Eine weitere Woche ist vergangen, und wieder einmal hat auch diese Woche eine ganze Reihe von Presseerzeugnissen zum Thema Pädophilie mit sich gebracht. Auch diese Woche setzt sich die Diskussion um das Thema Original Play fort, mit mal mehr und mal weniger guten Kommentaren und Beiträgen. Außerdem wurden zwei interessante Interviews mit der Psychologin Monika Egli-Alge veröffentlicht. Positives Highlight dieser Woche ist außerdem der Kommentar eines Psychologen, der pädophilen Menschen tatsächlich die Fähigkeit zum echten Lieben zuspricht.

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1. Nochmal Original Play

Das Thema Original Play wird weiterhin in den Medien diskutiert. Josef Christian Aigner weist in einem guten Kommentar darauf hin, dass die Kontroversen um Original Play ein Ausdruck des grundsätzlichen Misstrauens gegenüber Männern in der Kinderbetreuung sind – und in der Tat stellt sich die Frage, ob das Konzept genauso scharf kritisiert worden wäre, wenn in den Bildern Frauen zu sehen wären, die mit Kindern herumtollen. Außerdem weist Herr Aigner auf mangelnde Aufklärung zum Thema Pädophilie hin, und dass sowohl unter Männer als auch unter Pädophilen nur eine Minderheit zum Täter wird – und damit durch die Diskussion männliche Erzieher völlig unnötig in einen Generalverdacht gestellt werden.

Gleichzeitig wurde beim Standard ein Kommentar von Beate Hausbichler veröffentlicht, der mir weitaus weniger gut gefällt. Dass das Raufen mit den Kindern bei Männern soviel kritischer betrachtet wird rechtfertigt Hausbichler etwa damit, "dass Pädophilie vorwiegend bei Männern diagnostiziert wird" (NB: dass es vorwiegend bei Männern diagnostiziert wird heißt erstmal nur, dass vorwiegend Männer sich diagnostizieren lassen und nicht, dass sie vorwiegend bei Männern auftritt). Anders als Aigner scheint sie auch den Unterschied zwischen Pädophilie und Kindesmissbrauch nicht so ganz verinnerlicht zu haben, da sie etwa von "pädophilen Übergriffen" spricht, die Original Play vorgeworfen werden. 

Ich finde es immer noch betrüblich, wie selbstverständlich die Kontroversen um Original Play zu einer Diskussion über Pädophilie geworden sind. Dabei war der Auslöser der Diskussionen Vorwürfe von Kindesmissbrauch, die sich noch nicht einmal auf sexuellen Missbrauch beschränkten. Es gibt keinen Beleg dafür, dass ein pädophiler Mensch bei Original Play einen Übergriff begangen hat (auch wenn einige Medien behaupten, es gebe "Hinweise darauf, dass das Konzept überdurchschnittlich viele Pädophile als Interessenten anzieht"), und doch steht hinter allen Diskussionen um Original Play die Angst vor Pädophilie.

2. Interview mit Monika Egli-Alge

(tagblatt.ch (15.11.2019))

Die Psychologin Monika Egli-Alge hat dem Schweizer Tagblatt ein Interview zum Thema Pädophilie gegeben. Das Interview finde ich ein wenig durchwachsen: auf der einen Seite finden sich viele gute und wichtige Aussagen, zum Beispiel dass es Pädophilie auch bei Frauen gibt und mit gleichen Problemen wie bei Männern verbunden ist, oder die Tatsache, dass die meisten Kindesmissbrauchstäter und Konsumenten von Kinderpornographie nicht pädophil sind.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch einige Aussagen, die ich für kritikwürdig halte. Besonders problematisch für mich ist die Aussage "ein Teil des engen Umfelds muss es wissen." In der aktuellen gesellschaftlichen Situation ist ein Outing immer ein Risiko. Man kann die Reaktion des Gegenübers unmöglich voraussagen, und im schlimmsten Fall kann ein misslungenes Outing massive negative Konsequenzen für das Leben des Pädophilen bedeuten. Aus dem Grund bin ich der Meinung, dass solange das Stigma gegen pädophile Menschen so stark vorhanden ist man unmöglich verlangen kann, dass sich pädophile Menschen irgendjemanden gegenüber outen. Damit will ich nicht sagen, dass es in jedem Fall schlecht ist, sich zu outen. Auch ich habe einige Outings hinter mir, die grundsätzlich alle positiv verlaufen sind. Aber dennoch halte ich es für falsch und verantwortungslos, ohne Kenntnisse der individuellen Situation von Pädophilen quasi pauschal ein Outing im engen Umfeld zu verlangen.

