Liebe Leser, 

es geht langsam auf Weihnachten zu, und auch in der Medienlandschaft scheint es in letzter Zeit ruhiger zum Thema Pädophilie geworden zu sein. Was übrig bleibt sind leider vor allem die üblichen stigmatisierenden Berichte – wie etwa ein Artikel des Schweizer "Blick", der die verstärkte "Jagd auf Pädos" zelebriert. Davon abgesehen hat der NDR allerdings auch einen interessanten Einblick in die KTW-Therapie des Standorts in Kiel gegeben. 

1. NDR über KTW

(ndr.de, 14.12.2019)

Der NDR hat einen Bericht über den KTW-Standort in Kiel veröffentlicht. In dem Bericht kommen unter anderem der Projektleiter Prof. Dr. Christian Huchzermeier und Max, ein Teilnehmer der Therapie dort zu Wort. 

Hauptsächlich geht es also darum, wie die Therapie bei KTW gestaltet ist, und das einmal aus Sicht der Therapeuten und aus Sicht eines Teilnehmers. Etwas schade finde ich bei Berichten dieser Art, dass die Vermeidung von Kinderkontakt als erstrebenswertes Therapieziel genannt wird. Max etwa vermeidet den Kontakt zu Kindern nach Möglichkeit, auch wenn er bei sich selber gar kein Übergriffsrisiko sieht. Dabei stellt sich mir die Frage, ob es nicht besser wäre, zu lernen besser mit Kindern umgehen zu können – gerade, wenn eigentlich gar kein erhöhtes Risiko für einen Missbrauch besteht. In den Kontakt mit Kindern kann man schließlich immer mal wieder ganz unvorbereitet kommen (etwa wenn man unvermittelt und ohne Ausweichmöglichkeit gefragt wird, ob man auf Kinder aufpassen kann), und dann scheint es mir besser zu sein, wenn man dann vorher gelernt hat mit solchen Situationen umzugehen anstatt eventuell komplett überfordert zu sein, weil man solche Situationen vorher immer versucht hat zu vermeiden. In anderen Therapieformen wird schließlich auch versucht, Vermeidungsverhalten abzubauen und lieber einen Umgang mit Problemen zu erlernen.

2. Ermittler jagen Pädos

(blick.ch, 12.12.2019)

Das Schweizer Parlament hat der Polizei ein zusätzliches Budget von 600 000 Franken gewährt, mit dem vier zusätzliche Stellen zur Bekämpfung von Straftaten gegen Kinder ("Pädokriminalität") finanziert werden sollen.

Der Blick hat dies in der Überschrift ihres Artikels zu dem Thema wie folgt überschrieben:

Aus einem Kampf gegen Sexualstraftaten an Kindern wird also eine "Jagd auf Pädos", und in dem Artikel ist außerdem von einer "Strafverfolgung von Pädophilen" die Rede. Damit kriminalisiert der Artikel pädophile Menschen grundsätzlich, und stellt die grundsätzliche strafrechtliche Verfolgung pädophiler Menschen als gut und gerechtfertigt dar. 

Ich finde es gelinde gesagt erschreckend, wie schnell in den Medien eine grundsätzliche "Jagd auf Pädos" gefordert und gefeiert wird. 

3. Kriminalisierung pädophiler Menschen in den Medien

Nicht jeder pädophile Mensch wird zum Straftäter, und die meisten Kindesmissbrauchstäter und Konsumenten von Kinderpornographie sind nicht pädophil. 

Leider wird diese wichtige Unterscheidung in den Medien oft nicht gemacht, und Pädophilie mit Straftaten oft in einen Topf geworfen. Gerade das trägt aber massiv zur Stigmatisierung pädophiler Menschen bei, da die meisten Menschen so den Eindruck gewinnen, dass Pädophilie und Kindesmissbrauch ein und dieselbe Sache ist. Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, möchte ich hier jede Woche Beispiele für diese Behandlung des Themas Pädophilie in den Medien sammeln.

(swr.de)

(20min.ch)

(nau.ch)

3. Kentucky Avenue

Diese Woche möchte ich meinen Beitrag mit einem Lied des großartigen Tom Waits abschließen: Kentucky Avenue aus dem 1978 veröffentlichten Album Blue Valentine. Das Lied gehört in die Kategorie der Werke, die ein (romantisiertes) Bild von Kindheit zeigen. Ein Kind erzählt seinem Freund von all den Abenteuern, die sie gemeinsam erleben wollen – Klapperschlangen jagen, auf Dächer klettern, und den Feuerwehrwagen bis nach Hause folgen. Erst zum Schluss stellt sich heraus, dass der Freund im Rollstuhl sitzt und all diese Abenteuer daher nicht möglich sein werden. Aber zumindest für die kindliche Fantasie ist das keine Grenze, und so werden aus dem Rollstuhl kurzerhand Flügel, und gemeinsam rutschen sie den ganzen Weg bis nach New Orleans. Schön und traurig zugleich. 

Bis zum nächsten Sonntag
Sirius