Liebe Leser,

es ist eine Weile her, seit wir den letzten positiven Medienbeitrag zum Thema Pädophilie gesehen haben. Leider wird sich diese Woche daran ebenfalls nichts ändern. Auch diesmal habe ich in meiner Kiste nur Beiträge mitgebracht, die Pädophilie im Zusammenhang mit Straftaten behandeln; Beiträge, in denen von pädophilen Tätern die Rede ist, oder von Akten von Pädophilie (sprich: Straftaten an Kindern, manchmal auch an Jugendlichen), oder von pädophilen Erwachsenen, die sich an Kinder ran machen. Inhaltlich geht es diese Woche unter anderen um Kindesmissbrauch, Cybergrooming, pädophile Ermittler und um Abtreibung.

1. ZDFinfo Doku über Kindesmissbrauch

Auf ZDFinfo ist eine neue 90-minütige Dokumentation zum Thema Kindesmissbrauch in Deutschland veröffentlicht worden. Die Dokumentation behandelt verschiedene Missbrauchsskandale und beschäftigt sich dabei am Rande auch mit Pädophilie und dem Projekt Kein Täter Werden. Zu Wort kommen dabei ein Teilnehmer von Kein Täter Werden und dessen Therapeut. 

2. Dänemark möchte Kindersexpuppen verbieten

In Dänemark wurde ein neuer Gesetzesentwurf beschlossen, der in der Zukunft den Erwerb von kindlich aussehenden Sexpuppen verbieten soll. Anlass dafür sind Empfehlungen verschiedener Kinderschutzorganisationen, die befürchten, dass die Verbreitung von immer realistischeren Sexpuppen den Sexualtrieb von Menschen mit pädophilen Neigungen ankurbeln und sie zu realen Übergriffen animieren könnte. Darüber berichten unter anderem der Standard und das Magazin Wienerin

Das Problem dabei ist, dass es noch absolut keine wissenschaftlichen Belege dafür gibt, dass Sexpuppen negative Folgen haben oder das Missbrauchsrisiko einer Person erhöhen könnte. Jonni Brenn, der Verantwortliche des österreichischen Präventionsprojektes Nicht Täter Werden behauptet zwar, ein "Abreagieren" an Sexpuppen führe "eher zu einer Verstärkung der Fantasien und Fixierungen" und nicht dazu, "einen Weg aus der Fixierung auf Kinder zu finden" – bleibt aber jeglichen Beweis dafür schuldig. Kuno Sørensen von der dänischen Kinderschutzorganisation "Rettet das Kind" erwähnt zwar, dass es keine Forschungsergebnisse dafür gibt, dass sich ein Verbot von Kindersexpuppen positiv auswirken kann. Aber auch er setzt sich dennoch für ein Verbot ein – aus "rein moralischen Gründen".

Was diese moralischen Gründe sind, erläutert er leider nicht. Es kommt mir so vor, als ob der Wunsch nach einem Verbot eher aus persönlichen Ekel als aus nachvollziehbaren Gründen heraus besteht. Der Gedanke, ein Kind sexuell anziehend zu finden und Puppen zu bauen, um diese sexuellen Wünsche daran ausleben zu können ist für viele derart abscheulich, dass sofort ein Verbot gefordert wird ohne nachzuschauen, ob überhaupt ein Schaden durch die Nutzung solcher Puppen entsteht. Die Botschaft, die dabei für mich transportiert wird, ist: dass ich als pädophiler Mensch mit meinen sexuellen Neigungen grundsätzlich unmoralisch und falsch bin und dieser Teil meiner Identität in jeder Form, in der sie auftreten könnte niedergemacht und tot getrampelt gehört – selbst dann, wenn eigentlich gar keiner dabei zu Schaden kommt. 

Ich möchte jeden, der für ein Verbot ist einmal anregen darüber nachzudenken, ob es fair ist jemanden mit (wie gefordert) 1-2 Jahren Gefängnis dafür zu bestrafen, dass er (durchaus kostspielige) Möglichkeiten sucht um mit seiner Sexualität auf eine Art und Weise umzugehen, bei der er keinem anderen Menschen auch nur ein Haar krümmt. Und ob es wirklich hilfreich ist dieser Person im Prinzip zu sagen, dass es egal ist ob er sich an einem leblosen Stück Plastik oder einem realen, lebenden Kind vergeht – denn ins Gefängnis kommt er bei Entdeckung ja dann in beiden Fällen.

3. Wenn sich pädophile Erwachsene an Minderjährige annähern

Der Bundesrat hat den vom Bundestag bereits beschlossenen Gesetzesentwurf gegen Cybergrooming und Kinderpornografie gebilligt. Inhalt des Entwurfs ist einmal, dass computergenerierte Kinderpornografie von Ermittlern genutzt werden darf, und andererseits schon der Versuch der sexuellen Annäherung von Erwachsenen an Minderjährige (Cybergrooming) bereits strafbar gemacht wird (siehe auch mein Kommentar zu dem Beschluss des Bundestags). 

Leider wird in der Berichterstattung dazu mal wieder einiges durcheinander geworfen. Auf n-tv steht etwa, Cybergrooming sei es, wenn "Pädophile online Kontakt zu Kindern suchen". Auf heise wird Cybergrooming ähnlich definiert als "der Versuch von Pädophilen, sich übers Netz per Messenger oder soziale Medien an Kinder heranzumachen", während Staatsanwältin Julia Bussweiler in einem frontal21-Beitrag von "pädophilen Tätern" redet, die in Foren Kinder ansprechen. Und in einer Pressemitteilung der CDU heißt es, Cybergrooming sei "die gezielte Annäherung pädophiler Erwachsener an Kinder im Netz zur Vorbereitung der Begehung von weiteren Straftaten". 

