Der Sonntag ist da, und damit ist es wieder Zeit für meinen Wochenrückblick zum Thema Pädophilie. Diese Woche geht es neben den üblichen reißerischen Medienberichten vor allem um neue Aufregung um das Thema Kindervideos auf Youtube, ein umstrittenes pädagogisches Konzept, zwei Podcasts, die neue Folgen zum Thema Pädophilie veröffentlicht haben, und eine bedauerliche Nachricht um einen der 12 Standorte von Kein Täter Werden.
Anfang des Jahres hat der Youtuber Matt Watson in einem Video an den Pranger gestellt, dass sich bei Youtube viele Videos von Kindern finden lassen, unter denen teilweise Nutzer mit sexuellen Interesse an den Kindern sehr anzügliche Kommentare hinterlassen haben. Gleichzeitig hat der Empfehlungs-Algorithmus von YouTube sofort haufenweise Kindervideos vorgeschlagen, sobald man auf einem dieser Videos gelandet ist. Viele hat dies gestört, da der Gedanke, dass pädophile Menschen auf diesen "Strudel" an Kindervideos stoßen und dadurch erregt werden könnten zusammen mit den anzüglichen Kommentaren starkes Unbehagen ausgelöst hat. YouTube hat daraufhin reagiert, indem sie unter anderem ihre Algorithmen angepasst haben, sodass Videos mit Kindern schwerer zu finden sind und Kommentare unter solchen Videos pauschal deaktiviert werden.
Jetzt wurde ein neues Video zu dem Thema von "follow me.reports" unter dem durchaus reißerischen und auch stigmatisierenden Titel "So manipulieren Pädophile auf YouTube Kinder" veröffentlicht. In dem Video prangert die Journalistin an, dass es immer noch Videos von Kindern gibt, unter denen die Kommentarfunktion nicht deaktiviert ist. Dies wird von einigen Nutzern mit mutmaßlicher pädophiler Neigung genutzt, um um die Kinder zu sexuell aufgeladenen Handlungen zu bewegen. Viele dieser Videos finden sich laut Aussage der Journalistin in speziellen Playlisten, die explizit an Menschen mit sexuellem Interesse an Kindern gerichtet sind.
Meine Meinung dazu ist gespalten. Auf der einen Seite finde ich die Manipulation und Kommentare der YouTube-Nutzer äußerst abstoßend, und finde dass zurecht Schritte unternommen werden um diese einzuschränken. Gleichzeitig finde ich die Reportage allerdings ziemlich reißerisch und übertrieben. Es wird so dargestellt, als ob es grundsätzlich widerlich ist, dass sich pädophile Menschen Videos von Kindern angucken können, und das geht meiner Ansicht nach zu weit. Wichtig wäre es hier meiner Ansicht nach einen Mittelweg zu finden: auf der einen Seite Kinder vor ungewollten anzüglichen Kommentaren und Manipulationen zu schützen (was aber wohl nicht nur in der Verantwortung von YouTube, sondern auch in der Verantwortung der Eltern liegt), und gleichzeitig nicht in blinder Hysterie zu verfallen und im Grunde vollkommen schadloses Verhalten zu einem Skandal aufzubauschen.
2. Aufregung um "Original Play"-Konzept in deutschen KiTas
Nach einem Bericht des ARD-Magazins "Kontraste" steht das Konzept eines international tätigen Vereins in starker Kritik. Das Konzept "Original Play", das auch in einigen deutschen KiTas angewendet wird, besteht im Wesentlichen aus dem freien, sehr körperbetonten Spielen und Raufen mit den Kindern, was dabei helfen soll Aggressionen abzubauen. Gerade dies soll es aber für Erwachsene mit entsprechenden Intentionen sehr leicht machen, Kindern gegenüber übergriffig zu werden. In dem "Kontraste"-Bericht kommt in dem Kontext mehrere Eltern zu Wort, deren Kinder aussagen während dieses freien Spielens körperlich und sexuell missbraucht worden zu sein.
