In wenigen Tagen wird in den USA ein krimineller Egomane erneut die Macht übernehmen. In Vorbereitung auf diesen Machtwechsel pilgern schon jetzt die Reichen und Mächtigen aus aller Welt nach Mar-a-Lago, wo Donald Trump seine Privatresidenz  hat, und versuchen mit Geschenken die Gemüter des baldigen Herrschers zu besänftigen. Zu den Pilgern gehörte auch Mark Zuckerberg, Chef von Meta und damit auch von den Online-Plattformen Facebook, Instagram, Threads und WhatsApp, der einige ganz besondere Geschenke für Trump im Gepäck hatte.

Grobentwurf einer kritischen Karikatur von Ann Telnaes. Telnaes kündigte bei der Washington Post, nachdem diese sich zum ersten in ihrer langjährigen Karriere dort geweigert hatte, eine ihrer Karikaturen abzudrucken. Die Washington Post gehört Amazon-Chef Jeff Bezos (vorne links zu sehen). Quelle: https://anntelnaes.substack.com/p/why-im-quitting-the-washington-post
Neben einer Spende von einer Million US-Dollar und attraktiven Posten in Zuckerbergs Firma für Freunde und Verbündete von Trump hat Zuckerberg insbesondere einige signifikante Änderungen in den Inhaltsrichtlinien von Meta angekündigt, die eine wesentliche Abkehr von der bisherigen vergleichsweise liberalen Ausrichtung des Unternehmens bedeuten. So wird Zuckerberg als Erstes die Zusammenarbeit mit Fakt-Checkern beenden. Bisher hatten unabhängige Journalist:innen Meta dabei unterstützt, Falschinformationen und Desinformation zu erkennen und gegebenenfalls richtigzustellen. In Deutschland haben vor allem die dpa und Correctiv diese Aufgabe übernommen. Für Trump, seine Anhänger und Verbündeten, aus deren Umfeld die Idee der alternativen Fakten stammt und deren Falschaussagen und Propaganda durch Faktenprüfer:innen immer wieder als Lügen entlarvt wurden, dürfte dies eine sehr erfreuliche Nachricht sein. Ersetzt werden sollen die Faktenchecks stattdessen durch Community Notes nach dem Vorbild von Elon Musks Plattform X.

Deutlich problematischer sind allerdings Änderungen, die Meta an den Richtlinien gegen hasserfülltes Verhalten vorgenommen hat. In einem Update vom 07.01. wurden zahlreiche Regeln aufgehoben, die geschützte Minderheiten (vor allem Migranten und queere Menschen) vor Hassrede schützen sollten. In den neuen Richtlinien ind unter anderem Regeln entfernt worden, die es verboten haben Homosexuelle als karnk zu bezeichnen, Frauen oder Transsexuelle aus bestimmten Berufen ausschließen zu wollen oder Migranten als primitiven Abschaum zu bezeichnen. 

Einen Eindruck davon, was unter der neuen Richtlinie alles erlaubt sein wird, ermöglicht dieser Satz, der in der neuen Fassung ergänzend hinzugefügt wurde.

Wir erlauben Unterstellungen von psychischer Erkrankung oder Anomalien, wenn sie auf geschlechtlicher oder sexueller Orientierung basieren, angesichts des politischen und religiösen Diskurses über Transgenderismus [sic!] und Homosexualität und der häufigen, nicht ernst gemeinten Verwendung von Wörtern wie „seltsam“.¹

Zuckerberg selber verkauft diese Änderungen unter anderem damit als eine Stärkung der Redefreiheit auf seinen Plattformen. Dies wiederholt überholte und naive Ansichten von „absoluter Redefreiheit“, die sich schon unter Zuckerberg scheinbaren Vorbild Elon Musk als gefährlicher Trugschluss erwiesen haben.

Absolute Redefreiheit ist absolute Heuchelei

Zuckerberg behauptet, dass er zu den „Wurzeln“ von Meta zurückkehren möchte, sich gegen Zensur wehren und Menschen wieder die Möglichkeit geben will, frei ihre Meinung zu äußern. Das erinnert an die Übernahme von Twitter durch Elon Musk im Jahr 2022. Musk, der sich selber als radikaler Anhänger der Redefreiheit inszenierte, hatte damals ebenfalls angekündigt, die Redefreiheit auf der Plattform wiederherzustellen und angebliche Zensur aufzulösen.