3. Übers Gernhaben und Lieben

(tagesanzeiger.ch (13.11.2019))

Psychoanalytiker Peter Schneider hat auf dem Tagesanzeiger einen sehr guten Kommentar zu der Frage veröffentlicht, ob Pädophile in der Lage sind "echte Liebe" zu Kindern zu empfinden. Das Fazit von Schneider dazu:

Diesen Menschen zu unterstellen, ihr Verhältnis zu Kindern sei im Grunde nur dasselbe wie zu einem Schweinebraten, wird ihnen nicht gerecht.

Sehr richtig!

4. Ein Blick über den Tellerrand: Zoophilie

(vaterland.li, 13.11.2019)

Psychologin Monika Egli-Alge hat dem Lichtensteiner Vaterland ein interessantes Interview zum Thema Zoophilie gegeben. Es war schon vorher meine Vermutung, dass Pädophilie und Zoophilie im Grunde sehr ähnlich sind, und sich nur darin unterscheiden dass die eine Neigung auf Kinder, und die andere eben auf Tiere ausgerichtet ist. Das Interview mit Egli-Alge bestätigt diese Vermutung im Grunde. Vor allem die folgenden Aussagen kann man im Prinzip 1:1 auf Pädophilie übertragen, und es würde immer noch gelten:

Es ist für [Zoophile] in der Regel eine extrem schwierige Situation, weil sie die Neigung eben haben, diese jedoch von der Gesellschaft überhaupt nicht akzeptiert wird. Leben sie dann die Neigung aus, dann können sie in einen inneren Konflikt kommen. Sie sagen sich «Scheisse, was mache ich da. Wie krank ist das denn? Dafür kann ich geächtet werden» und denken aber gleichzeitig «Aber hey, das ist nun mal das, was mir gefällt». Andere unterdrücken die Neigung, was ein ständiger innerer Kampf sein kann.Es klingt danach, dass er sich verliebt hat. Es ist tatsächlich möglich, dass sich Menschen in Tiere verlieben und Liebesbeziehungen haben. In der Fachliteratur heisst es, dass die Zoophilie auch nur eine Nebenströmung sein kann. Man kann also Neigung zu Menschen und Tier gleichzeitig haben. Eines vorweg: Neigungen wie Zoophilie, Pädophilie oder Sadismus kann man selten wegtherapieren. Man kann das Ganze versuchen in geordnete Bahnen zu leiten. Oberstes Ziel ist es, zu verhindern, dass jemand eine Straftat begeht. Eine Verhaltenskontrolle kann bei einer Therapie erreicht werden. Man kann aber niemandem verbieten, dass er sich in einen Hund verliebt. Die rechtlichen Grenzen muss er aber einhalten.Ein zweites Ziel ist die Akzeptanz der Präferenz und deren Unveränderbarkeit. Zoophil bleibt man ein Leben lang. Der Patient muss lernen, damit zu leben.Es ist eine sehr persönliche Auseinandersetzung, die viel Kraft kostet. Man muss sich eingestehen: «Ich habe mich in ein Pferd verliebt.» Dann muss man damit umgehen können. Sich diesbezüglich gegenüber Familie, Freunden, Kollegen oder Vereinsgspänli zu outen, ist sehr schwierig bis unmöglich, da Zoophilie gesellschaftlich nur sehr bedingt akzeptiert wird. Kommt hinzu: Wenn öffentlich bekannt wird, das jemand zoophil ist, kann die Person in der Folge stigmatisiert und ausgegrenzt werden. Wenn jemand gleichzeitig mit der Neigung und Isolation zu kämpfen hat, ist es doppelt schwierig.

5. Pädophilie ist nicht gleich Kindesmissbrauch!

Auch diese Woche gab es einige Medienberichte, die das mit der Unterscheidung von Pädophilie und Kindesmissbrauch nicht so ganz hinbekommen haben. Diese möchte ich hier einmal kurz aufzählen um damit zu verdeutlichen, wie durch regelmäßige Medienberichte die Gleichsetzung von Pädophilie und Kindesmissbrauch weiter aufrecht erhalten wird. 

