Hinter jedem Bild steckt ein gequältes Kind, dessen Seele zerstört wurde. Wenn es um Kinderpornografie geht, zieht sich dieser Satz in dieser oder ähnlicher Form durch sämtliche Leitmedien und ist zu einem der zentralen Narrativen der Berichterstattung zu dem Thema geworden. Demzufolge zeigt jeder kinderpornografische Inhalt schwerste Gewalt an Kindern, und jede:r Konsument:in eines solchen Inhalts macht sich des Missbrauchs mindestens mitschuldig, oder steht mit den Missbrauchstäter:innen auf einer Stufe.

Wie stark diese Narrative inzwischen verbreitet ist, zeigte sich zuletzt im Fall des österreichischen Schauspielers Florian Teichtmeister, der sich wegen des Besitzes von Dateien mit kinderpornografischen Inhalten jetzt vor Gericht verantworten muss. Teichtmeisters Anwalt betonte in einer Stellungnahme, dass sein Klient Kindern gegenüber nie direkt übergriffig geworden sei, und es sich bei seinen Straftaten um rein „digitale Delikte“ gehandelt habe. Dies löste eine starke Gegenreaktion von Politiker:innen sowie Kinderschutz- und Strafrechtsexpert:innen aus, die in den folgenden Wochen diese im Strafrecht durchaus übliche Formulierung als „verharmlosend“ bezeichneten und auf das reale Leid hinwiesen, das hinter jedem einzelnen Bild stecken würde.

Was auf dem ersten Blick gut und vernünftig klingt, hat nur ein großes Problem: Es stimmt einfach nicht. Zumindest nicht grundsätzlich. Die Realität ist wesentlich facettenreicher und nuancierter. Was nicht heißt, dass es Aufnahmen von Kindern, denen vor laufender Kamera sexuelle Gewalt angetan wird, nicht gibt, oder der Konsum dieser Aufnahmen nicht zu verurteilen wäre. Die Aussage, dass sämtliche kinderpornografischen Inhalte so wären verkürzt das durchaus komplexe Thema allerdings auf ein vereinfachtes Schwarz-Weiß-Bild, steht dabei der Aufklärung und Bearbeitung von Themen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch im Wege und schadet nicht zuletzt denen, die eigentlich geschützt werden sollen.

Das Problem mit dem Begriff Missbrauchsabbildungen

Das Präventionsprojekt Kein Täter Werden versucht in dem Zusammenhang bereits seit Jahren (mit einigem Erfolg) den Begriff „Kinderpornografie“ aus der öffentlichen Debatte zu verdrängen und durch den Begriff „Missbrauchsabbildungen“ zu ersetzen. Auf der Webseite des Projekts steht dazu in einem Infokasten:

Der in Presse und Justiz gängige Begriff Kinderpornografie ist nicht geeignet, um das zu kennzeichnen, was wir als Nutzung von Missbrauchsabbildungen bezeichnen, da die Aufnahmen Kinder bei sexuellen Handlungen zeigen, die nicht auf deren freiwillige Mitwirkung, sondern auf sexuelle Interessen von Erwachsenen zurückzuführen sind.

Dieser Ansicht haben sich viele Expert:innen angeschlossen. Nach dem Bekanntwerden des Fall Teichtmeister einigte sich die Regierung Österreichs innerhalb weniger Wochen auf ein neues Gesetzespaket, das unter anderem vorsieht, den Begriff „Kinderpornografie“ durch die Formulierung „Darstellung von Kindesmissbrauch“ zu ersetzen.

Diese Umbenennung basiert auf der zentralen Narrative des Themas Kinderpornografie: dass hinter jedem Bild das unermessliche Leid eines missbrauchten Kindes steckt, und folglich der Begriff Pornografie verharmlosend sei, da er eine Gleichberechtigung mit grundsätzlich einvernehmlicher Erwachsenenpornografie impliziert.1 Und für Inhalte, auf die das zutrifft, die also den sexuellen Missbrauch von Kindern dokumentieren oder die durch sexuelle Ausbeutung von Kindern entstanden sind, ist diese Argumentation durchaus schlüssig.