Was auf den ersten Blick nicht schlecht klingt, erweist sich beim näheren Hingucken schnell als fragwürdig. Sowohl damals auf Twitter als auch jetzt bei Meta zielen die Änderungen vor allem darauf ab, Menschen die freie Äußerung ihrer Meinung zu gewähren, deren „Meinung“ vor allem aus Hass und Vorurteilen gegenüber vulnerable Minderheiten besteht. Das ist das Problem mit einer naiven Sicht auf Redefreiheit, die einfach nur daraus besteht, jede erdenkliche Rede zu erlauben. Wenn dies auch aggressive Rede erlaubt, welche die Würde ganzer Menschengruppen herabsetzt, erzeugt dies eine feindselige Atmosphäre, aus der sich Mitglieder dieser Gruppen zunehmend zurückziehen werden. In einer Studie aus dem vergangenen Jahr gaben mehr als die Hälfte der Befragten an, aus Angst vor Hass sich seltener und weniger frei zu ihren politischen Ansichten zu bekennen. Am Ende leidet die Redefreiheit und Meinungsvielfalt also darunter, wenn auch auf Hass basierende Meinungen zugelassen werden. Musks Vorstellung von Redefreiheit bestand etwa darin, als eine seiner ersten Amtshandlungen gesperrte Accounts von Rassisten und Nazis wieder zu entsperren. Zwei Jahre später haben sich inzwischen zahlreiche Menschen und Organisationen von der Plattform zurückgezogen. Aus einem halbwegs ausgewogenen Twitter, wo viele Menschen am öffentlichen Diskurs teilhaben konnten, ist ein X geworden, das überwiegend von Rechten und Rechtsextremen dominiert wird. Ein ähnliches Schicksal könnte nun den Plattformen von Meta bevorstehen.

Als Pädophiler könnte ich dieser naiven Sicht auf Redefreiheit immerhin etwas Respekt entgegenbringen, wenn es wenigstens ehrlich gemeint wäre und wirklich jeder sich frei äußern dürfte. In den letzten Jahren haben so ziemlich alle soziale Medien Regeln eingeführt, welche pädophilen Menschen die Teilnahme verbieten. Gesellschaftliche Teilhabe ist für Pädophile damit weitestgehend unmöglich geworden. Oft werden Kinderschutzregeln als Grund vorgeschoben, um Sperrungen und Löschungen zu rechtfertigen. Meta zum Beispiel verbietet unter der Überschrift „Sexueller Missbrauch von Kindern“ Inhalte, die „Pädophilie unterstützen, fördern, befürworten oder zur Beteiligung daran ermutigen“. Es ist unklar, was damit genau gemeint sein soll (was soll eine „Beteiligung zu Pädophilie“ sein?), aber im Klartext bedeutet es, dass man als pädophiler Mensch nicht willkommen ist und immer mit einer Sperrung rechnen muss, insbesondere dann, wenn man sich selbst nicht als krank oder falsch sieht.

Es wäre daher durchaus erfrischend ein soziales Medium zu sehen, das sich diesem Trend entgegenstellt und Pädophilen wieder ermöglicht, sich an öffentlichen Diskursen zu beteiligen, selbst wenn dies bedeutet, dass man dabei von Beleidigungen und Hassbotschaften geflutet wird. Spätestens hier entpuppt sich Zuckerbergs Gerede von der Redefreiheit als reine Heuchelei, denn genau das macht er nicht. Im Gegenteil, die neuen Richtlinien grenzen Pädophile sogar noch ausdrücklicher aus.

