Liebe Leser,

ich bringe euch wieder einmal einen ganzen Haufen an Artikeln und Medienbeiträgen zum Thema Pädophilie, die diese Woche veröffentlicht wurden. Leider wieder einmal ausschließlich negatives. Besonders enttäuschend war ein Beitrag des hessischen Rundfunks, und die Medienberichterstattung um den Dortmunder "Tatort" von letzter Woche hat sich leider auch ziemlich stigmatisierend fortgesetzt.

1. hr-iNFO hält Kindesmissbrauch für "naheliegend"

Der Hessische Rundfunk hat eine etwa halbstündige Sendung zum Thema Pädophilie veröffentlicht. Das Ergebnis finde ich persönlich eher ernüchternd. Zwar wird die wichtige Differenzierung zwischen Kindesmissbrauch und Pädophilie getroffen, darauf hingewiesen, dass Pädophilie auch mit Liebe und nicht nur mit Sexualität zu tun hat, auf die negativen Folgen der Stigmatisierung hingewiesen und mit "Sven" und "Paul" kommen auch zwei selber pädophile Männer zu Wort. Gleichzeitig gibt es aber auch einige Sachen in dem Beitrag, die mich ziemlich gestört haben.

Zunächst einmal finde ich den Aufhänger des Beitrags schon sehr unglücklich. Es geht im Grunde ausschließlich um Missbrauchsprävention, die Missbrauchsfälle in Lügde und der "Pädophilie-Skandal" in Frankreich (der immer noch nichts mit Pädophilie zu tun hat ) werden genannt, um in das Thema einzuführen. Dann irritiert es mich, dass mal wieder nur von pädophilen Männern die Rede ist und Frauen mit Pädophilie als irrelevant zur Seite geschoben werden. Damit ist dieser Beitrag ein Paradebeispiel für die Behandlung pädophiler Frauen in den Medien, wie sie erst vor kurzem von Ruby kritisiert wurde. Die Liebe zu Kindern wird als "fatale Liebe" bezeichnet, die Ursachen der Pädophilie in Störungen und Krankheiten gesucht, und die Pädophilie selber mit einer Behinderung verglichen.

Sehr seltsam fand ich auch eine Aussage, dass Nähe zu Kindern als pädophiler Mensch grundsätzlich zu gefährlich sei, denn: wenn ein Kind zum Kuscheln auf den Schoß klettert und dies zu Erregung führt, sei es "naheliegend" das Kind dann auch zwischen den Beinen zu berühren (siehe Stelle 14:46). Ich kann nur für mich sprechen, aber in solchen Situationen überwiegt für mich die Freude, das Vertrauen des Kindes zu haben und von dem Kind gemocht zu werden. Ein Missbrauch ist so ziemlich das Letzte, woran ich denke. Und ich bin der Meinung, dass dies doch wohl normal ist und es eher auf eine Persönlichkeitsstörung oder ähnliches hindeutet, wenn es nahe liegend ist, jemanden den man mag (oder sogar liebt) und der einen ebenfalls mag sexuell zu missbrauchen. Oder ist es für "normal" heterosexuelle Männer nahe liegend, eine Frau zu vergewaltigen, wenn sie erregt und mit ihr alleine in einem Raum sind?

Schade, dabei appelliert gerade der Beitrag dafür, das Thema Pädophilie weniger stigmatisierend zu betrachten. Die Liebe pädophiler Menschen zu Kindern pauschal als "fatal" abzuwerten, uns zu unterstellen, dass der Missbrauch geliebter Menschen für uns nahe liegend ist und einen Teil der eigenen Identität damit zu vergleichen, keine Beine zu haben, empfinde ich allerdings als höchst stigmatisierend und beleidigend. Und: wenn man nur deswegen versucht, das Stigma aufzuheben damit sich pädophile Menschen Hilfe suchen können, um nicht übergriffig zu werden, dann trägt gerade das zu Aufrechterhaltung des Stigmas bei: denn damit schwingt immer die unterschwellige Botschaft mit, dass die psychische Gesundheit pädophiler Menschen eher zweitrangig ist und wir doch irgendwie tickende Zeitbomben sind, die ohne professionelle Hilfe wahrscheinlich irgendwann zum Täter werden.

Den Beitrag könnt ihr euch hier anhören:

2. Pädophilie-Geschichten über pädophile Menschenhändler im Dortmunder Pädophilie-Tatort

Bereits letzte Woche habe ich über den neusten Dortmunder "Tatort" und die Berichterstattung dazu berichtet. Diese Woche haben sich die Medien weiter an einer Nachbesprechung des "Tatorts" versucht, und bringen die brutalen und bestialischen Verbrechen an Kindern dabei konsequent in den Zusammenhang mit Pädophilie. So hat sich inzwischen die Bezeichnung "Dortmunder Pädophilie-Tatort" etabliert – es geht ja schließlich um Pädophilie in der "Pädophilie-Geschichte", die erzählt wird. Und so wird konsequent von Pädo-Milieus, Pädo-Verbrechern, pädophilen Menschenhändlern, Pädophilenringen und ähnlichen gesprochen. Besonders negativ fällt wieder mal der Spiegel auf, der nach dem Artikel letzte Woche gleich zwei weitere veröffentlicht hat, die in diese Richtung gehen.