Das Problem mit dem Begriff ist, dass aber eben nicht alle Inhalte in diese Kategorie fallen. Damit ein Bild als kinderpornografisch gewertet werden kann, ist es nicht notwendig, dass ein Kindesmissbrauch darauf zu sehen ist. Es ist noch nicht einmal notwendig, dass darauf überhaupt ein real existierendes Kind zu sehen ist. Das zeigt ein Blick in das Strafgesetzbuch (StGB), genauer gesagt den § 184b StGB, der für Deutschland definiert, was im rechtlichen Sinn einen kinderpornografischen Inhalt ausmacht.

Von Kindern selbst produzierte Kinderpornografie

Zunächst einmal ist laut Gesetzestext jede Darstellung als Kinderpornografie strafbar, die in irgendeiner Form sexuelle Handlungen von, an oder vor einem Kind zeigt. Das schließt insbesondere Aufzeichnungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Erwachsene ein – also jene Inhalte, hinter denen in der Tat das Leid eines Kindes steckt, das vergewaltigt und missbraucht wurde, und für welche die Bezeichnung Missbrauchsabbildungen absolut zutreffend ist.

Das Gesetz stellt allerdings nicht nur Abbildungen des sexuellen Missbrauchs unter Strafe, sondern sämtliche Darstellungen sexueller Handlungen von Kindern. Darunter fallen auch sexuelle Handlungen, die Kinder an sich selber oder untereinander durchführen. Zum Beispiel würde ein Video, das ein dreizehnjähriges Mädchen bei der Selbstbefriedigung zeigt, immer als Kinderpornografie zählen, auch dann, wenn das Mädchen die Aufzeichnung selber erstellt hat. In diesen Fällen ist es mehr als fragwürdig, von Missbrauchsabbildungen zu sprechen, da solche Aufnahmen schlicht keinen Missbrauch abbilden.

An dieser Stelle könnte man zwei Einwände einbringen. Zunächst einmal ist es natürlich möglich, dass auch Aufnahmen scheinbar freiwilliger Handlungen unter äußerem Zwang oder unter Anleitung eines Erwachsenen erstellt werden. In diesen Fällen kann man durchaus auch von einer Form von Missbrauch, sexueller Ausbeutung oder Erpressung sprechen. Aber das ist eben keine notwendige Voraussetzung für die Strafbarkeit, und auch völlig einvernehmliche Aufnahmen, bei denen keine Erwachsenen involviert waren, zählen als Kinderpornografie.

Solche Fälle sind keine Seltenheit. Laut Jahresbericht 2021 der IWF fielen ca. 75 % der gemeldeten kinderpornografischen Inhalte in diese Kategorie der „selbst erstellten Inhalte“. Dazu meldet das BKA in den letzten Jahren einen dramatischen Anstieg minderjähriger Täter:innen, zuletzt stellten Minderjährige sogar die Mehrheit der Tatverdächtigen. Es ist davon auszugehen, dass es in einigen dieser Fälle schlicht um Minderjährige geht, welche sich sexuell ausprobieren.

Die undifferenzierte Bezeichnung dieser Inhalte als Missbrauchsabbildungen hat damit insbesondere zwei Konsequenzen. Einmal wird die sexuelle Vergewaltigung von Kindern auf eine Stufe gestellt mit natürlichen und altersgerechten Sexualverhalten. Gleichzeitig werden Kinder, die einvernehmliche sexuelle Handlungen untereinander oder auch nur mit sich selber vornehmen und sich dabei filmen, zu Tätern erklärt. Die IWF bezeichnet etwa Videos, die Kinder von sich selber bei sexuellen Handlungen anfertigen als „selbst erstellte Missbrauchsdarstellungen“ – und hebt damit die Kinder auf die Stufe von Schwerverbrechern. Selbstbefriedigung wird so sprachlich quasi zu einer Missbrauchstat eines Kindes an sich selber umdefiniert.

