Am 26.09.2025 beschloss der Bundesrat, einen Gesetzesentwurf zur Aufnahme der sexuellen Identität in Artikel 3 des Grundgesetzes in den Bundestag einzubringen. Daraufhin haben Die Grünen am 07.10.2025 auch einen entsprechenden Gesetzesvorschlag eingebracht.
Kritik an diesem Vorschlag kommt – wen überrascht es? - vor allem aus der rechten Ecke. Eine Petition der rechtskonservativen Plattform „Citizen Go“ behauptet, es sei ein „kaum verschleierter Versuch, Pädophilie zu legalisieren.“ Die AfD-nahe Bloggerin Anabel Schunke schrieb auf X, das Vorhaben sei „die rechtliche Abschaffung des biologischen Geschlechts und ein Einfallstor für den Verfassungsrang von Fetischen und Pädophilie.“
Diese Strategie ist nichts neues. Auffallend an solchen Aussagen ist insbesondere, dass sie nichtmal direkt auf Pädophile abzielen. Das eigentliche Ziel solcher Äußerungen ist, Diskriminierungsschutz für LSBTQ*-Menschen zu verhindern, indem behauptet wird, die Akzeptanz dieser Identitäten führe zwangsläufig dazu, dass Pädophile irgendwann auch fordern würden, Ihre Sexualität vollständig (also mit echten Kindern) ausleben zu können. Ein klassisches Dammbruchargument also.
Auch aus den Reihen der Union kam Kritik am Gesetzesvorschlag der Grünen, und das, obwohl im Bundesrat auch viele CDU-geführte Bundesländer dem Vorhaben zugestimmt hatten. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion, Günter Krings, sagte etwa im Gespräch mit LTO:
Eine solche offene Formulierung lädt zu Auslegungsstreitigkeiten ein, die niemand will und führt zu Schwierigkeiten, wenn wir sicherstellen wollen, dass sich nicht etwa auch Pädophile auf diese Bestimmung berufen, denn für diesen Personenkreis wollen wir ja alle gerade keinen Diskriminierungsschutz.
Bislang genießen wir auch in keinster Weise irgendeine Form von Diskriminierungsschutz. Vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sind wir ausgenommen, und auch der Gesetzesentwurf der Grünen bezieht sich nur auf Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie trans Personen. Die erwähnte Kritik an diesem Vorhaben ist also schon deshalb vollkommen unbegründet, weil sexuelle Orientierungen hinsichtlich des Alters überhaupt nicht eingeschlossen sind.
Die Diskriminierung von Pädophilen ist also tatsächlich gewollt. Aber wie sieht Diskriminierung gegen Pädophile eigentlich tatsächlich aus – und wie nicht?
Wir wollen keinen Sex mit Kindern!
Die oben genannten Aussagen haben eines gemeinsam: nämlich die Annahme, dass sich pädophile Menschen mit „Diskriminierung“ nur auf eine Sache beziehen: auf das Verbot von sexuellen Handlungen mit Kindern. Der durchschnittliche teleiophile Normalbürger, der sich nie wirklich mit dem Thema Pädophilie auseinandergesetzt und somit von der Lebensrealität pädophiler Menschen keine Ahnung hat, wird vermutlich auch davon ausgehen, dass die meisten Pädophilen so denken.
Und ja, leider gibt es auch Pädophile, die genau diese Sicht auch tatsächlich vertreten. Einige Pro-Contact-Aktivisten haben bereits angekündigt, eine entsprechende Verfassungsbeschwerde einlegen zu wollen, wenn der Gesetzesvorschlag akzeptiert wird.
Aber Sex mit Kindern (SmK) ist aus gutem Grund verboten – weil es nachweislich Kindern schadet. Auch bei körperlich gewaltfreien oder scheinbar vom Kind ausgehenden Handlungen besteht ein hohes Risiko, dass das Kind auf Dauer schwere psychische Schäden davonträgt. Kinder können die Tragweite von sexuellen Handlungen noch nicht richtig einschätzen und daher kein informiertes Einverständnis geben.
Als Anti-Cs lehnen wir deshalb sexuelle Handlungen mit Kindern vollständig ab. Das Verbot von SmK ist keine Diskriminierung von Pädophilen – es ist Kinderschutz.