3. Akzeptanz von Pädophilen ist inakzeptabel

In Amerika wurde ein Pastor beurlaubt, wie das Christliche Medienmagazin "pro" berichtet. Der Grund: ein ehrenamtlicher Mitarbeiter hat ihm in einer Beichte von seinen pädophilen Präferenzen erzählt, und der Pastor tat daraufhin – nichts. Kritisiert wird vor allem, dass er ihn nicht sofort aus der Gemeinde ausgeschlossen hat und niemanden sonst von dessen Präferenzen erzählt hat. 

Da stellt sich mir sofort die Frage: Was wäre denn gewonnen, wenn der Pastor wie gewünscht darauf reagiert hätte? Was ist so schlimm daran, dass der Mitarbeiter durch seine Arbeit auch mit Minderjährigen in den Kontakt kommt? Warum ist die Schweigepflicht bei der Beichte plötzlich irrelevant und keine Erwähnung wert, wenn es um Pädophilie geht? Wird nicht gerade durch eine hysterische Reaktion und dem Ausschließen aus allen sozialen Gefügen dem Mitarbeiter der Boden unter den Füßen weggerissen – was letzten Endes auch ein Missbrauchsrisiko erhöhen kann? 

Hier zeigt sich meiner Ansicht wieder einmal sehr widersprüchliche Forderungen, welche die Gesellschaft an uns pädophile Menschen stellt. Auf der einen Seite sollen wir uns offenbaren, damit man uns kennt und die Kinder von uns fern halten kann. Auf der anderen Seite ist die Reaktion der Gesellschaft auf eine solche Offenbarung derart hysterisch, dass dies kaum jemand freiwillig tun wird. 

Ich denke, man muss sich hier entscheiden. Wenn die Gesellschaft möchte, dass wir uns offenbaren, dann muss sie auch bereit sein uns vollumfänglich zu akzeptieren. Zu erwarten, dass wir uns offenbaren nur, um gesellschaftlich hingerichtet zu werden ist utopisch. Ansonsten richtet man nur medienwirksam die wenigen Mutigen hin, die dennoch über ihre Neigung versuchen zu reden (wie etwa im Fall des pädophilen Erziehers in München vor ein paar Jahren) und hat dabei eventuell sogar das Gefühl, irgendwas erreicht zu haben, aber der Rest von uns zieht sich nach solchen Fällen nur noch weiter zurück und wird noch isolierter. 

4. Vulva-Kunstaktion = Pädophilie?

Nun noch etwas Kurioses. Ein Künstler aus München hat per Zettel nach Frauen gesucht, die bereit sind sich von ihm einen Abdruck ihrer Vulva anfertigen zu lassen (Bericht der Münchener Abendzeitung dazu). Der Text auf den Zetteln lautet: "Vulva: Du möchtest deine Vulva kennenlernen? Dann lass sie von mir plastisch abformen."

Der Webseite von Tobias Binderberger, dem besagten Künstler, zu Folge hat sich kurz darauf die Polizei bei ihm gemeldet: "Besorgte Eltern hatten angerufen und die Polizisten darum gebeten zu überprüfen, ob sich hinter den Zetteln und dem Aufruf ein Pädophilenring verbirgt.". Da stellt sich bei mir die Frage, wie man darauf kommt, dass so ein Aufruf, der in keinster Weise Minderjährige anspricht sich ein "Pädophilenring" verstecken könnte – mal abgesehen, dass so ein richtiger Pädophilenring seine Aktivitäten wohl kaum öffentlich bewerben würde. Ich kann mir nur vorstellen, dass sich in den Köpfen der Eltern so eine Assoziationskette abgespielt hat:

Vulvas abformen -> sexuell motiviert -> pervers -> pädophil.

5. Kriminalisierung pädophiler Menschen in den Medien

Nicht jeder pädophile Mensch wird zum Straftäter, und die meisten Kindesmissbrauchstäter und Konsumenten von Kinderpornographie sind nicht pädophil. 

Leider wird diese wichtige Unterscheidung in den Medien oft nicht gemacht, und Pädophilie mit Straftaten oft in einen Topf geworfen. Gerade das trägt aber massiv zur Stigmatisierung pädophiler Menschen bei, da die meisten Menschen so den Eindruck gewinnen, dass Pädophilie und Kindesmissbrauch ein und dieselbe Sache ist. Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, möchte ich hier jede Woche Beispiele für diese Behandlung des Themas Pädophilie in den Medien sammeln.

(bild.de)

(blick.ch)

(hna.de)

(morgenpost.de)

(n-tv.de)

(shz.de)

(tagesanzeiger.de)

(blick.ch)

6. Ich werde nicht nachgeben

Zum Abschluss noch eine musikalische Kampfansage: I Won't Back Down, ursprünglich geschrieben von Tom Petty, hier in einer Version von Johnny Cash. Es wird wohl noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis wir Medienbeiträge wie die hier aufgelisteten nicht mehr lesen müssen, aber bis dahin werde ich nicht nachgeben und weiter versuchen, meinen Möglichkeiten entsprechend dagegen anzugehen. 

Bis nächste Woche,
 Sirius