Liebe Leser,

diese Woche enthält eine kleine Überraschung: So darf ich die Hamburger Morgenpost, die normalerweise eher auf BILD-Niveau schreibt, lobend erwähnen, und muss gleichzeitig den eigentlich eher seriösen Spiegel kritisieren. Thematisch geht es diesmal einmal um eine Folge des Dortmunder Tatorts – genauer gesagt die Berichterstattung darum – und um ein Interview mit dem Forensiker Dr. Peer Briken. 

1. Morallose Monster in Dortmund

Im Dortmunder "Tatort" ging es diesen Sonntag sehr dramatisch her. So traf der ermittelnde Kommissar Peter Faber auf seinen Erzfeind Markus Graf, der Fabers Familie ermordet hat und jetzt aus dem Gefängnis ausgebrochen ist. Um an Graf heranzukommen, entführt er die Tochter eines Kollgen und bietet sie auf einer Plattform im Darkweb zum Verkauf an, und fordert Fabers Suizid, bevor er das Mädchen wieder freilässt.

Mal abgesehen von der Frage nach der Plausibilität dieser Geschichte ist Graf ein weiteres Beispiel für die Kategorie "Moralloses Monster" aus meiner Klassifizierung pädophiler Stereotype. Auch wenn die Verbrechen Grafs nicht direkt im Zusammenhang mit Pädophilie stehen, werden sie von den berichtenden Medien sofort in diesen Zusammenhang gebracht. "Das Thema dieses Films ist Pädokriminalität", schreibt zum Beispiel die Süddeutsche (was zugegebenermaßen schon einmal um mehrere Größenordnungen besser ist als zu schreiben, das Thema sei Pädophilie). Laut Tagesspiegel wird das Mädchen einem "Pädophilenring" angeboten, die Allgemeine Zeitung schreibt ebenso, dass sie "Pädophilen" angeboten werden soll. Der Donaukurier bezeichnet eine als Kind missbrauchte Frau als "Pädophilen-Opfer", und laut SWR3 ist Graf ein "Pädophiler, mit dem sich Faber herumschlagen muss". Besonders schlimm macht es der Spiegel, der Faber konsequent als "Pädo-Verbrecher", "pädophilen Killer", "pädophilen Serienmörder" oder auch "Pädo-Mastermind" bezeichnet. 

Man stelle sich einen Moment lang vor, auch bei anderen Sexualverbrechen werde die (vermutete) Sexualität des Verbrechers so in den Vordergrund gestellt. Mal angenommen, der Tatort veröffentlicht einen Film über Menschenhandel, und die Medien schreiben daraufhin, das Thema des Tatorts sei Heterosexualität, und es ginge um Hetero-Verbrecher, heterosexuelle Killer und Heterosexuellen-Ringe. Absurd, oder? 

Warum wird dann immer wieder so über Pädophilie geschrieben, wenn es um Gewaltverbrechen gegen Kinder geht?

2. Interview mit Dr. Peer Briken

Dr. Peer Briken, der Leiter des Institutes für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf hat der Hamburger Morgenpost ein Interview zum Thema Pädophilie gegeben. Das Ergebnis kann sich für eine Boulevardzeitung, die sich sonst eher auf BILD-Niveau der Medien-Stigmatisierung pädophiler Menschen anschließt durchaus sehen lassen, auch wenn es sehr schade ist, dass das Thema mal wieder nur im Kontext von Straftaten und deren Prävention besprochen wird.

3. Kriminalisierung pädophiler Menschen in den Medien

Nicht jeder pädophile Mensch wird zum Straftäter, und die meisten Kindesmissbrauchstäter und Konsumenten von Kinderpornographie sind nicht pädophil. 

Leider wird diese wichtige Unterscheidung in den Medien oft nicht gemacht, und Pädophilie mit Straftaten oft in einen Topf geworfen. Gerade das trägt aber massiv zur Stigmatisierung pädophiler Menschen bei, da die meisten Menschen so den Eindruck gewinnen, dass Pädophilie und Kindesmissbrauch ein und dieselbe Sache ist. Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, möchte ich hier jede Woche Beispiele für diese Behandlung des Themas Pädophilie in den Medien sammeln.

(digitaler-dschungel.de)

(spiegel.de)

4. Nessaja

Diese Woche möchte ich mit einem Lied beenden, das bei mir mit viel Nostalgie verbunden ist. Peter Maffays Nessaja aus dem Hörspiel Tabaluga oder die Reise zur Vernunft ist ein Lied übers Erwachsenwerden, und darüber, dass wir alle auch als Erwachsene uns etwas Kindliches bewahren können. 

Irgendwo tief in mir bin ich ein Kind geblieben.
 erst dann, wenn ich's nicht mehr spüren kann,
 weiß ich, es ist für mich zu spät, zu spät, zu spät.

Liebe Grüße,
 Sirius