Das soll aber nicht heißen, dass es Diskriminierung gegen Pädophile nicht gäbe. Ganz im Gegenteil.
Die Diskriminierung von Pädophilen findet in vielen Bereichen statt.
Staatlich geförderte Diskriminierung
Art. 1 Abs. 1 GG lautet:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Das gilt für ALLE Menschen. Leider ist ein würdevolles Leben für pädophile Menschen immer noch eine Utopie. Und einer der Hauptgründe dafür ist genau die Institution, die eigentlich die Menschenwürde schützen soll - der Staat selbst. Pädophile Menschen werden in Deutschland (und vielen anderen Ländern) durch alle drei Staatsgewalten diskriminiert.
Diskriminierung durch die Legislative
Eine weit verbreitete Annahme ist, dass alles, was Pädophilen schadet, dann ja gut für Kinder sein muss, und umgekehrt. Dies hat im Laufe der Jahre zu immer weiteren Gesetzesverschärfungen geführt, wodurch uns auch immer mehr Möglichkeiten genommen werden, unsere Sexualität in einer Weise auszuleben, die echte Kinder überhaupt nicht betrifft.
Das Verbot von unschädlichen Ersatzmaterialien
Als zum 01.07.2021 im Rahmen von erneuten Gesetzesverschärfungen u.a. das Verbot von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild (§ 184l StGB) eingeführt wurde, wurde dies mit dem Argument begründet, die Nutzung solcher Puppen würde die Hemmschwelle für sexuellen Missbrauch an Kindern senken, und Pädophile könnten mit diesen Puppen Missbrauch „einüben“. Bis heute gibt es jedoch für diese Behauptung kein empirischen Belege, und auch im Rahmen der Gesetzgebung wurde das Gesetzesvorhaben von Sachverständigen größtenteils abgelehnt.
Die bislang durchgeführten Studien zu kindlichen Sexpuppen weisen sogar eher eine Tendenz in die entgegengesetzte Richtung auf. Es ist also weitaus wahrscheinlicher, dass die Nutzung der Puppen sogar eher Missbrauch verhindern kann!
Auch rein fiktive Kinderpornographie ist in weiten Teilen kriminalisiert. Lediglich der Besitz von nicht „wirklichkeitsnahen“ Materialen ist bislang noch legal. Die Gesetzeslage ist hier jedoch trotzdem ziemlich schwammig, und der Begriff „wirklichkeitsnah“ nicht klar definiert. Selbst der Besitz von kinderpornographischen Zeichnungen hat bereits zu mindestens einer Verurteilung geführt. Bei wirklichkeitsnahen Darstellungen, wie z.B. KI-generierter Kinderpornographie, ist der Besitz sogar in gleichem Maße strafbar wie bei echten Abbildungen, selbst wenn es sich nachweislich um einen fiktiven Inhalt handelt.
Ermittlungsbehörden ist es dagegen seit dem 13.03.2020 durch § 184b Abs. 5 (seit dem 01.07.2021 Abs. 6) StGB sogar explizit erlaubt, wirklichkeitsnahe kinderpornographische Inhalte im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungen zu verbreiten.
Am 07.11.2025 forderte der bayrische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) auf der Justizministerkonferenz (JuMiKo) zudem, dass schon die Herstellung, Verbreitung und Zugänglichmachung von KI-Modellen, welche in der Lage sind, kinderpornographische Inhalte zu generieren, strafbar werden soll. Die JuMiKo nahm diese Forderung an. Auch hier war die Begründung wieder das altbekannte Hemmschwellen-Argument – und auch im Bereich der fiktiven Kinderpornographie ist diese Behauptung nicht empirisch belegt.
Die Reformkommission zum Sexualstrafrecht hatte allerdings 2017 schon vorgeschlagen, §§ 184b und 184c StGB „dahingehend einzuschränken, dass fiktive Kinder- und Jugendpornographie nicht mehr erfasst wird“ (die Empfehlung findet sich auf S. 382 des Abschlussberichts). Dieser Vorschlag wurde jedoch bis heute nicht umgesetzt, und die Tendenz geht nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch EU-weit, eher in die Gegenrichtung.
Mittlerweile drängt sich durchaus die Frage auf, ob Kinderschutz hier das wirklich das Ziel ist, oder nur ein Vorwand, um möglichst viele Vorfeld-Tatbestände erschaffen zu können und somit möglichst viele Pädophile künstlich zu Straftätern zu machen. Damit man uns alle endlich wegsperren kann.