Nach dem Bericht greifen jetzt vor allem Befürchtungen um sich, dass "Original Play" ein Freifahrtschein für Pädophile sein könnte. Eine Trauma-Expertin etwa kritisiert im FOCUS, das Konzept sei "sehr nahe dran an Pädophilie". „Ich hätte ein Pädophiler sein können“, wird der Teilnehmer eines "Original Play"-Seminars bedeutungsschwer zitiert. Die Angst vor Pädophilen wirkt wie immer sehr effektiv, und entsprechend ist jetzt bereits ein Verbot des Vereins im Gespräch. Dabei geht es nicht nur um sexuellen Missbrauch, sondern auch um körperliche Übergriffe im Allgemeinen: "Wir sprechen nicht nur über schweren sexuellen Missbrauch, Vergewaltigungen, sondern auch über Gewalt, Demütigung, Sadismus", wird etwa ein Vater in dem "Kontraste"-Beitrag zitiert. Das Problem scheint in meinen Augen also nicht die dunkle Bedrohung der Pädophilen zu sein, sondern vor allem, dass das Konzept es leicht möglich macht die körperlichen Grenzen von Kindern zu überschreiten, und die Ausführenden nicht hinreichend geprüft werden um sicherzustellen, dass dies eben nicht passiert.
Mir war bisher gar nicht bewusst, dass KTW sogar einen eigenen Podcast hat. Die dritte Folge davon ist diese Woche erschienen und enthält ein Gespräch mit "Luis", der (mit nachgesprochener Stimme) über seine Erfahrungen mit seiner pädophilen Neigung und seinen Weg in der Therapie berichtet. Besonders interessant fand ich die Passagen, in denen er von seiner Beziehung erzählt, in der er sich geoutet hat, und dass die gemeinsame Auseinandersetzung mit seiner Sexualität auch positive Effekte auf ihre gemeinsame Beziehung hatte. Alles in allem wirkt Luis sehr reflektiert und souverän, und es lohnt sich meiner Meinung nach sehr sich die Folge einmal anzuhören.
Der englischsprachige Psychologie-Podcast Psychology in Seattle hat sich in einer Episode ebenfalls mit dem Thema Pädophilie beschäftigt. Das Ergebnis ist durchaus interessant, auch wenn ich insgesamt etwas zwiegespalten bin. Auf der einen Seite werden durchaus einige wichtige Aussagen klar getroffen: unter anderem werden die im englischsprachigen Ländern oft üblichen Gesetze, die Therapeuten verpflichten Patienten mit Pädophilie zu melden stark kritisiert. Auf der anderen Seite gibt es auch einige kritikwürdige Aussagen, unter anderem dauert es keine 5 Minuten bis Pädophilie mit Serienmord verglichen wird. Ein wenig ironisch ist es auch, dass sich der moderierende Psychologe Dr. Kirk Honda zunächst sehr engagiert dafür ausspricht, Menschen in ihrer Individualität zu akzeptieren und niemanden als krankhaft abzustempeln und zu verurteilen, nur weil sie schwul, transsexuell oder ungewöhnliche sexuelle Neigungen haben – aber nur wenig später bezeichnet er Pädophilie selber als unnatürlich, krank und falsch. Trotz allem kann es für diejenigen, die des Englischen mächtig sind und etwa eine Stunde Zeit zum zuhören haben ganz interessant sein, sich die Folge des Podcasts einmal anzuhören, da es zumindest ein gut gemeinter Versuch ist sich mit dem Thema Pädophilie differenziert zu beschäftigen.
Wie der br berichtet, ist der KTW-Standort in Regensburg bereits seit Monaten geschlossen. In der Tat werden auf der Regensburger KTW-Unterseite eventuelle Interessenten an den zweiten bayerischen Standort in Bamberg verwiesen. Als Grund dafür wurde von der Universität Regensburg angegeben, dass der Projektleiter Prof. Osterheider in den Ruhestand gegangen sei und das Projekt nicht fortgeführt werden kann, solange seine Professur nicht neu besetzt ist. Osterheider ist in der Vergangenheit unter anderem wegen fragwürdiger Arbeit als Gerichtsgutachter mehrfach in Kritik geraten.
Einem Bericht von nau.ch zu Folge wurde in Berlin eine Gesetzesänderung beschlossen, die es Ermittlern in der Zukunft ermöglicht generierte virtuelle Kinderpornographie in Ermittlungen zu nutzen, um damit Zugriff auf Tauschbörsen für Kinderpornographie zu bekommen.
Für mich fühlt sich das sehr unfair an. Virtuelle, vor allem sehr realitätsnahe Kinderpornographie ist laut Strafgesetzbuch in Deutschland ebenso verboten wie Dokumentationen von realem Kindesmissbrauch. Warum dürfen Ermittler also virtuelle Kinderpornographie einsetzen, aber ich darf sie nicht benutzen? Warum zählt das Argument, dass virtuelle Kinderpornographie keinen Kindern Schaden zufügt wenn es um Ermittlungen geht, aber plötzlich nicht mehr wenn es um die private Nutzung geht? Ich habe das Gefühl, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird und es bei der Kriminalisierung virtueller Kinderpornographie eigentlich nicht darum geht, Kinder vor Schaden zu bewahren, sondern darum eine pädophile Neigung als solche nach Möglichkeit zu bestrafen.