Man kann diese Formulierungen jetzt auf zwei Arten verstehen: entweder so, dass Cybergrooming nur dann eine Straftat ist, wenn sie von pädophilen Erwachsenen begangen wird und sexuelle Annäherungen von Erwachsene an Minderjährige in Ordnung sind, solange sie nicht von Pädophilen begangen werden. Oder, was wahrscheinlich eher die dahinter stehende Ansicht ist: dass Cybergrooming ein Verbrechen ist, das ausschließlich von pädophilen Menschen begangen wird. Ich sage es mal ganz deutlich, vielleicht verstehen es dann ja einige Medienvertreter und Politiker: selbst wenn es meine Intention wäre, mich an Kinder heranzumachen, würde ich das kaum online versuchen, weil die meisten im Netz aktiven Minderjährigen einfach zu alt sind. Nur die wenigsten Vierjährigen haben unüberwachten Internetzugriff und können bereits flüssig schreiben und an Chats teilnehmen. Cybergrooming ist ein Problem, das vor allem eher Jugendliche und weniger vorpubertäre Kinder betrifft, und es macht mich so langsam echt sauer, dass auch solche Straftaten uns noch in die Schuhe geschoben werden.

4. Jäger und Gejagter

Der erfolgreiche Kriminalautor Jan Costin Wagner hat einen neuen Roman geschrieben, in dem es inhaltlich um einen pädophilen Ermittler (er befriedigt sich zu beschlagnahmter Kinderpornografie) geht, der einen Kindesentführer jagt. Dies ist Anlass für das Literaturmagazin des Deutschlandfunk, ein Interview mit Wagner zu führen. Leider offenbart dieses Interview einige stigmatisierende Haltungen zum Thema Pädophilie. Das fängt schon damit an, dass der Roman mit "es geht um einen Fall von Pädophilie" anmoderiert wird. Man merkt dem Moderator der Sendung das Unwohlsein damit, dass der Protagonist des Romans pädophil ist deutlich an, und es ist für ihn fast schon ein Skandal, dass der Roman es zeitweise geschafft hat, dass er mit einer pädophilen Figur mitgefiebert hat. 

Meiner Ansicht nach hätte man das Interview besser sein gelassen, wenn es dem Moderator nicht gelingt vorbehaltlos an die Thematik heranzugehen.

5. Pädophilie bringt niemanden um

Der US-Amerikanischer Priester Richard Bucci von der römisch-katholischen Kirche Sacred Hearts hat diese Woche ziemliches Aufsehen mit einer sehr provokanten Aussage erregt. Bucci stört es sehr, dass viele Politiker in einer Abstimmung für den Erhalt des Rechts auf Abtreibung gestimmt haben, woraufhin er all diesen Abgeordneten sämtliche Kirchendienste verweigern möchte. Carol McEntee, eine demokratische Abgeordnete hatte er bereits im Dezember von einem Familienbegräbnis ausgeschlossen. Als Bucci in dem Kontext auf die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche angesprochen wurde, war seine Antwort sinngemäß: Pädophilie tötet niemanden, Abtreibung schon.

Der Vergleich ist natürlich mehr als absurd, und das nicht nur, weil er von Pädophilie spricht und dabei eigentlich Kindesmissbrauch meint (was ja in den USA mehr noch eine weit verbreitete Krankheit ist). Und so sind auch mehrere deutschsprachige Medien auf diesen Vergleich angesprungen und haben darüber berichtet. Die falsche Verwendung des Wortes "Pädophilie" ist dabei erwartungsgemäß leider niemanden aufgefallen.

6. Kriminalisierung pädophiler Menschen in den Medien

Nicht jeder pädophile Mensch wird zum Straftäter, und die meisten Kindesmissbrauchstäter und Konsumenten von Kinderpornographie sind nicht pädophil. 

Leider wird diese wichtige Unterscheidung in den Medien oft nicht gemacht, und Pädophilie mit Straftaten oft in einen Topf geworfen. Gerade das trägt aber massiv zur Stigmatisierung pädophiler Menschen bei, da die meisten Menschen so den Eindruck gewinnen, dass Pädophilie und Kindesmissbrauch ein und dieselbe Sache ist. Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, möchte ich hier jede Woche Beispiele für diese Behandlung des Themas Pädophilie in den Medien sammeln.

(general-anzeiger-bonn.de)

(wize.life)

(srf.ch)

(nach-welt.com)

(maghreb-post.de)

7. Ich wünschte ich wüsste, wie es ist frei zu sein

Das Schwierige an diesen ganzen negativen Beiträgen, die ich hier Woche für Woche sammel finde ich noch nicht einmal, dass sie überhaupt existieren, sondern dass es für mich unmöglich ist, darauf zu antworten. Auch eigentlich seriöse, öffentlich-rechtliche Medienanstalten stellen uns grundsätzlich als Straftäter dar, und wir können nicht wirklich darauf reagieren, ohne den Schutz der Anonymität aufzugeben. Daher beende ich diese Woche mit einem passenden Lied von Billy Taylor und Dick Dallas, hier gesungen von der Jazz-Sängerin und Bürgerrechtsaktivistin Nina Simone: I wish I Knew How it Would Feel to be Free

Bis nächste Woche,
 Sirius