Der zweite Einwand ist: Auch wenn solche Aufzeichnungen von Kindern selber ohne Zwang erstellt wurden, ist es von ihnen eher nicht gewollt, dass diese im Internet verbreitet und von Fremden angesehen werden. Auch wenn die Inhalte selber keinen Missbrauch zeigen, ist somit die Verbreitung eine Form von Missbrauch. Dies mag zwar stimmen, ist aber eine ziemliche Dehnung des Begriffs „Missbrauchsabbildungen“, der im Wortsinn eben „Abbildungen von Missbrauch“ bedeutet, und nicht missbräuchlich verwendete oder verbreitete Abbildungen. Davon abgesehen ist auch eine derartige Verbreitung nicht Voraussetzung dafür, dass eine Aufzeichnung als Kinderpornografie zählt. Auch Aufnahmen, die das Handy eines Kindes nie verlassen oder die Kinder oder Jugendliche einvernehmlich untereinander verschicken, sind Kinderpornografie.

Familienfotos und unabsichtliches Posing

Die zweite Kategorie der nach § 184b StGB strafbaren Inhalte betrifft Darstellungen eines „ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung.“ Ganz oder teilweise unbekleidet ist klar. Was aber ist eine aufreizend geschlechtsbetonte Körperhaltung?

Diese Formulierung ist am 01.01.2021 in das StGB eingefügt worden, und hat die bis dahin gültige Formulierung „unnatürlich geschlechtsbetonte Körperhaltung“ ersetzt. Um die Frage zu beantworten, lohnt sich daher ein Blick in die Begründung des Gesetzgebers für diese Änderung.

So wird zum einen die Zwecksetzung des § 184b Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b StGB, Darstellungen mit sexuell aufreizenden Posen des Kindes zu erfassen, mit dem Begriff „unnatürlich“ nur unzureichend erfüllt. Denn ein schlafendes Kind nimmt grundsätzlich keine „unnatürliche“ Körperhaltung ein, kann sich aber im Schlaf in einer sexuell aufreizenden Pose befinden und entsprechend abgebildet werden. Auch Aufnahmen, bei denen das Kind überraschend und ohne für den Betrachter zu posieren in einer geschlechtsbetonten Körperhaltung fotografiert wird, wird durch den Begriff „unnatürlich“ nicht rechtssicher erfasst. Treffender ist es […] das Wort „unnatürlich“ durch das Wort „aufreizend“ zu ersetzen, was auch der Empfehlung der Reformkommission zum Sexualstrafrecht entspricht.

Grundsätzlich geht es also darum, sogenannte „Posing“-Bilder strafbar zu stellen, also Bilder, in denen Kinder Posen einnehmen, die der sexuellen Erregung dienen können. In Fällen, in denen Kinder dazu überredet oder gezwungen werden, kann sicherlich auch von einer Form von Missbrauch oder sexueller Ausbeutung gesprochen werden. Wenn wir sagen, der Missbrauch besteht daraus das Kind dazu zu bringen, diese Pose einzunehmen, und die Aufnahme davon bildet diesen Missbrauch ab, können wir solche Posing-Bilder mit viel guten Willen auch unter den Begriff Missbrauchsabbildungen fassen.

Das Problem ist aber auch hier, dass dies nicht alles ist, was das Gesetz unter Strafe stellt. Es geht nicht nur um Bilder, in denen Kinder explizit aufgefordert werden sexualisierte Haltungen einzunehmen, sondern auch um Abbildungen, in denen Kinder ganz natürlich und ohne äußeren Zwang solche Posen von sich aus einnehmen.