Ein Bericht über einen Mann aus Kierspe, der wegen Missbrauch vor Gericht stellt enthält einen Satz, über den ich beim Lesen gestolpert bin:
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft stellte einen Beweisantrag. Sie forderte ein Gutachten, in dem festgestellt werden sollte, ob der Kiersper pädophil und damit eventuell schuldunfähig ist.
Die Aussage verwirrt mich. Selbst wenn er pädophil ist, inwiefern macht ihn das schuldunfähig? Es scheint so, als ob hier die Haltung dahintersteckt, dass eine pädophile Neigung jemanden zwingenderweise zum Missbrauchstäter hat, sprich wenn jemand pädophil ist kann er gar nicht anders als Kinder zu missbrauchen und ist daher als schuldunfähig einzustufen, wenn dann ein Missbrauch passiert. Das dem nicht so ist zeigen viele Menschen mit Pädophilie, die ihr Leben führen ohne Kinder gegenüber übergriffig zu werden, oder zumindest ohne rückfällig zu werden falls ein Übergriff doch stattgefunden haben sollte. Auf jeden Fall würde es mich interessieren zu erfahren, ob diese Haltung bei der Staatsanwaltschaft tatsächlich so vorhanden ist oder ob hier Aussagen fehlerhaft bzw ungenau wiedergegeben worden sind.
Im Moment scheint es so, dass jede Woche auch einen Artikel beinhalten muss, in dem die Autoren den Unterschied zwischen Pädophilie und Kindesmissbrauch nicht ganz so auf die Reihe bekommen haben. Diese Woche ist es ein Artikel des Tagesspiegels, der über einen polizeilichen Großeinsatz in Berlin berichtet. In Folge des Einsatzes wurde auch ein Mann festgenommen, der laut Tagesspiegel "wegen Pädophilie mit internationalem Haftbefehl gesucht wurde".
Wegen Pädophilie kann niemand festgenommen oder polizeilich gesucht werden. Pädophilie ist keine Straftat, sondern eine sexuelle Neigung. Bei weitem nicht jeder pädophile Mensch begeht Straftaten, und die meisten Fälle von Kindesmissbrauch werden nicht von pädophilen Menschen begangen. Formulierungen wie die aus dem obigen Artikel sind äußerst fahrlässig, da damit die Gleichstellung von Pädophilen und Missbrauchstätern in den Köpfen der Menschen weiter gefördert und aufrecht erhalten wird, und dies die Stigmatisierung von Menschen mit Pädophilie weiter am leben erhält.
Ich wünsche mir, dass es irgendwann nicht mehr notwendig ist solche Klarstellungen immer wieder zu formulieren.
9. Um Worte verlegen
Für den musikalischen Abschluss dieser Woche habe ich diesmal ein Lied von Pink Floyd ausgesucht: Lost for Words. Ich finde, der Text des Liedes stellt die Isolation und das Gefühl, in einer feindlichen Welt zu leben, das mir als Teil einer stigmatisierten Minderheit wohlbekannt ist außerordentlich gut dar und lässt sich damit gut im Kontext Pädophilie interpretieren.
Damit möchte ich auch diese Woche abschließen und meine geleerte Kiste wieder in ihre Kammer zurückstellen, damit ich sie auch in der nähsten Woche wieder mit Fundstücken zum Thema Pädophilie füllen kann. Allen Lesern wünsche ich einen schönen Sonntag abend und eine erfolgreiche nächste Woche.
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Sirius
Mein Name hier ist Sirius – angelehnt an den Doppelstern im Großen Hund. Ich bin etwa Anfang 30, und studierter Informatiker. Seit meiner Jugend weiß ich, dass ich mich zu Kindern besonders hingezogen fühle. Und auch wenn der Umgang damit nicht immer einfach war, so hat es mich doch auch unter anderem zu meinem Rotkäppchen geführt, mit der ich in einer glücklichen Beziehung lebe. In meiner Freizeit versuche ich einen Beitrag zur Aufklärung über Pädophilie zu leisten, mache gerne Musik und verzweifle gelegentlich an der Gesellschaft.
