Kindesvernachlässigung – eine moderne Tragödie

Um Kindesvernachlässigung handelt es sich, wenn die grundlegenden Bedürfnisse eines Kindes wie Fürsorge, Nahrung oder Zuwendung bewusst oder unbewusst vernachlässigt werden. Die Folgen der Vernachlässigung reichen von Entwicklungs- und Persönlichkeitsstörungen bis hin zu körperlichen Schäden. [1]

Kinder sind – besonders in jungem Alter – nicht dazu in der Lage, ihre Bedürfnisse alleine zu stillen und daher auf fürsorgende Erwachsene angewiesen. Die Bedürfnisse von Kindern und von Menschen im Allgemeinen sind vielfältig (vgl. "Maslow’sche Bedürfnispyramide") und reichen von körperlichen Bedürfnissen wie Essen, Trinken, Schlaf, gesundheitlicher Versorgung und Körperkontakt hin zu emotionalen Bedürfnissen wie dem nach Sicherheit, Geborgenheit, Liebe oder Wertschätzung.

Leider werden diese Bedürfnisse bei vielen Kindern nicht ausreichend gestillt. Eine Studie von 2017 [2] hat gezeigt, dass über 40% aller Kinder in Deutschland eine Form von emotionaler oder körperlicher Vernachlässigung erfahren, etwa 10% werden sogar schwer bis extrem vernachlässigt. Gründe dafür, dass ein Kind vernachlässigt wird, können finanzielle Probleme der Eltern, Beziehungsprobleme oder Überforderung sein.

Die Folgen von Kindesvernachlässigung sind vielfältig, so leiden vernachlässigte Kinder häufiger an psychischen Störungen, zeigen soziale Auffälligkeiten, haben einen niedrigen Schulabschluss, sind gefährdeter für Substanzmissbrauch und können – insbesondere bei körperlicher Vernachlässigung – häufiger erkranken, an Mangelernährung leiden oder sogar körperliche Fehlbildungen entwickeln.

Wenn die Bedürfnisse von Kindern zuhause nicht gestillt werden, spielen Einrichtungen wie Krippen, Kindergärten oder Schulen/Schülerbetreuungen eine große Rolle. Sie sind nicht nur eine wichtige Kontrollinstanz, sondern können Kindern – in gewissem Rahmen – auch das geben, was sie von daheim nicht bekommen, für ihre Entwicklung aber unbedingt brauchen: Sicherheit, Geborgenheit, Förderung und Wertschätzung.

Und da komme ich ins Spiel.

Pädophile als Erzieher

Als ich in dem Video von Die Frage als Pädophiler, der in einem Kindergarten arbeitet, erwähnt wurde, waren die Kommentare darauf fast ausschließlich ablehnend. Es sei für Kinder unzumutbar, mit einem Pädophilen zu tun zu haben, jede noch so geringen Gefahr für das Kind sei zuviel etc. Diese Kommentare zeigen, dass Pädophile - auch wenn der ein oder andere so großzügig ist, uns gewisse Rechte zuzusprechen - fast immer nur als Gefahr wahrgenommen werden, sie sich gefälligst von jedem Kind fernhalten sollen, und dass die Möglichkeit, dass ein Kind von dem Kontakt zu einer pädophilen Person auch profitieren könnte, meist noch nicht einmal in Erwägung gezogen wird.

Ich bin (noch) kein fertiger Erzieher oder Pädagoge, ich studiere zurzeit noch, habe aber bereits ein freiwilliges Jahr in einem Kindergarten absolviert und habe ja auch während meines Studiums durch verschiedene Praktika in Einrichtungen mit Kindern, Kontakt zu diesen. Und bereits jetzt habe ich einige Fälle von Kindesvernachlässigung erlebt. Von einem davon möchte ich hier nun berichten.

Sie war ein 5 jähriges Mädchen, hatte insgesamt 7 Geschwister, einen Vater, von dem sie erzählt hatte, dass er sie manchmal schlägt – leider war es mir als FSJler nicht möglich, viel dagegen zu unternehmen, außer der Kita-Leitung Bescheid zu sagen – und eine Mutter, die vollkommen überfordert und nicht in der Lage war, sie ausreichend zu fördern, sodass sie in ihren kognitiven, motorischen und sozialen Fähigkeiten weit hinter den andern Kindern ihres Alters zurück war. Dies hatte zur Folge, dass sie einerseits oft alleine war, da keines der anderen Kinder mit ihr spielen wollte und andererseits, dass die (mutmaßlich nicht pädophilen) Erzieherinnen sie meist nur als störend und als zusätzliche Belastung wahrgenommen haben, und gar kein großes Interesse daran gezeigt haben, sich um sie zu kümmern (womit ich nicht sagen möchte, dass es nicht auch nicht-pädophile Erzieher/innen gibt, die sich gut um Kinder kümmern können).

Ich habe sie anders wahrgenommen. Denn wenn man sich einmal auf sie eingelassen hatte, dann war sie ein wirklich liebes Kind, das es einfach schwer im Leben hatte, aber trotzdem geliebt werden wollte – und das auch bereit war, an sich selbst zu arbeiten. Ich habe mich nun also um sie gekümmert, mit ihr gespielt, gekuschelt, spielerisch Zählen und Ausmalen geübt und ihr Tipps gegeben, wie sie im Umgang mit anderen Kindern kompetenter werden kann. Sie hat sich jeden Tag gefreut, wenn sie mich gesehen hat und wäre am liebsten, auch nachdem ihre Mutter gekommen war, um sie abzuholen, bei mir geblieben. Und ich wage einfach mal zu behaupten, dass ihr der Kontakt zu mir alles andere als geschadet hat – und das obwohl ich eine pädophile Neigung habe.

Wäre es wirklich besser, wenn ich mich von ihr und generell allen Kindern fernhalten würde, auch wenn der Kontakt zu mir den Kindern gut tut? Auch wenn ich vielen Kindern die Aufmerksamkeit, Zuneigung und Förderung zukommen lasse, die sie sich so sehr wünschen, die sie so sehr brauchen und die manche von ihnen von zuhause nicht bekommen? Auch wenn ich meine Sexualität vollkommen von den Kindern fernhalte und mir bewusst bin, dass diese im Umgang mit ihnen keinen Platz hat? Geht es bei diesen Forderungen wirklich noch um das Wohl der Kinder? Ich wage es ja zu bezweifeln.

Zum Abschluss möchte ich dem nicht-pädophilen Leser noch eine Frage stellen, über die dieser selbst einmal nachdenken kann: Gibt es aus deiner Kindheit eine Person, die sich viel um dich gekümmert hat, die Interesse an dir gezeigt hat und die du in guter Erinnerung hast? Nun stell dir einmal vor, dass diese Person pädophil gewesen ist und möglicherweise auch sexuelle Fantasien mit dir gehabt hat, dies dich aber nie hat spüren lassen. Wie würde das deinen Blick auf diese Person verändern? Würdest du dir aufgrund dieser Tatsache wünschen, dass diese Person dich als Kind in Ruhe gelassen hätte, obwohl du sie gerne gehabt hast? Oder bist du froh, dass sie sich um dich gekümmert hat und es ist dir egal, was sie alleine in ihrem Bett so getan hat?


Quellen: [1] https://www.netdoktor.at/familie/kinder-jugendliche/vernachlaessigung-von-kindern-6944467# [2] https://www.uniklinik-ulm.de/fileadmin/default/Kliniken/Kinder-Jugendpsychiatrie/Dokumente/PK_Factsheet_Fegert_1_Praevalenz.pdf