Dies kann auch Alltags- und Urlaubsfotos treffen, die sich vermutlich in vielen Familienalben finden lassen: Zum Beispiel Bilder von Kindern, die nackt in der Badewanne flanieren, breitbeinig in Badehose am Strand eine Sandburg bauen oder beim Schlafen ihren Po der Kamera entgegenstrecken. Dies kann nicht nur potenziell strafbar sein – wie das Zitat oben zeigt, ist die Strafbarkeit vom Gesetzgeber sogar explizit so gewollt.

Solche an sich harmlosen Familienfotos fallen eher in die Kategorie der Bilder, über die man sich Jahre später amüsieren kann. Eines bilden sie jedoch nicht ab: Missbrauch, und sollten daher auch nicht so bezeichnet werden. Ähnlich wie bei der Kategorie der selbst produzierten Kinderpornografie ist es zwar denkbar, dass diese Bilder missbräuchlich entwendet und verbreitet werden, dies ist für die Strafbarkeit aber keine notwendige Voraussetzung. Beispiel: Im Oktober 2021 fand eine Hausdurchsuchung bei einem Vater statt, der (mit Zustimmung seines inzwischen erwachsenen Sohns) ein 15 Jahre altes Familienfoto über WhatsApp teilte. Auf dem Bild war der damals 6-jährige Sohn mit nackten Unterkörper zu sehen, wie er breitbeinig auf der Couch saß und an seinen Penis herumspielte. Der Vater muss sich deswegen nun wegen Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie vor Gericht verantworten. Ihm drohen ein bis zehn Jahre Haft, obwohl die Polizei während der Ermittlungen selber feststellte, dass „ein sexueller Missbrauch oder ähnliches“ nicht stattfand. Anders gesagt: bei dem Bild handelt es sich also um Kinderpornografie, aber nicht um eine Missbrauchsabbildung.

Nacktbilder

Die letzte Kategorie, die das Gesetz unter Strafe stellt, umfasst Aufnahmen, welche den nackten Unterkörper von Kindern zeigen und dabei besonderen Fokus auf den Genitalbereich legen. Neutrale Nacktbilder, zum Beispiel FKK-Bilder oder medizinische Abbildungen sind zwar nicht grundsätzlich betroffen, die Grenzen zur strafbaren „sexuell aufreizenden Wiedergabe“ sind aber fließend.

Hier fällt es besonders schwer, noch von „Missbrauchsabbildungen“ im Sinne von „Abbildungen von Missbrauch“ zu reden, da in diese Kategorie auch Darstellungen fallen, die zunächst einmal überhaupt keinen sexuellen Bezug haben. Während es in der ersten Kategorie explizit um Darstellungen sexueller Handlungen geht, und in der zweiten Kategorie zumindest um Aufnahmen sexualisierter Körperhaltungen, wird der sexuelle Kontext in dieser Kategorie nur durch die Art der Aufnahme erzeugt. Als Beispiel kann etwa eine Aufnahme eines FKK-Strands zählen, wobei (entweder vom Fotografen oder anschließend in der Bildbearbeitung) besonders in den Genitalbereich eines nackten Kindes hereingezoomt wird.

Solche Aufnahmen mögen moralisch verwerflich sein, insbesondere wenn sie heimlich entstehen. Aber auch sie bilden keinen Missbrauch ab, sondern zeigen Kinder in alltäglichen Situationen. Das Verwerfliche besteht in dem Fall in der Art, wie die Aufnahme angefertigt wurde, nicht in den Handlungen, die sie abbildet.