Ich bin leider keiner der beiden Beschwerdeführer. Vielleicht wäre ich ein dritter geworden. Aber dazu hätte es mehr Zeit gebraucht. Als meine kleine Welt zusammenbrach, war ich emotional gerade mal dazu in der Lage, dass mein Leben irgendwie weiterging. Es hat sehr lange gedauert, bis ich mich hinreichend genug gefangen hatte, um mich nicht mehr nur noch elend und verloren zu fühlen. Und dass ich heute überhaupt keine Probleme mehr habe, von meiner Sexualpräferenz und allem, was mir widerfahren ist, zu berichten, war ebenfalls ein sehr langer Prozess. Letztendlich war es mein zutiefst verletzter Gerechtigkeitssinn, der mich dazu brachte, mich zu dem erlittenen Unrecht zu äußern. Anfangs hatte ich allerdings noch unglaublich viel Angst vor dem Hass der Gesellschaft. Als ich meinen ersten Kommentar öffentlich schrieb und immer noch nicht wusste, wie ich überhaupt mit der nahezu für mich unerträglichen Situation umgehen soll, habe ich mich aus Angst vor dem Hass der Gesellschaft übergeben müssen. Unter diesem Stigma zu leben und das Gefühl zu haben, etwas sagen zu müssen, um nicht unterzugehen, ist eine immense psychische Belastung, die ich keinem Menschen wünsche. Ich bin den beiden Beschwerdeführern sehr dankbar dafür, dass sie das geschafft haben, wozu ich damals noch nicht in der Lage war: Gegen das Puppenverbot zu klagen.
Bist du einer der Beschwerdefüher von den Verfassungsbeschwerden? Wenn ja dann bin ich froh, denn dein Schicksal ist so ziemlich das perfekte Beispiel gegen das Gesetz.
Ich habe diesen Fragebogen seit 2005 nun bestimmt 8 Mal oder öfter schon ausgefüllt. Vom ersten Mal an stieß mir auf, dass es keinerlei Kontrollfragen gibt, um eine Beantwortung nach der ich-lehne-einfach-alles-ab-Methode zu erkennen, oder Items, die wirklich eine nennenswerte moralische Zwiespältigkeit aufweisen.
Außerdem sah ich einen Konflikt zwischen meiner Antwort, wenn ich die Sätze als fachliche Behauptungen/Aussagen betrachten würde oder mir vorstelle, jemand lässt privat nach 3-4 Bier diese Aussagen fallen. Der Kontext und der Unterton verändert meine Reaktion darauf ganz erheblich: habe ich eine sachliche Aussage vor mir „Manche Kinder wirken erwachsener als andere“ dann wär das für mich die Einladung über Tannerstadien und Psychologie zu referieren und warum das erwachsen-wirken nicht wirklich eine substanzielle Aussagekraft hat. Im Stammtischszenario würde es mir eher ein irritiertes „Wat soll dat denn heißen?“ entlocken. Und „Kinder, die von mehr als einer Person missbraucht wurden, tun wahrscheinlich irgendetwas, das auf Erwachsene anziehend wirkt.“ kriegt eine vollkommen andere Bedeutung, abhängig vom Kontext:
„Das Kind hat es selbst verursacht“ oder „Vorherige Missbrauchserfahrungen verändern mitunter Verhalten und Selbstbild, sodass die Anfälligkeit für weiteren Missbrauch steigt“.
Und dann sehe ich auch keinen Grund, warum die Bepunktung nicht bei Null beginnt sondern bei 38. Das könnte man als rein ästhetisches Problem abtun, aber mittlerweile wissen wir ja, dass auch hartgesottene Wissenschaftler nicht gegen emotionale Einflüsse auf ihre Auswertungen gefeit sind. Deshalb macht man ja gern Doppelblindversuche u.ä.
Eine natürlichere Skala wär daher womöglich tatsächlich entstigmatisierend.
Und Punkt 7 (Fantasien über Kinder) zu bepunkten ist, wie ich im anderen Kommentar schon schrieb, natürlich krass diskriminierender Bullshit.
Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, diese Befragung als „Zustimmung zu Fakten über Kinder“ zu betrachten. Sondern dass die Beantwortung nur Sinn macht, wenn sie in dem Kontext bleibt, der dem Sinn des Fragebogens entspricht. Nämlich als persönliche Einstellungen und Überzeugungen zum Thema Kindesmissbrauch, die jemand äußern mag. Stimmst der Person zu, die das sagt, oder nicht? Vielleicht sogar eher gefühlsmäßig als kognitiv. Dann verschwinden meinem Eindruck nach nämlich viele der Probleme, die du dort anführst. Man braucht etwa kein präzise definiertes „oft“ mehr. Allein Punkt 7 bleibt in meinen Augen trotzdem völlig Banane.
Unter "zärtlich streicheln" verstehe ich nichts schädliches oder erotisches. Wo ist hier die Schädlichkeit? Man kann dem Kind auch einfach über den Kopf oder die Wange streicheln.