Laut Meta: Pädophilie ist ein Verbrechen und eine schwere Unmoral

Zunächst einmal hat sich an den Kinderschutzrichtlinien nichts geändert. Dort wird eine solidarische Haltung gegenüber Pädophilen also immer noch gleichgestellt mit der Verharmlosung von Kindesmissbrauch. Gleichzeitig wurden aber die Richtlinien gegen Hassrede um einen Punkt ergänzt: während es vorher dort nur hieß, dass es untersagt ist geschützten Minderheiten pauschal einen Hang zu Kriminalität zu unterstellen, ist es nun auch verboten, Minderheiten zu unterstellen, pädophil zu sein. Dies wird gelistet als Beispiel für „Anschuldigungen wegen schwerer Unmoral oder Kriminalität.“

Änderungen an den Inhaltsrichtlinien von Meta
In den neuen Richtlinien wird Pädophilie also ganz direkt als schwere Unmoral bezeichnet und mit sexuellen Triebtätern gleichgestellt. Pädophile tauchen in der Richtlinie nicht als schützenswerte Minderheit auf, sondern werden in einem Atemzug mit Vergewaltigern, Mördern und Terroristen genannt. Die Minderheit, die am häufigsten davon betroffen ist, pauschal als kriminell bezeichnet zu werden wird von einer Richtlinie als kriminell bezeichnet, die Minderheiten davor schützen soll, als kriminell bezeichnet zu werden.
Hide the Pain
Es ist nichts Neues, dass eher andere Gruppen davor geschützt werden, mit Pädophilen verglichen zu werden, als dass Pädophile selber vor Übergriffen oder Gleichstellungen mit Missbrauchstätern geschützt werden. Das bestätigt indirekt, dass für viele pädophil zu sein das Schlimmste ist, was ein Mensch überhaupt nur sein kann. Wenn pädophil zu sein nicht als etwas sehr Schlimmes gesehen würde, dann müssten andere Gruppen schließlich auch nicht davor geschützt werden, als pädophil bezeichnet zu werden.

Auch nach Metas kulturellen Wandel werden Pädophile also weiterhin unter der irrigen Annahme ausgeschlossen, dass alleine die Existenz von Pädophilen eine Gefährdung von Kindern darstellt. Darüber hinaus wird Pädophilen pauschal unterstellt, nicht moralisch sein zu können, was selber eine gefährliche Rechtfertigung für Gewalt und weitere Hetze gegen pädophile Menschen darstellt.  Dass dies ausgerechnet in Richtlinien geschieht, die vorgeben vor Hassrede zu schützen, ist dabei besonders bestürzend.

Droht anderen queeren Minderheiten ein ähnliches Schicksal?

Ich war lange Zeit in dem naiven Glauben, dass sich die (westliche) Gesellschaft im Großen und Ganzen auf einem Weg befindet, der grundsätzlich zu mehr Toleranz und Diversität führt, und es nur eine Frage der Zeit ist bis die Gesellschaft aufgeklärt genug ist, um auch die letzten noch übrig gebliebenen Vorurteile (z. B. gegen Pädophile) ebenfalls überwunden sind. Irgendwann verstand ich, dass Worte wie „Toleranz“ und „Diversität“ grundsätzlich immer unter der Annahme hochgehalten werden, dass Menschen wie ich – Pädophile – selbstverständlich nicht mit eingeschlossen sind. Die Hoffnung, dass sich die zunehmende Toleranz gegenüber Homosexuelle und andere sexuelle Minderheiten irgendwann auch auf Pädophile übertragen würde, habe ich spätestens da schon aufgegeben.  Aber auch bei nicht-pädophilen sexuellen Minderheiten wird es immer offensichtlicher, dass der Weg nicht zwingend zu mehr Toleranz und Akzeptanz führt.

In den USA vollendet sich gerade eine kulturelle Zeitenwende, die sich dort bereits seit ein paar Jahren andeutet. Freiheitsrechte werden aufgegeben, queere Menschen aus der Gesellschaft ausgeschlossen und ihre Erfahrungen aus der Öffentlichkeit zensiert. Die Änderungen an Metas Richtlinien sind ein weiteres Puzzleteil dieser Entwicklung. Nur wenige Tage nach Inkrafttreten der neuen Richtlinien haben Meta und Amazon angekündigt, Programme zur Gleichheit und Diversität streichen zu lassen. Gleichzeitig löschte Meta einige eigene alte Blogbeiträge, in denen sich das Unternehmen noch solidarisch zu LGBT+ Minderheiten äußerte, und entfernte die Trans- und Nonbinary-Flagge aus ihrem Messenger. Während Zuckerberg 2021 noch Donald Trump „gefährlich“ nannte und Trumps Facebook-Konto nach seinem gescheiterten Putschversuch sperren ließ, veranstaltet er nun, vier Jahre später, eine Party für seine Rückkehr ins Amt. Dass derart große Unternehmen wohl aus Angst vor der Trump-Regierung im vorauseilendem Gehorsam derart fundamentale Aspekte ihrer Firmenkultur quasi von heute auf morgen ändern, noch bevor Trump überhaupt offiziell an der Macht ist, lässt nichts Gutes für die nächsten vier Jahre in den USA erahnen. Die Rechte vieler Minderheiten, die über viele Jahre hart erkämpft wurden, könnten demnächst in relativ kurzer Zeit schrittweise wieder abgebaut werden.