Die Widersprüchlichkeit einiger Aussagen im Bereich Kinderpornografie zeigt eine Plakatkampagne des Polizeipräsidiums Aalen. Auf der einen Seite heißt es, kinderpornografische Dateien zeigen immer echtes Leid, gleichzeitig wird unter dem Begriff aber auch einvernehmliches Sexting und Familienfotos, die keinen Missbrauch zeigen, gefasst. Quelle: https://ppaalen.polizei-bw.de/kinderpornografie/

Fiktive Kinderpornografie

Abschließend bleibt noch zu klären, was einen Inhalt im strafrechtlichen Sinn überhaupt ausmacht. Dies ist in § 11 Abs. 3 StGB geregelt und umfasst nicht nur Bild- und Videoaufnahmen, sondern auch Audioaufnahmen und Texte. Zudem ist es nicht erforderlich, dass die Aufnahmen ein tatsächliches Geschehen zeigen, es sich also um Video- oder Bildaufnahmen realer Geschehnisse handelt. Strafbar können genauso rein fiktive Werke sein, etwa Zeichnungen, computergenerierte 3D-Animationen, fiktive Geschichten und Text-Rollenspiele oder (aktuell besonders brisant) KI-generierte Bilder.

Im Kinderpornografie-Gesetz wird hier zwischen wirklichkeitsnahen und nicht wirklichkeitsnahen Abbildungen unterschieden. Wirklichkeitsnah ist eine (auch rein fiktive) Abbildung dann, wenn ein durchschnittlicher Beobachter die Darstellung nicht mehr eindeutig als unecht erkennen kann. Das Gesetz macht keinen Unterschied, ob ein Inhalt nur wirklichkeitsnah ist oder ein reales Ereignis aufzeichnet. Nicht wirklichkeitsnahe Inhalte wie abstrakte Zeichnungen oder stark stilisierte computergenerierte Bilder sind zwar im Besitz legal, dürfen aber auch nicht verbreitet werden.

Spätestens bei nicht wirklichkeitsnahen Inhalten hier wird es ganz absurd, noch von Missbrauchsabbildungen zu sprechen. Derartige fiktive Kinderpornografie zeigt keine real existierenden Kinder, und kann demnach auch keinen Missbrauch abbilden. Selbst wenn Szenen dargestellt werden, die in der Realität Missbrauch wären, ist eine sprachliche Gleichstellung mit realem Kindesmissbrauch nicht angemessen und bagatellisiert letzten Endes echten Gewalttaten gegen real existierende Kinder.

Ein breites Spektrum

Zusammengenommen lässt sich sagen, die Aussage, hinter jedem kinderpornografischen Bild steckt ein Missbrauch und das Leid eines Kindes ist deutlich verkürzend. Wenn wir von Kinderpornografie im rechtlichen Sinne reden, also Inhalten, deren Besitz, Herstellung oder Verbreitung in Deutschland mit Gefängnisstrafen nicht unter einem Jahr geahndet werden, dann decken diese Inhalte in der Realität ein sehr breites Spektrum ab.

Auf der einen Seite des Spektrums stehen Zeichnungen nicht real existierender Kinder, auf der anderen Seite der Aufnahmen, die Kinder zeigen, welche von Erwachsenen brutal vergewaltigt werden. Dazwischen gibt es zahlreiche Abstufungen und Graustufen, die in den aktuellen Debatten und Narrativen zu dem Thema nicht sichtbar werden.

Warum überhaupt differenzieren?

Die Narrative, dass hinter jedem Bild ein gequältes Kind steckt und jeder kinderpornografische Inhalt eine Missbrauchsabbildung ist, stellt alle diese Abstufungen auf dieselbe moralische Stufe: fiktive Zeichnungen mit Aufnahmen realen Missbrauchs, Bilder, in denen Eltern ihre Kinder baden mit Bildern, in denen Eltern ihre Kinder vergewaltigen, und einvernehmliches Sexting unter Minderjährigen mit Ausbeutung und sexualisierter Gewalt.

Der Versuch, durch die Verwendung einer entsprechend eskalierten Sprache nichts zu „verharmlosen“ erreicht letzten Endes genau dies: eine Verharmlosung, die impliziert, dass das Bild eines am Strand spielenden Kindes genauso schlimm ist wie die Aufnahme der Vergewaltigung eines Kindes. Durch die Verwendung von Begriffen wie „Gewalt“ und „Missbrauch“ zur Beschreibung von Szenen, in denen Gewalt und Missbrauch gar nicht vorkommen, werden die Begriffe unscharf und verwaschen.

