Mascha, Caspar, Max und Aiko waren im April 2019 zu einem „Thementag Pädophilie“ an einer deutschen Uni eingeladen. Organisiert von zwei Arbeitskreisen aus den Fachschaften Medizin und Psychologie, die sich mit Diversität, Sexualaufklärung und auch Missbrauchsprävention auseinandersetzen. Das Interesse war umwerfend groß: mit 40 Teilnehmern wurde gerechnet, 85 meldeten sich an und letztendlich waren etwa 90 tatsächlich anwesend. Zur Sicherheit wurden alle registriert und mussten ihre Handys an der Garderobe abgeben.

Die Tagung fand am Nachmittag statt. Zuerst sprach Frau Elisabeth Quendler vom KTW-Standort Ulm. Sie thematisierte die Unterscheidung zwischen „Pädophil“ und „Missbrauchstäter“ und verwandte Themen, sprach aus ihrer eigenen Praxis – in der sie sowohl mit pädophil empfindenden Menschen als auch mit Sexualstraftätern arbeitet – sowie über die Behandlungsziele und -formen des KTW-Standortes Ulm: Selbstakzeptanz fördern, Lebenszufriedenheit fördern, Vermeidung von Übergriffen.

Danach war Herr Michael Ruch mit seiner Präsentation zu Sexualstraftaten und forensischer Therapie an der Reihe, der in eigener Praxis als auch in einer JVA ebenfalls mit Pädophilen und Sexualstraftätern arbeitet. Er ging auf die verzerrte Wahrnehmung der Kriminalstatistiken in der Gesellschaft ein, die den Prozentsatz an Straftaten aus dem sexuellen Bereich grotesk aufblähe obwohl die Zahlen tatsächlich rückläufig seien. Auf die Art, wie die Regenbogenpresse sie zusätzlich verzerrt um die Sensationsgeilheit der Leser anzusprechen. Auf Schwierigkeiten und Chancen der Therapie, v.a. Zwangstherapien im Justizvollzug. Auf systematische Probleme der Verordnung solcher Therapien und ihre Grenzen. Und Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung sei die Chance auf positive Veränderungen, solange genug Vertrauen und Commitment erreicht werden kann (oder bereits vorliegt), gar nicht unähnlich denen in normaler Therapie. Natürlich sind die Voraussetzungen dafür deutlich schwieriger. Und es helfe auch nicht, dass die Justiz Therapieweisungen „mit der Gießkanne“ verteile, so Michael Ruch. Noch immer werde Psychotherapie wie eine Pille gesehen, die die Verantwortung für eine Besserung auf einen Therapeuten abschiebt á la „Mach mal, dass der Klient sich bessert“ oder als Allheilmittel. So müssten oft auch Therapien trotz Weisung abgelehnt werden, weil entweder keine Bereitschaft beim Klienten vorliege oder die angewiesene Therapie aus anderen Gründen im Einzelfall sinnlos/aussichtslos sei.

Zur Schweigepflicht in der Forensischen Therapie sagte er, dass es sie in Deutschland auch gäbe, mit denselben Bedingungen wie in einem normalen therapeutischen Setting. Die einzigen Ausnahmen seien, dass die tatsächlich wahrgenommenen Termine (wenn vorhanden) an die Bewährungshilfe weitergegeben würden – jedoch keine Inhalte! – und es eine Meldung an die Justiz gebe, falls die Therapie aus irgendeinem Grund von Patient*in oder Therapeut*in beendet werde. Aber keine Weitergabe intimer Inhalte aus den Therapiesitzungen. Das sei zumindest auf Deutschland bezogen ein Mythos.

Nach einer Pause mit Kaffee und Kuchen waren dann wir dran. Mascha und Max hatten eine Präsentation und ein Handout vorbereitet und referierten zunächst über allgemeine Punkte, die wir noch theoretisch mitgeben wollten. Dazu waren zuvor im Forum Material und Gedanken gesammelt worden, die wir darin zusammengefasst hatten. Vielen Dank an alle, die etwas dazu beigesteuert haben! Insbesondere Naches hatte eine tolle Übersicht vorgelegt, auf der dann unser Handout basierte. Ohne diesen Input wäre unsere Darbietung längst nicht so gut und rund geworden.

Anschließend gab es den Hauptteil unseres Beitrages: eine Fragerunde mit all den 90 Leuten, in die dann auch Caspar und Aiko einstiegen. Das Interesse war überwältigend und es wurden gute Fragen gestellt: Macht es einen Unterschied in eurer Fähigkeit einem Kind sinnvolle Grenzen zu setzen, wenn ihr verliebt seid? Wie seht ihr unterschiedliche Arten von Bildmaterial an? Wurde eure Plattform schon einmal angegriffen bzw. versucht, sie zur Verteidigung sexueller Übergriffe zu missbrauchen? Was liebst du an einem Kind, wenn du verliebt bist? Hört diese Liebe auf, wenn das Kind größer/erwachsen wird? … Natürlich konnten viele Fragen nicht mehr beantwortet werden, wir hätten getrost noch eine Stunde hinten dran hängen können, wie das bei Fragerunden oft so ist. Beim Thema „Bilder von Kindern“ und „Warum soll man sich denn bitte nicht an Bildern von Kindern erregen, solange es keine Posing- oder Missbrauchsabbildungen seien, bzw. an entsprechenden Gedanken“ konnte unserem Eindruck nach einiges an Irritation in manchen Gesichtern der Zuhörerschaft abgelesen werden – sonst eher großes Interesse und Neugierde. Insgesamt waren alle sehr aufgeschlossen und positiv berührt.

Zum Abschluss gab es gar mehr als das Uni-typische Klopfen sondern ziemlich anhaltenden Applaus, was uns sehr überrascht und gerührt hat. Und sobald wir aus dem Saal raus waren kamen sofort viele auf uns zu um sich zu bedanken für unsere Offenheit und die Einblicke, die wir ihnen ermöglicht hatten, um Flyer abzugreifen oder um noch andere Kommentare abzugeben.

Wir stimmen alle vier darin überein, dass wir dieses Erlebnis ziemlich überwältigend fanden. So viel Offenheit und positives Feedback auf unser sonst allgemein so stigmatisiertes Thema zu erleben – wenn es für uns möglich ist frei vor 90 Studenten irgendwo in Deutschland zu sprechen – das stellt auch etwas das Maß an Angst infrage, mit dem wir alle leben.