Ausschluss aus Antidiskriminierungsmaßnahmen
Das Verbot von vielen Ersatzmaterialien ist nur eines der Beispiele dafür, wie der Gesetzgeber pädophile Menschen diskriminiert. Die Exklusion aus Diskriminierungsschutzmaßnahmen wie z.B. dem AGG ist offensichtlich ebenfalls eine Form der Diskriminierung, und kann weitaus drastischere Folgen nach sich ziehen als nur ein unbefriedigendes Sexualleben. Wer sich beispielsweise bei Arbeitskollegen outet, um über das Thema Pädophilie aufzuklären, riskiert allein damit schon potienziell seinen Arbeitsplatz - ohne je einem Kind auch nur ein Haar gekrümmt zu haben oder Missbrauchsabbildungen konsumiert zu haben. Nur, weil es dem Arbeitgeber nicht passt, dass einer seiner Angestellten auf Kinder steht.
Diskriminierung durch die Exekutive
Wie bereits erwähnt, ist die Legislative nicht die einzige der drei Staatsgewalten, die gegen Pädophile diskriminiert. Auch Exekutive und Judikative machen dabei fleißig mit.
2014 wurden bei einem Treffen von 11 Mitgliedern des GLF im sachsen-anhaltischen Aschersleben alle Teilnehmenden zuerst den ganzen Tag über durch die Polizei beobachtet und schlussendlich auch verhaftet. In der darauffolgenden Pressekonferenz wurde von einem „konspirativ“ agierenden „Pädophilen-Netzwerk“ gesprochen, die 5-jährige Nichte eines Teilnehmers sei dabei angeblich als Lockvogel eingesetzt worden, um Kontakte mit anderen Kindern zu knüpfen.
Den Hinweis auf das Treffen hatte die Polizei durch einen RTL-Journalisten erhalten, welcher bei dem Treffen auch mit versteckter Kamera anwesend war. Tatsächlich wurden aber weder am Tag des Treffens irgendwelche Straftaten begangen, noch gab es überhaupt irgendwelche ernstzunehmenden Hinweise, dass Straftaten geplant gewesen wären. Es handelte sich lediglich um einen Anfangsverdacht seitens der Polizei, viele der Behauptungen über die angeblichen Intentionen der Teilnehmer waren keineswegs begründet, und sind offensichtlich vor allem durch das Stigma gegenüber Pädophilen entstanden, nach der Idee: „Wenn Pädos sich treffen, dann müssen die ja irgendwelche krummen Dinge im Schilde führen!“
Meines Erachtens kann man hier sogar von einer Grundrechtsverletzung sprechen. Art. 8 GG garantiert die Versammlungsfreiheit. Wenn wir als Pädophile uns aber nicht mal zu einem lockeren Ausflug oder Grillabend treffen können, ohne willkürliche Kontrollen und Verhaftungen befürchten zu müssen, wird uns die Ausübung dieses Grundrechts offensichtlich verwehrt.
Es braucht aber anscheinend nicht mal einen bestimmten Anfangsverdacht - uns wird auch pauschal mit Strafverfolgung gedroht.
Als im Januar 2019 der Missbrauchsfall von Lügde bekannt wurde, fiel der Fokus der Medienberichte schnell auf das jahrelange Behördenversagen. Dem Haupttäter Andreas V. war im Jahre 2016 ein sechsjähriges Mädchen als Pflegekind in Obhut gegeben worden, "trotz zahlreicher Hinweise, dass er pädophil sei", so das ZDF. Nicht etwa, dass bspw. schon 2008 Hinweise auf sexuellen Kindesmissbrauch durch Andreas V. vorlagen. Nein, es wurde bewusst die Pädophile des Täters betont.
Formulierungen dieser Art fördern das Narrativ, dass Pädophile grundsätzlich gefährlich für Kinder sind und demnach auch als Eltern ungeeignet seien. Wie würde das Jugendamt reagieren, wenn sie erfahren, dass ein oder sogar beide Elternteile pädophil sind, auch wenn keine Hinweise auf Straftaten vorliegen? Sirius hat diese Sorge bereits vor drei Jahren thematisiert: Dürfen Pädophile Eltern werden?
