarteilnehmer*innen aufzeigen. Hinzu kommt, dass unsere sichtliche Nervosität zu Beginn des Gesprächs sowie das Hochkommen von Gefühlen während des Gesprächs auch geholfen hat, dass die Teilnehmer*innen uns vor allem als Menschen wahrgenommen haben.
Die Reaktionen im Anschluss an das Gespräch waren dann sehr positiv. Die Gruppe hat sich sogar sehr dankbar dafür gezeigt, dass wir bereit gewesen waren einen Einblick in unser Leben zu geben und aus unserer Perspektive über das Thema zu reden. Auch in der Kaffeepause, die direkt auf das Gespräch folgte, haben sich viele der Seminarteilnehmer*innen noch um uns geschart, weitere Fragen gestellt und auch von eigenen persönlichen Erfahrungen berichtet. Sirius ist im Anschluss noch in dem Tagungshaus geblieben und wurde auch danach sehr offen und einladend von der Gruppe aufgenommen und zum Abendessen eingeladen, wobei sich die Gespräche hinterher gar nicht mehr um das Thema drehten. Lediglich vier Teilnehmer*innen haben in der Evaluation des Gesamt-Seminars die Kritik geäußert, dass das Thema Pädophilie für sie zu viel Raum eingenommen habe und zu einseitig-positiv präsentiert worden sei, und sie sich lieber mit anderen Themen beschäftigt hätten, die für sie relevanter gewesen wären.
Fazit
Insgesamt glauben wir, dass wir einige Meinungen und Überzeugungen mit unserem Auftreten irritieren, positiv beeinflussen und bei einigen sogar grundlegend verändern konnten. Dies zeigt sich zum Beispiel in der sehr positiven Reaktion der Gruppe nach dem Gespräch. Vor der theoretischen Einführung in das Thema durch Mascha wussten die Teilnehmer*innen nichts oder nur sehr wenig über Pädophilie und Pädophile, und auch danach war weiterhin einiges an Skepsis und Vorbehalten vorhanden. Durch das persönliche Treffen hat sich diese Skepsis dann bei fast allen aber aufgelöst und wir wurden hinterher offen empfangen und sogar willkommen geheißen.
Des Weiteren konnten wir vermitteln, dass wir gar nicht so verschieden von den Teilnehmer*innen sind und viele Punkte finden, in denen es Gemeinsamkeiten gab. Dabei war es besonders effektiv, dass wir uns direkt vor die Gruppe stellen und präsentieren konnten und somit die übliche Distanz, die zu dem Thema herrscht, ein Stück weit aufgehoben wurde. Auch dies hat vermutlich dazu geführt, dass bei einigen vorhandene Vorurteile und Klischeebilder aufgelöst werden konnten. Dadurch, dass wir zu dritt waren, wurde es außerdem möglich aus unterschiedlichen Perspektiven zu berichten und somit zu vermitteln, dass es auch unter Pädophilen viele verschiedene Biographien gibt und es somit vermeiden, dass die Erlebnisse einer Person für die gesamte Gruppe der Pädophilen verallgemeinert werden.
Danksagung
Abschließend möchten wir uns noch bei den Organisatoren des Seminars dafür bedanken, dass sie uns den nötigen Raum gegeben haben um unsere Perspektive darzustellen. Ganz besonderer Dank geht dabei auch an Mascha dafür, dass sie das Thema überhaupt erst in das Seminar eingebracht hat, sowie für die Mitarbeit an diesem Berichts.