  1. Die taz schreibt über den russischen Historiker Juri Dmitrijew, dem vorgeworfen wurde kinderpornographische Abbildungen von seiner eigenen Tochter angefertigt zu haben. Die taz umschreibt dies mit: "Dmitrijew wurde zunächst auch der Pädophilie mit seiner angenommenen Tochter angeklagt", als sei Pädophilie eine Straftat für die man verurteilt werden kann.
  2. Der Leverkusener Anzeiger berichtet über einen Mann, der wegen des Missbrauchs eines 11-jährigen Mädchens angeklagt wurde. Dass der Angeklagte bereits früher wegen Sexualstraftaten verurteilt wurde, wird mit dem Satz "schon in einem gemeinsamen Mallorca-Urlaub zeigte Stefan A. seine pädophile Seite" kommentiert. Fragwürdig ist auch die Reaktion seines Vorgesetzen, für den es die "totale Katastrophe" ist, "dass einer ausgerechnet aus der Gärtner-Kolonne, die an der Grundschule in Schlebusch sitzt, pädophil ist." Die Pädophilie des Angeklagten ist also eine "totale Katastrophe" – und nicht etwa seine Missbrauchstaten?
  3. Die Zürichsee-Zeitung veröffentlichte einen Artikel über einen Missbrauchstäter, der im offenen Verzug sich in der Nähe von Kindern aufgehalten hat und deswegen wieder in Haft muss. Sie bezeichnet ihn dabei mehrfach als "verurteilte[n] Pädophile[n]", was zwar nicht falsch ist (er ist verurteilt und wohl auch pädophil), aber in dieser Konstellation nahe legt, dass er aufgrund seiner Pädophilie verurteilt wurde. 
  4. Der Blick berichtet von einem Politiker, der wegen des Verdachts auf Missbrauch und Verbreitung von Kinderpornographie verhaftet wurde und nennt dies einen "Pädo-Fall" und einen "Pädoskandal" und schreibt davon, dass er "wegen Verdachts auf Pädophilie festgenommen" wurde. In anderen Artikeln zu dem Thema wird von einem Pädo-Verdacht bzw. Pädophilie-Verdacht gesprochen. Auch andere Medien wie die Neue Züricher Zeitung übernimmt dieses Vokabular und schreibt von einem "erneuten Skandal um Pädophilie". Leider macht diese Gleichstellung auch vor den Ermittlungsbehörden nicht halt, und in einem weiteren Artikel zitiert der Blick einen Ermittler mit den Worten: "die Pädophilie-Ermittlungen sind sehr belastend für die Polizisten", und "gerade im Hinblick auf die persönliche Belastung der Mitarbeitenden wird darauf geachtet, dass ihnen nach Abschluss eines Ermittlungsverfahrens im Pädo-Bereich eine Untersuchung in einem anderen Bereich zugeteilt wird." Ich finde es ziemlich gruselig, dass die Schweizer Polizei tatsächlich einen "Pädo-Bereich" für "Pädophilie-Ermittlungen" hat. Im Grunde beweist dies, dass für die schweizer Polizei Pädophile grundsätzlich kriminalisiert werden und unter Generalverdacht stehen.

6. Kinder Kinder

Zum Abschluss diese Woche ein kleines Lied der von Paul McCartney gegründeten Band Wings: Children Children, das einige schöne kindlich-märchenhafte Szenen zeichnet.

Und das war es auch schon wieder mit meinen Fundstücken für diese Woche. An dieser Stelle muss ich außerdem eine Ankündigung unterbringen: da ich in naher Zukunft zeitlich voraussichtlich sehr eingespannt sein werde, kann es sein dass ich meine Sonntagskiste erst einmal pausieren muss. Falls es die nächsten Wochen keine Sonntagskiste geben wird, liegt dies also nicht daran, dass mir die Lust vergangen ist, sondern daran dass ich schlicht keine Zeit habe mich darum zu kümmern. Es handelt sich dabei aber nur um eine zeitlich beschränkte Unterbrechung, und ich werde die Rubrik so bald wie es mir möglich ist auf jeden Fall weiterführen. 

So oder so wünsche ich allen Lesern eine gute und erfolgreiche Zeit bis zur nächsten Sonntagskiste.

Bis dahin,
 Sirius