Am 1. Juli 2023 wurden es nun zwei Jahre seitdem das Verbot von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild in Kraft getreten ist. Und in dieser Zeit hat sich (in meiner Wahrnehmung) ein erstaunlicher Wandel in der Gesellschaft bezüglich dieser Puppen und deren Verbot vollzogen.

Als vor etwa drei Jahren die Diskussion um jene Puppen begann, hatte ich den Eindruck, dass ein Großteil der nicht-pädophilen Bevölkerung zu dem Zeitpunkt gegen ein Verbot war. Beispielhaft sei dabei dieses Interview der damaligen Bundestagsabgeordneten Sylvia Pantel mit der BILD erwähnt, in welchem sie bereits eines der zentralen Argumente, mit denen später das Verbot begründet wurde, aufwarf: nämlich dass Pädophile an solchen Puppen Missbrauch "einüben" würden. Wieso diese (von keinerlei wissenschaftlichen Studien gestütze) Hypothese geradezu absurd ist, hat Sirius bereits damals erklärt. Bemerkenswert finde ich allerdings, dass sich in den Kommentaren fast ausschließlich ablehnend gegenüber einem Verbot geäußert wurde. Die meisten Personen waren hier der Meinung, dass die Puppen eine unschädliche Alternative für Pädophile seien und es wurde ihnen eher eine präventive Wirkung zugesprochen (nach dem Motto: "Besser sie nehmen eine Puppe als ein Kind"). Zwar lag hier der Fokus primär auf der angesprochenen möglichen präventiven Wirkung und nicht darauf, dass auch Pädophile ein Recht darauf haben, ihre Sexualität auszuleben, solange dabei nicht die Rechte Dritter eingeschränkt werden, dennoch war der Grundtenor recht eindeutig.

Das gleiche Bild (no pun intended) zeigte sich auch auf gutefrage. Auch dort war bei Umfragen, ob solche Puppen erlaubt sein sollten, eine Mehrheit dafür und somit gegen ein Verbot.

Kurze Zeit später wurde dann die Petition "Verbot von #Kindersexpuppen in Deutschland! Es geht um den Schutz unserer Kinder!" ins Leben gerufen, in der nun auch (erneut ohne Belege) die Hypothese, die Nutzung solcher Puppen würde "die Hemmschwelle für potenzielle Täter senken" aufgestellt wurde. Bald begann der Bundestag über das Thema zu diskutieren und schließlich wurden, entgegen der Empfehlung der meisten Sachverständigen "Inverkehrbringen, Erwerb und Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild" nach §184l StGB unter Strafe gestellt.

Vor etwa drei Monaten wurde dann die polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2022 veröffentlicht. Sirius wies bereits in einem Artikel darauf hin, dass 11 130 Tatverdächtigen von sexuellem Kindesmissbrauch gerade einmal 29 Tatverdächtige gegenüberstehen, gegen die wegen Inverkehrbringen, Erwerb und Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild ermittelt wurde. Selbst wenn alle diese 29 Tatverdächtigen Missbrauch begangen hätten, so wären das gerade einmal etwas über 0,2% aller Missbrauchstäter. Inzwischen wurden nun auch die Tabellen der Mehrfachtatverdächtigen (also derjenigen, die mindestens zwei Mal während eines Berichtsjahres polizeilich erfasst wurden) veröffentlicht. Von den 29 Tatverdächtigen war dies genaue eine Person. Eine! Es ist noch nicht einmal klar, um welche Straftat es sich hierbei handelt. Aber auch wenn wir davon ausgehen, dass es sich um sexuellen Kindesmissbrauch handelt, wäre das eine Person von 11 130 - oder 0,008%. Und auch dann bleibt völlig unklar, ob diese Person wegen dieser Puppe übergriffig wurde oder, im Gegenteil, trotz dieser. In jedem Fall dürfte spätestens jetzt klar sein, dass es sich bei der Aussage, bei vielen Missbrauchstätern seien solche Puppen gefunden und durch sie Missbrauch eingeübt worden, um eine glatte Lüge handelt.

Das Problem ist, dass dies in der Gesellschaft überhaupt nicht angekommen ist, ganz im Gegenteil. Wenn heute das Thema aufkommt, sehe ich so gut wie niemanden mehr, der Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild verteidigt und das Verbot in Frage stellt. Stattdessen sind nun überall die Argumente zu hören, die seit über zwei Jahren hartnäckig von Politik und Medien verbreitet werden; dass die Nutzung solcher Puppen Hemmschwellen senke und die "sexuelle Fixierung" verstärke. Auch die neue Regierung und Justizminister Marco Buschmann wiederholen exakt die gleichen Argumente, die die große Koalition zuvor genutzt hatte (und das obwohl FDP und Grüne die Parteien waren, die sich noch am kritischsten zu dem Verbot geäußert hatten).

Scheinbar reicht es aus, eine Lüge oft genug zu wiederholen, damit sie sie für die Leute irgendwann zur Wahrheit wird. Aber sie bleibt eben doch eine Lüge.