Das erzeugt eine Reihe von Problemen. Wenn wir die sexuelle Ausbeutung von Kindern effektiv bekämpfen wollen, ist Aufklärung und Information unerlässlich. Dies wiederum benötigt präzise und eindeutige Begrifflichkeiten. Nur so ist ein sachlicher Diskurs überhaupt möglich. Die bisherigen, extremen Narrativen sind eher geeignet, eine moralische Panik zu befeuern, als eine sachliche Auseinandersetzung zu fördern.

Die Narrative, hinter jedem Bild steckt eine zerstörte Kinderseele sorgt dafür, dass sich der Blick auf die schlimmstmöglichen Inhalte beschränkt, und dabei unterschlagen wird, dass es auch eine ganze Reihe weiterer Inhalte gibt, die ebenfalls als Kinderpornografie zählen. Der Gedanke an diese schlimmstmöglichen Fälle wiederum erzeugt regelmäßig Rufe nach härteren und erbarmungslosen Strafen. Insbesondere wird mit den schlimmsten Fällen auch für eine Anhebung der Mindeststrafen argumentiert, die eigentlich für die am wenigsten schlimmen Fälle vorgesehen sind. Heißt, die Fälle, in denen es dann nicht um Abbildungen schlimmster sexueller Gewalt geht, sondern vielleicht nur um ein harmloses Familienfoto, müssen dann nach genau diesen Mindeststrafen ebenso verurteilt werden.

Die schädliche Wirkung ist aktuell ganz besonders akut. Mit dem Blick auf diese schlimmsten Fälle wurden 2021 die Strafen drastisch erhöht, und schon der Besitz von Kinderpornografie von einem Vergehen zu einem Verbrechen hochgestuft. Die damalige Justizministerin Christine Lambrecht begründete dies wie folgt: „Ich will, dass sexualisierte Gewalt gegen Kinder ohne Wenn und Aber ein Verbrechen ist. Gleiches gilt für Kinderpornografie, mit der diese widerlichen Taten gefilmt und verbreitet werden. Wer mit der Grausamkeit gegen Kinder Geschäfte macht, soll künftig mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden können.“ Voraussetzung dafür, dass die Gesetzesänderung politisch erfolgreich sein konnte, war also genau diese Narrative, dass jeder kinderpornografische Inhalt eine Missbrauchsabbildung ist und damit schlimmste Gewalt an Kindern zeigt.

Gut ein Jahr nach Inkrafttreten der Verschärfung zeigen sich die massiven Probleme: bereits überarbeitete Justizbehörden werden von unzähligen Bagatellfällen überschwemmt, was den Kampf gegen Menschen, die tatsächlich schwere Gewalt an Kindern ausüben deutlich erschwert. Laut Deutschen Richterbund ist die Verschärfung „nicht praxistauglich“, aktuell ist eine Rücknahme der Verschärfungen im Gespräch.

Leidtragende sind nicht zuletzt gerade diejenigen, die eigentlich geschützt werden sollen: Kinder und Jugendliche. Einmal, indem sie selber kriminalisiert und für etwa einvernehmliches Sexting als Verbrecher behandelt werden. Und andererseits, weil gerade solche Fälle Ressourcen auffrisst, die für den Schutz von Kindern und Jugendlichen benötigt werden, die tatsächlich sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind.

Vorschlag für eine differenzierte Terminologie

Die Debatte über die geplante Entschärfung des Strafrechts bietet eine einmalige Gelegenheit, genau zu überprüfen, was eigentlich einen kinderpornografischen Inhalt ausmacht, und wie wir die verschiedenen Kategorien angemessen bezeichnen können. Wie könnte eine differenzierte Terminologie also aussehen, die auf der einen Seite nichts verharmlost, und auf der anderen Seite der Bandbreite des Themas gerecht wird? Dazu möchte ich abschließend einen Vorschlag vorstellen.

