Liebe Leser,

zum 30. Mal bringe ich euch meine Sonntagskiste (nur noch zwei mehr für eine schöne, runde Zahl)! Diese Woche war ein wenig ruhiger als die letzte. Dominiert wurde die Medienberichterstattung zum Thema Pädophilie vor allem von Entwicklungen bei zwei Missbrauchsskandalen. Jenseits des großen Ozeans wiederum hat Donald Trumps Sohn Vorwürfe von Pädophilie genutzt, um die politische Position seines Vaters gegen den Präsidentschaftskandidaten Joe Biden zu verteidigen. Davon abgesehen habe ich das übliche "Kleinvieh" von stigmatisierenden Erwähnungen von Pädophilie mitgebracht. Den musikalischen Rauswerfer für diese Woche wird außerdem zum ersten Mal von ilytul geliefert.

1. "Hinweise auf Pädophilie lagen schon vorher vor"

Diese Woche gab es Entwicklungen im Zusammenhang mit zwei Missbrauchsskandalen. In dem Missbrauchsskandal Lügde haben mehrere Mitarbeiter des Kreises Hameln-Pyrmont die Aussage vor dem Untersuchungsausschuss des NRW-Landtages aus Angst verweigert, dass dadurch Ermittlungsverfahren gegen sie selber angestoßen werden könnten. Außerdem haben in dem Fall eines verstorbenen Assistenzarztes, der (wohl) über Jahre hinweg seine Patienten missbraucht hat, mehrere Zeugen geschildert, dass es bereits lange Zeit vorher Hinweise auf möglichen Missbrauch gab.

In den Medienberichten über diese Fälle finden sich folgende, sehr ähnliche Sätze:

  • "Es soll bereits 2010 Hinweise über mögliche pädophile Neigungen des verstorbenen Assistenzarztes gegeben haben." (Saarbrücker Zeitung)
  • "Hinweise auf Pädophilie lagen schon früher vor" (Saarländischer Rundfunk)
  • "Pädophile Neigungen des Assistenzarztes in Homburg waren wohl bereits früher bekannt" (SOL.DE)
  • "In der kommenden Woche hätten Mitarbeiter des Kreises Hameln-Pyrmont vor dem Untersuchungsausschuss des NRW-Landtages erklären sollen, warum Hinweisen auf die Pädophilie des Haupttäters im Missbrauchsskandal Lügde, Andreas V., nicht nachgegangen wurde." (Mindener Tageblatt)

Aussagen wie diese sind aus zweierlei Sicht höchst problematisch. Einerseits wird ausgesagt, dass Pädophilie der wesentliche Motivator für die Missbrauchstaten waren. Damit wird Pädophilie wieder mit Kindesmissbrauch gleichgestellt. Gleichzeitig implizieren die Aussagen aber auch, dass gehandelt werden muss, wenn bei einem Menschen pädophile Neigungen festgestellt werden. Damit wird indirekt auch die Ansicht vermittelt, dass pädophile Menschen eine grundlegende Gefahr sind, gegen die proaktiv vorgegangen werden muss. Das bewirbt einen im Grunde sehr stigmatisierenden Umgang mit pädophilen Menschen, da alleine schon "Hinweise auf pädophile Neigungen" ausreichend sein sollen, um (zum Schutz der Kinder) handeln zu müssen – also auch dann, wenn überhaupt keine Hinweise auf übergriffiges oder missbräuchliches Verhalten vorliegen. 

Dabei sind die zitierten "Hinweise" genau das: nicht Hinweise auf eine pädophile Neigung, sondern Hinweise auf missbräuchliches Verhalten. Zwei Zeugenaussagen gegen den Assistenzarzt berichten etwa von auffallend langen körperlichen Untersuchungen von Kindern und der Anwendung körperlicher Gewalt bei Untersuchungen. Das hat mit Pädophilie erst einmal nichts zu tun, sondern sind körperliche Übergriffe.

Besser wäre es also gewesen, stattdessen zu schreiben, dass Hinweisen auf übergriffiges Verhalten nicht nachgegangen wurde. Das ist sowohl treffender als auch nicht stigmatisierend.

2. In a while, pedophile

Ende des Jahres wird in den USA Donald Trump gegen Joe Biden in den Präsidentschaftswahlen antreten. Typischerweise wird der Wahlkampf in den Vereinigten Staaten zum Teil mit ziemlich dreckigen Methoden ausgefochten, und dazu zählen auch Pädophilie-Vorwürfe. Das neuste Beispiel dafür wurde von Trumps Sohn, Donald Trump Jr., auf Instagram und Twitter veröffentlicht.

Neben einer witzig gemeinten Photomontage, die Biden pädophile Neigungen unterstellt, hat er eine Collage von vier Bildern mit Biden auf Twitter verbreitet, die ihn in anzüglich wirkenden Situationen mit Kindern und jungen Frauen zeigt, um seine Vorwürfe zu "untermauern".

Die Tweets von Trump Jr. sind ein Paradebeispiel dafür, wie schon alleine die Anschuldigung, pädophile Neigungen zu haben genutzt werden kann, um den Ruf einer Person in Mitleidenschaft zu ziehen und politische Gegner zu denunzieren. 

3. Kriminalisierung pädophiler Menschen in den Medien

Nicht jeder pädophile Mensch wird zum Straftäter, und die meisten Kindesmissbrauchstäter und Konsumenten von Kinderpornographie sind nicht pädophil. 

Leider wird diese wichtige Unterscheidung in den Medien oft nicht gemacht, und Pädophilie mit Straftaten oft in einen Topf geworfen. Gerade das trägt aber massiv zur Stigmatisierung pädophiler Menschen bei, da die meisten Menschen so den Eindruck gewinnen, dass Pädophilie und Kindesmissbrauch ein und dieselbe Sache ist. Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, möchte ich hier jede Woche Beispiele für diese Behandlung des Themas Pädophilie in den Medien sammeln.

4. Schön

-- von ilytul

Als Eminem seinen Song Beautiful schrieb, wird er wahrscheinlich an alles gedacht haben, aber nicht an Pädophile. Und tatsächlich handelt der Track, den er laut eigener Aussage unter Drogeneinfluss schrieb, vordergründig von Depressionen. 

Doch der Refrain, der im metaphorischen Sinne von Schuhen handelt, kann auch ganz gut auf den Umgang mit Randgruppen, wie eben Menschen mit pädophilen Empfindungen, angewendet werden. Denn Fakt ist, dass die Menschen, die uns so herrlich selbstgerecht angreifen, uns unsere Gefühle erklären und darüber hinaus auch behaupten, die Weisheit mit Schaufeln gegessen zu haben, sich kein einziges Mal unsere Schuhe angezogen haben.

Bis nächste Woche,
 Sirius