Bislang ist mir zwar kein Fall bekannt, in welchem Hinweise auf Pädophilie eines Elternteils (ohne gleichzeitiges Vorliegen einer Straftat) zu einem Entzug des Sorgerechts geführt hätten, aber die Angst ist absolut verständlich.
Diskriminierung durch die Judikative
Auch die Rechtsprechung scheut nicht davor zurück, gegen uns zu diskriminieren.
In Krefeld wurde im Jahr 2023 ein Mann wegen des Besitzes von Kinderpornographie nur zu einer Geldstrafe verurteilt – obwohl die gesetzliche Mindeststrafe zu dieser Zeit bei einem Jahr Haft lag. Der Grund, warum der Täter mit so einer geringen Strafe davonkam: er war nicht pädophil, sondern Mitglied einer sogenannten „Pädojäger“-Gruppe. Sogar der Staatsanwalt sah das Verhalten des Täters als „moralisch vertretbar“ an.
Wäre der Täter stattdessen pädophil gewesen und hätte sich dieselben Dateien zur sexuellen Befriedigung beschaffen, wäre er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht einer Geldstrafe davongekommen. Zudem wird durch dieses Urteil das Vorgehen von Banden legitimiert, die nicht selten gewaltbereit sind.
Ebenfalls 2023 wurde im baden-württembergischen Horb ein junger Mann wegen des Besitzes von Kinderpornographie zu einem Jahr und sechs Monaten Haft auf Bewährung sowie einer Geldstrafe vom 1.500 Euro verurteilt. Auch in diesem Fall war der Täter nicht pädophil, als Begründung nannte er "Dummheit und Neugier". Die Staatsanwaltschaft betonte zudem, dass der Täter ein Problem habe, "aber eher im Rahmen mit normaler Pornografie." Eine Therapie bekam der Täter nicht auferlegt, sogar mit der Begründung, dass er "kein Pädophiler" sei. Pädophile Täter bekommen solche Auflagen dagegen fast immer.
Für mich absolut unverständlich. Eine Therapie bei einem Präventionsprojekt wie "Kein Täter werden" hätte in diesem Fall natürlich nichts gebracht, aber warum wurde dem Täter z. B. keine Therapie gegen seine Pornosucht auferlegt? Pornosucht ist eine im ICD-11 offiziell anerkannte Suchtkrankheit, gegen die es auch Therapien gibt, welche zum Teil sogar von den gesetzlichen Krankenkassen gefördert werden.
Die Anhebung der Mindeststrafe auf ein Jahr Freiheitsentzug hatte zum 01.07.2021 den Besitz von Kinderpornographie von einem Vergehen zu einem Verbrechen gemacht. Aufgrund der deutlich strikteren Anforderungen an Strafverfahren mit Verbrechen hatte dies u.a. dazu geführt, dass auch viele sogenannte „Bagatellfälle“ vor Gericht landen mussten, welche ansonsten schon eingestellt hätten werden können. Auch wenn nur zufällig ein kinderpornographischer Inhalt auf dem eigenen Handy landete, weil es z.B. als Meme in einer Chatgruppe verschickt wurde, musste man sich im Falle von strafrechtlichen Ermittlungen vor Gericht verantworten. Der Oberstaatsanwalt Florian Kienle aus Mossbach sagte hierzu, dass er nicht ausschließe, dass hierdurch die strafrechtliche Verfolgung „echter Pädophiler“ leide (Paywall).
Verfassungskonforme Diskriminierung?