In der EU gibt es zwar Gesetze wie den Digital Services Act, der Unternehmen wie Meta dazu verpflichtet, gegen Hassrede vorzugehen. Unter anderem Elon Musk versucht allerdings alles ihm mögliche, um diesen abzuschaffen. Und Mark Zuckerberg äußerte den Wunsch, dass Trump global Druck aufbauen wird, um derartige Gesetze in anderen Länderneinzuschränken. Fans der neuen Richtlinie fantasieren schon gar davon, dass Amerika die neuen Vorstellungen von „Freiheit“ als kulturimperialistische Macht allen anderen Ländern aufzwingt. Es wird also einen wachsenden politischen Druck geben, auch in Europa Schutzvorschriften gegen Hass und Hetze abzuschaffen. Auch wenn die unmittelbaren Konsequenzen also vor allem erstmal in den USA zu spüren sein werden, können sich Länder in der EU den Folgen nicht völlig entziehen.

Entgegen der Darstellung der Tech-Gurus Zuckerberg und Musk sind es bisher vor allem Inhalte aus der LGBT+-Community, die überdurchschnittlich häufig von Zensur betroffen sind. Anstatt diesen Missstand zu beheben, werden die Richtlinien geändert, um denjenigen mehr Freiheit einzuräumen, die Hassrede gegen Minderheiten verbreiten. Als Pädophiler erlebe ich es auf so ziemlich allen sozialen Medien, dass dort Hassbotschaften und Hetze gegen Pädophile ungestraft verbreitet werden kann, während Gegenrede sofort zensiert wird, insbesondere wenn sie von Pädophilen selber kommt. Auch andere sexuelle Minderheiten könnten sich bald in einer ähnlichen Situation wiederfinden.

Akzeptanz und Toleranz sind nicht selbstverständlich. Die gleichen Firmen, die heute noch stolz die Regenbogenflagge auf ihren Ladentüren präsentieren und ihr Firmenlogo damit schmücken, könnten diese morgen abnehmen und durch diskriminierende Regeln und Vorschriften gegen queere Menschen ersetzen, wenn das gesellschaftliche Klima sich wandelt. Das Pendel, das in den letzten Jahrzehnten insgesamt zu immer mehr Akzeptanz von sexuellen Minderheiten geführt hat (Pädophile natürlich ausgenommen), kann nun genauso gut wieder in die andere Richtung schwingen.

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¹ An dieser Stelle muss ich unbedingt erwähnen, wie schrecklich die Richtlinien von Meta eigentlich geschrieben sind. Ich habe mich nun einige Zeit mit ihnen beschäftigt und bin milde schockiert, wie intransparent, wirr und stümperhaft diese formuliert sind.  Die Regeln sind unglaublich chaotisch strukturiert und schaffen es irgendwie, gleichzeitig unverbindlich vage und andererseits wieder viel zu detailliert und konkret zu sein. Einige Sätze habe ich selbst nach dem zehnten Lesen nicht verstanden, und ich bin mir inzwischen relativ sicher, dass sie tatsächlich gar keinen Sinn ergeben. Die deutsche Fassung ist zudem offensichtlich ziemlich schlecht maschinell übersetzt und enthält einige peinliche Rechtschreibfehler und sehr holprige Formulierungen. Es ist kaum zu glauben, dass dies die Richtlinien eines der weltweit einflussreichsten und mächtigsten Unternehmen sein soll, mit dem die globale Kommunikation von Milliarden gesteuert wird. Wenn einige Sätze, die aus den Regeln zitiert sind also komisch und holprig klingen, liegt dass daran, dass sie tatsächlich einfach so sind. Es zeigt jedenfalls, für wie unwichtig Meta es hält, die eigenen internen Moderationsregeln nach außen transparent und verständlich darzustellen.