Zunächst einmal können wir den Begriff Kinderpornografie durch die Formulierung sexualisierte Darstellungen von Kindern ersetzen. Denn genau dies ist das, was alle Inhalte des Spektrums gemeinsam haben: dass Kinder in einen sexualisierten Kontext dargestellt werden, entweder indem direkt (reale oder fiktive) sexuelle Handlungen an oder mit Kindern abgebildet werden, oder indem durch die Auswahl des Bildfokus oder der Pose abgebildeter Kinder eine „aufreizende“ Wirkung erzeugt wird.

Der Begriff Missbrauchsabbildungen ist nicht grundsätzlich schlecht und sollte beibehalten werden, aber in der Verwendung ganz eindeutig beschränkt werden auf eben jene Darstellungen, die den realen Missbrauch von Kindern dokumentieren. Insbesondere sollte der Begriff nicht länger als Synonym für Kinderpornografie verwendet werden. Auf diese Art kann das besondere, reale Unrecht dieser Abbildungen ungemindert ausgedrückt werden, ohne es gleichzustellen mit Inhalten, in denen kein (realer) Kindesmissbrauch abgebildet wird.

Für fiktive Inhalte, bei deren Erstellung keine echten Kinder involviert waren passt der Begriff „Pornografie“, der bei Abbildungen von schwerem Missbrauch von Kindern kritisiert wird wiederum sehr gut, da es sich um genau das handelt: einvernehmlich von Erwachsenen erstellte Inhalte, die zur sexuellen Erregung anderer Erwachsener gedacht sind. Für diese Teilmenge ist die Formulierung „fiktive Kinderpornografie“ also durchaus treffend und bringt insbesondere zum Ausdruck, dass es sich eben nicht um realen Missbrauch handelt, der auf derartigen Werken zu sehen ist.

Nachtrag. Am 30.03. veröffentlichte das ZDF ein Interview mit dem Leiter des Instituts für Cyberkriminalität der Polizei-Hochschule Brandenburg, Thomas-Gabriel Rüdiger, über den Anstieg minderjähriger Täter:innen bei Kinderpornografie-Delikten. Darin erklärt Rüdiger folgendes.

Wenn ein 13-Jähriger seiner 14-jährigen Freundin auf deren Wunsch hin ein pornografisches Bild von sich schickt, entsteht ein kinderpornografischer Inhalt. Dabei muss das [sic] kein Machtgefälle oder Gewalt im Spiel sein - was man ja eigentlich mit dem Begriff assoziert. Sexting ist einfach eine Form von Sexualität, die in vielen Altersstufen durchaus verbreitet ist - so auch bei jungen Menschen. Das Gesetz spiegelt solche Fälle aber nicht hinreichend wider.

Direkt darüber: ein Infokasten zum „Begriff Kinderpornografie“ vom ZDF.

In der gesellschaftlichen Diskussion wird häufig vertreten, dass der Begriff "Kinderpornografie" unpassend sei, da er Gewalt gegen Kinder verharmlose. Es gibt für diese Ansicht gute Argumente. Der strafrechtliche Paragraf § 184b StGB spricht jedoch von der Verbreitung von "kinderpornografischen" Schriften. Im Alltag wird auch oft der Begriff "Sexualisierte Gewalt gegen Kinder" oder "dokumentierter Kindesmissbrauch" verwendet.

Ironischerweise forciert das ZDF damit genau jene Probleme, die in dem Interview selbst angesprochen werden.

  1. Wobei durchaus infrage gestellt werden kann, ob Erwachsenenpornografie grundsätzlich immer so harmlos, freiwillig und einvernehmlich ist, wie es diese Aussage impliziert.