Sogar das Bundesverfassungsgericht hat bereits diskriminierende Vorgehensweisen gegen Pädophile legitimiert. Im Jahr 2018 wurde bei einem Mitglied eines Dating-Portals eine Wohnungsdurchsuchung durchgeführt, nachdem der Polizei gemeldet wurde, dass die Person in Chats explizite sexuelle Fantasien mit Kindern und Jugendlichen geschildert hatte. Gegen die Auswertung der Daten legte der Betroffene Verfassungsbeschwerde (Aktenzeichen: 2 BvR 708/18) ein, welche jedoch nicht zur Entscheidung angenommen wurde. In der Begründung findet sich u.a. folgender Absatz:
Zwar schildert „O.“ möglicherweise keine tatsächlichen Geschehnisse, sondern sexuelle Phantasien, diese aber in sehr bildhafter und auch drastischer Sprache. Es erregt den Verfasser offenkundig, sich Kinder und Jugendliche in den beschriebenen Posen und bei den beschriebenen sexuellen Handlungen vorzustellen oder sie in solchen Posen und bei solchen Handlungen zu betrachten. Kinder- und jugendpornographisches Material zur Befriedigung dieser Neigung ist im Internet auch leicht und anonym zu beschaffen. Vor diesem Hintergrund durfte es das Landgericht unter Heranziehung von kriminalistischer Erfahrung für möglich halten, dass der Verfasser der Chats strafbares kinderpornographisches Material zur Befriedigung seiner sexuellen Neigung besitzt, auch wenn in den Chats nicht über die Anfertigung, den Austausch oder den Besitz von kinderpornographischem Material gesprochen wird.
In einer weiteren, ebenfalls nicht zur Entscheidung angenommen Verfassungsbeschwerde aus dem Jahr 2014 (Aktenzeichen: 2 BvR 200/14), in welcher sich der Beschwerdeführer gegen eine Durchsuchungsanordnung wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornographischer Schriften gewehrt hatte, tauchte in der Begründung folgender Absatz auf:
Danach durften die Fachgerichte berücksichtigen, dass bei Menschen mit pädophiler Neigung unter anderem ein Hang zum Sammeln und Aufbewahren einmal erworbenen Materials vorliegt, um das Material stets zur Verfügung zu haben und es mit Gleichgesinnten auszutauschen. Ebenso konnte von der Möglichkeit des Bezugs weiterer kinderpornographischer Schriften ausgegangen werden. Diese Erfahrungssätze durften den angegriffenen Entscheidungen schon im Zeitpunkt ihres Erlasses auch ohne Berücksichtigung des erst im Verfassungsbeschwerdeverfahren vorgelegten Materials zugrunde gelegt werden.
In anderen Worten: das höchste Gericht der Bundesrepublik Deutschland sieht kein Problem darin, alle Pädophile pauschal des Besitzes von Kinderpornographie zu verdächtigen.
Besonders problematisch sehe ich in diesen Begründungen die Erwähnung der „kriminalistischen Erfahrung“. Viele der pädophilen Täter:innen bzw. Tatverdächtigen, mit denen die Polizei in Kontakt kommt, mögen im Besitz von strafbarem kinderpornographischem Material sein. Aber es sind eben bei weitem nicht alle Pädophilen, nicht mal eine Mehrheit. Egal, wie einfach es ist, sich solche Materialen zu beschaffen. Das Bild, das die Ermittlungsbehörden von Pädophilen haben, ist in dieser Hinsicht von Grund auf verzerrt.
Diskriminierung im Gesundheitssystem
Überall, wo das Thema Pädophilie auftaucht, ist es entweder mit sexualisierter Gewalt gegen Kinder oder mit Kinderpornographie verbunden. Das führt auch dazu, dass nahezu alle Therapieangebote, die sich an Pädophile richten, ausschließlich auf Prävention von Straftaten fokussiert sind. Bei "Kein Täter werden" (KTW) steckt dies bereits im Namen. Ein häufiger Kritikpunkt an KTW ist, dass die psychische Gesundheit der Klienten tendenziell einen viel zu niedrigen Stellenwert hat - und das, obwohl psychische Leiden nachweislich einen Risikofaktor für Missbrauchstaten darstellen. Tatsächlich ist es sogar ein Teil der Strategie von KTW, dass Klienten sich selbst als potenzielle Gefahr für Kinder betrachten sollen! Eine nicht zu unterschätzende Ursache des Leidensdrucks bei pädophilen Menschen ist die Stigmatisierung durch die Gesellschaft. Offiziell befürwortet KTW sogar die Entstigmatisierung der Pädophilie. Da wirkt es jedoch geradezu heuchlerisch, dass die Therapieansätze selbst stigmafördernd sind, und auch der Leiter des Projektes, Prof. Dr. Klaus M. Beier, immer wieder mit äußerst stigmatisierenden und auch oft schlicht falschen Aussagen auffällt.
Zudem ist die tatsächliche Wirksamkeit von KTW durchaus umstritten. Vor kurzem wurde die Förderung des Projektes, welche in § 65d SGB V geregelt ist, um zwei weitere Jahre bis zum 31.12.2027 verlängert, um für diesen Zeitraum u.a. auch die Weiterführung einer Evaluierung durch Forschende der TU Chemnitz zu ermöglichen.
Grundsätzlich bin ich zwar durchaus der Ansicht, dass das Konzept der verursacherbezogenen Prävention seine Daseinsberechtigung hat, und ich will auch nicht leugnen, dass KTW schon einigen Menschen durchaus geholfen hat. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, ob nicht doch Risikofaktoren für Missbrauch eher gefördert werden, wenn den Klienten beigebracht wird, das Stigma auf sich selbst zu beziehen und sich als Gefahr zu sehen. Zudem sollte, wenn das Hauptziel tatsächlich die Prävention von sexualisierter Gewalt gegen Kinder ist, das Angebot auch auf Ersatzhandlungstäter ausgeweitet werden, die bekanntlich den Großteil der Täter darstellen.
Mir ist bislang kein einziges Therapieangebot für Pädophile bekannt, welches primär auf Themen wie Selbstakzeptanz oder den Umgang mit den psychischen Folgen der Stigmatisierung fokussiert ist.
Oder in anderen Worten: es gibt kein Therapieprogramm für Pädophile, welches primär auf den Menschen selbst fokussiert ist. Es geht immer nur um den potenziellen Täter.
Allgemein ist es für Pädophile außerhalb von Projekten wie KTW äußert schwer, überhaupt einen Therapieplatz zu finden. Umfragen haben ergeben, dass in Deutschland ca. 95% der Therapeuten nicht bereit wären, einen pädophilen Klienten zu behandeln. Zudem müssen die Therapien oft aus eigener Tasche finanziert werden, was sich bei weitem nicht jeder leisten kann.
Diskriminierung durch die Gesellschaft
In den letzten Jahren hat sich das gesellschaftliche Klima gegenüber Pädophilen signifikant verschlechtert. Der Großteil der Bevölkerung ist nicht einmal dazu bereit, überhaupt mit einem pädophilen Menschen zu sprechen, und viele Leute würden es befürworten, uns alle präventiv einzusperren oder sogar umzubringen. Sieht man sich den Fragebereich auf WsaM an, erkennt man bei vielen „Fragen“, dass die Leute sich die Website überhaupt nicht angeguckt haben, sondern einfach nur ihren blinden Hass auf Pädophile rausbrüllen wollen. Aufklärende Antworten auf solche Hassnachrichten werden dann ebenfalls gerne von diesen Personen ignoriert, wie Regenbogenfisch bereits berichtete.
Wir werden mundtot gemacht
Viele Social-Media-Plattformen haben in den letzten Jahren ihre Regeln zum Umgang mit dem Thema Pädophilie verschärft. Im deutschsprachigen Raum war die Plattform GuteFrage.net lange Zeit eine der wenigen Seiten, wo ein relativ offener Umgang mit dem Thema Pädophilie, und somit auch Aufklärung, möglich war. Dies änderte sich jedoch im Februar 2023, als die Umgangsrichtlinien zum Thema Pädophilie geändert wurden. Ab sofort waren zu diesem Thema nur noch „konkrete Ratsuchen Betroffener zulässig“ - Aufklärung in Form von Antworten auf Fragen von nichtpädophilen Usern war somit gar nicht mehr möglich.
Und auf Reddit reicht schon die bloße Erwähnung aus, dass man pädophil ist, um permanent gebannt zu werden. Offene Gewaltandrohungen (bis hin zu Morddrohungen) gegenüber Pädophilen werden dagegen offen toleriert.
Diese Ausgrenzung macht auch die Aufklärung, und somit die Bekämpfung der Stigmatisierung und Diskriminierung, immer schwieriger. Gerade daher sind Projekte wie WsaM und KiH so extrem wichtig, da sie im Grunde die einzige Möglichkeit für Pädophile darstellen, eine Stimme in der Gesellschaft zu haben, ohne ein signifikantes persönliches Sicherheitsrisiko einzugehen.
Misstrauen und falsche Verdächtigung
Die Überzeugung, dass alle Pädophilen auch tatsächlich Kinder missbrauchen oder die Abschaffung des Schutzalters befürworten würden, ist so fest in der Gesellschaft verankert, dass insbesondere Anti-Contactern oft pauschal misstraut wird. Die familienpolitische Sprecherin der AfD-Landtagsfraktion Niedersachsen, Vanessa Behrendt, hat im Dezember 2024 sogar Strafanzeige gegen WsaM "in puncto Kinderpornografie und Anstiftung zu sexuellen Handlungen an Kindern" gestellt. Da es sich bei dieser Anschuldigung um eine offensichtliche Lüge handelt, wurden die Anzeigen jedoch nach kurzer Zeit eingestellt. Community-Mitglied Consuela hatte daraufhin Strafanzeige gegen Behrendt gestellt, u.a. wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung. Behrendt reagierte, indem sie Consuelas persönliche Daten, welche aus der Anzeige ersichtlich waren, sowie ein Foto von ihm, öffentlich machte, und als Kommentar hinzufügte: "Vielleicht möchte ihm jemand mitteilen, was man von seinen Forderungen hält?"
Bedenkt man, wie stigmatisiert das Thema Pädophilie ist und wie hoch die Gewaltbereitschaft in der rechtsextremen Szene ist, kann dieser Post von Behrendt als Aufruf zu Gewalt (ggf. sogar Aufruf zum Mord) verstanden werden.
Diskriminierung in den Medien
Auch die Medien beteiligen sich an der Diskriminierung gegen unsere Minderheit. Ich sehe die Medien sogar unter den Hauptschuldigen, da die meisten Leute nie einen direkten Berührungspunkt mit dem Thema Pädophilie haben und meistens nur davon hören, wenn mal wieder ein Missbrauchsfall aufgedeckt oder eine Kinderpornographie-Plattform aus dem Darknet abgeschaltet wurde.
Regelwidrige Berichterstattung
Der Pressekodex ist eine Sammlung von journalistisch-ethischen Regeln, zu deren Einhaltung sich Journalisten freiwillig selbst verpflichten.
Ziffer 12.1 behandelt die Berichterstattung über Straftaten und lautet:
In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täterinnen und Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.
Wenn es um Straftaten im Bereich der sexuellen Gewalt gegen Kinder geht, wird regelmäßig gegen diese Richtlinie verstoßen. Begriffe wie „Pädophilen-Ring“, „Pädophilie-Netzwerk“ oder einfach „Pädophiler [...]“ sind hier gang und gäbe. Sirius hat u.a. in seinen Sonntagskisten regelmäßig zahlreiche solcher Beispiele präsentiert.
Meines Erachtens liegt mit solchen Formulierungen oft sogar ein doppelter Verstoß gegen diese Regel vor. Die meisten pädophilen Menschen begehen nie solche Straftaten, von daher handelt es sich hier um eine mehr als offensichtliche diskriminierende Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens. Da aber zudem die meisten Missbrauchstäter, wie auch viele Täter im Zusammenhang mit Kinderpornographie, nicht pädophil sind, wird mit diesen Formulierungen auch in vielen Fällen eine Zugehörigkeit zu einer Minderheit behauptet, die schlichtweg falsch ist.
Ein Paradebeispiel dafür ist die Berichterstattung über den belgischen Sexualstraftäter und Serienmörder Marc Dutroux. In vielen Medienberichten wurde seinerzeit von dem „Pädophilen“ Dutroux geschrieben – ein Gutachten stellte jedoch fest, dass Dutroux nicht pädophil ist. Das Alter seiner Opfer spielte für ihn keine Rolle; er wählte oft nur deswegen Kinder (und hauptsächlich Jugendliche) aus, weil diese einfacher zu manipulieren und entführen waren.
Bei solch reißerischer Berichterstattung denkt man in der Regel zuerst an Boulevardmedien wie die BILD oder die Schweizer Zeitung Blick. Aber auch öffentlich-rechtliche Medien wie z.B. das ZDF haben kein Problem damit, diese Phrasen zu verwenden.
Verstöße gegen den Pressekodex können beim Presserat gemeldet werden, welcher die Beschwerde prüft und, wenn er sie für gerechtfertigt hält, eine Sanktion (z.B. Rüge) gegen das entsprechende Medium ausspricht. In der Liste aller Rügen seit 1986 findet sich jedoch seit 2020 (für ältere Artikel sind keine Titel einsehbar) kein einziger Artikel mit einer der oben genannten oder einer ähnlichen Formulierung. Der Grund dafür ist offensichtlich: eine Beschwerde beim Presserat muss unter Angabe des Klarnamens und persönlichen Kontaktdaten eingereicht werden. Und wer stört sich denn an dieser Art der Berichterstattung über Pädophile? Vor allem Pädophile selbst. Da wir zudem aber auch eine der meistgehassten Minderheiten überhaupt sind, wird jemand sich trauen, solch eine Beschwerde einzureichen und sich damit öffentlich als pädophil (oder auch nur als Unterstützer von Pädophilen) zu outen. Das führt dazu, dass diese diskriminierende Art der Berichterstattung weitgehend widerstandslos fortbesteht.
Sucht man stattdessen den direkten Kontakt mit der betreffenden Redaktion, beispielsweise per E-Mail, werden die Hinweise in vielen Fällen komplett ignoriert. Hin und wieder wird eine problematische Formulierung abgeändert oder nachträglich Begriffe klargestellt, beim nächsten Beitrag zum Thema Pädophilie dann aber genau der gleiche Fehler wiederholt.
Immerhin gibt es überhaupt Medien, die bereit sind, auf Hinweise von Pädophilen hin ihre Beiträge zu korrigieren. Am 03.12.2025 veröffentlichte Correctiv den Faktencheck-Artikel „Worum es im Gesetzesvorschlag zum Schutz sexueller Identität geht“ (welcher mich auch dazu bewegt hat, diesen Beitrag zu schreiben). In diesem Artikel wurde in der ursprünglichen Fassung Pädophilie als eine paraphile Störung bezeichnet. Gemäß des ICD-10, der in Deutschland zurzeit noch angewandt wird, ist dies zwar korrekt, international gilt jedoch bereits seit dem 01.01.2022 der ICD-11, in welchem Pädophilie selbst nur noch als sexuelle Präferenz gilt, und zwischen Pädophilie und der pädophilen Störung unterschieden wird. Zudem wurde die Bezeichnung der Pro-Contact-Website „Krumme 13“ als „Pädo-Aktivistengruppe“ aus einer Petition zitiert, ohne weiter zu differenzieren. Nachdem ich und einige weitere Aktivisten Correctiv per E-Mail auf diese Punkte hingewiesen hatten, wurde der Artikel überarbeitet, sogar inklusive einer kurzen Erläuterung der Begriffe Pro-Contact und Anti-Contact, zudem erhielten wir jeweils direkte Antworten des Beitragsautors per E-Mail. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob dies auch in zukünftigen Artikeln zum Thema Pädophilie beachtet wird.
"Nothing about us without us"
Ein Grundsatz vieler Minderheitenbewegungen, insbesondere der Behindertenbewegung, ist "Nothing about us without us" - nichts über uns ohne uns. Für Pädophile gilt aktuell leider eher "(almost) nothing about us with us". Für Podcastfolgen über Pädophilie werden oftmals Experten - in Deutschland z. B. oft Therapeuten oder Leiter von KTW-Standorten - eingeladen, pädophile Menschen selbst kommen dabei nur selten zu Wort, und wenn, dann oft nur kurz. Zwar gibt es mittlerweile einige Dokus, in welchen primär mit Pädophilen Menschen direkt geredet wird (u. a. auch mit Sirius und Ruby), aber auch in diesen Dokus wird so gut wie immer ein Therapeut mit einbezogen. Die Berichterstattung über pädophile Menschen, auch wenn mit überzeugten Anti-Contactern gesprochen wird, die nie eine Straftat begangen haben, hält trotzdem weiter an der Verknüpfung von Pädophilie und Missbrauch fest. Das erschwert die Entstigmatisierung ungemein.
Fazit
Die Diskriminierung von Pädophilen ist nicht von der Hand zu weisen. Sie findet in allen möglichen Bereichen statt. Und die Wurzel allen Übels liegt mal wieder in der Stigmatisierung. Schon die Begründung, warum für Pädophile keinen Diskriminierungsschutz gewollt ist, fußt auf Vorurteilen. Und da nur die wenigsten bereit sind, überhaupt mit uns zu reden, ist es schwer, den Leuten ein Bild davon zu vermitteln, welchen Arten von Diskriminierung pädophile Menschen tatsächlich ausgesetzt sind.