2024 war ein bewegtes Jahr. Im Rückblick wirkt das Jahr wie ein Fiebertraum, wie ein Gleiten von einer Katastrophe in die nächste, während sich die schlimmsten politischen Prognosen eine nach der anderen erfüllten. Egal ob es die Wahlergebnisse der AfD bei den Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen waren, der Erfolg rechter Parteien bei den EU-Wahlen oder die Wiederwahl Trumps in den USA, die Welt scheint nach rechts zu rücken, während Bürgerrechte eingeschränkt und Minderheiten zunehmend bedroht werden. Als letzter großer Knall scheiterte zuletzt schließlich auch krachend die Ampelkoalition. Die Regierung, die vor drei Jahren noch als „Fortschrittskoalition“ an die Macht getreten ist, konnte in ihren letzten Zügen nur noch durch konservative Law-and-Order-Politik und der Übernahme fremdenfeindlicher Narrativen direkt aus dem Wahlprogramm der AfD glänzen. Nach den Gewalttaten in Solingen etwa wurde kurzerhand Migration als Wurzel des Übels deklariert und ein „Sicherheitspaket“ hastig durchgewunken, das als Antwort auf einen grauenvollen Einzelfall vor allem die Rechte und Freiheiten von Migrant:innen einschränkt und sie menschenunwürdigen Behandlungen aussetzt. Die Parallelen zum politischen Umgang mit Pädophilen nach Bekanntwerden großer Missbrauchsfälle sind offenkundig. 

2024 wird zweifelsohne in die Zeitgeschichte eingehen, und auch zum Thema Pädophilie gab es in diesem turbulenten Jahr wenig, was Freude gemacht hat. Einige Themen möchte ich anlässlich des Jahresendes einmal Revue passieren lassen.

🔥 Denunzierung Pädophiler durch die AfD

Botschaft der AfD-Abgeordneten Vanessa Behrendt. Quelle: X
Dieses Jahr konnten wir einen Vorgeschmack dessen erleben, was ein Erstarken der AfD für pädophile Menschen in Deutschland bedeuten würde. Die AfD hat schon immer versucht, das Thema für ihre eigene Agenda zu instrumentalisieren, indem sie politischen Gegnern (meist die Grünen oder queere Minderheiten) vorwirft Pädophilie zu unterstützen und hofft, dass die allgemeine gesellschaftliche Abscheu gegenüber Pädophilen sich dadurch auf ihre Gegner überträgt. Diese Strategie trägt ganz wesentlich zur Stigmatisierung pädophiler Menschen mit bei, da auch die angegriffene Seite sich häufig verteidigt, indem sie sich mit Vehemenz gegen Pädophile abgrenzt und der Verurteilung pädophiler Menschen anschließt. Dieses Trauerspiel konnte man dieses Jahr unter anderem im Landtag Baden-Württemberg beobachten, wo sich am Ende Grüne und AfD beide einig darin waren, dass pädophile Menschen keinen sicheren Platz in der Gesellschaft verdient haben.


Zusätzlich stießen einige AfD-Abgeordnete aus Niedersachsen auf Wir sind auch Menschen, denunzierten diese als „Kinderschänder-Webseite“ und versuchten, sie über eine Strafanzeige abschalten zu lassen. Ihrer Ansicht haben Pädophile keine Redefreiheit verdient, was bezeichnend für das Demokratieverständnis der Partei im Ganzen ist. Erschreckend ist generell wie viele Zuschriften wir dieses Jahr von Leuten erhalten haben, die ebenfalls ernsthaft der Meinung waren, dass wir nicht existieren dürften und die freie Meinungsäußerung als Pädophiler ein Verbrechen sein sollte.

💩 Hass und Hetze gegen Wir sind auch Menschen

„Hast Du die ganzen Ausrufezeichen bemerkt? Fünf? Ein sicheres Zeichen für jemanden, der seine Unterhose auf dem Kopf trägt.“ ―Terry Pratchett
Den Versuchen der AfD, WsaM abzuschalten waren eine ganze Reihe ziemlich übler Angriffe vorausgegangen. Ungefähr im Oktober ist die Seite auf der inzwischen von Rechten dominierten Plattform X viral gegangen, was zu einer immensen Welle an Besuchern geführt hat. Normalerweise sieht die Seite etwa 100 Besucher pro Tag – am Höhepunkt der Angriffe Ende Oktober waren es fast 15 000.
Besucherstatistiken für WsaM von September - Dezember
Die Mehrheit der Besucher:innen waren uns nicht wohlgesonnen, und so sahen wir eine unglaubliche Menge an Drohungen und Hassbotschaften, die ich in diesem Ausmaß in meiner Zeit als Aktivist noch nicht erlebt habe. Wer meint, dass Pädophile eine kranke Fantasie haben, sollte sich mal einen Tag hinsetzen und angucken, was für üble Gewaltfantasien sich manche Menschen ausdenken und genüsslich ausführen, wenn es gegen Pädophile geht. Und im Gegensatz zu uns meinen sie dies ernst, würden dies also in der Realität tatsächlich gerne umgesetzt sehen. Gleichzeitig sahen wir die ersten DDoS-Angriffe, also technischer Angriffe, die darauf abzielen, unseren Server zu überlasten und die Seite damit vom Netz zu nehmen. Es ging den Angreifern ähnlich wie der AfD also ebenfalls darum, uns zum Schweigen zu bringen und unsere Botschaften und Informationen aus der öffentlichen Domäne zu entfernen.

Auch, wenn sich die Lage für den Moment wieder beruhigt hat, kriegen wir immer noch einen steten Tropfen an Hassbotschaften. Selbst über Weihnachten, dem „Fest der Liebe“ erreichten uns Botschaften des Hasses. Immerhin: vereinzelt erreichten uns auch positive Nachrichten von Menschen, die uns in unserem Tun bestärkt haben. Die Strom der Hassbotschaften wirkte zeitweise zwar erdrückend, zu bedenken ist aber, dass die Seite vor allem unter AfD-Anhänger:innen, Rechten und Rechtsextremen sowie sogenannten „Pädojägern” und deren Fans verbreitet wurde und die Nachrichten somit keinen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung abbilden.

👨‍💻 Der besorgniserregende Trend der selbsternannten „Pädojäger“

Manche „Pädojäger“ schrecken auch vor Gewalt nicht zurück

Besonders viele Zuschriften erreichten uns aus der Szene der sogenannten „Pädojäger“. Das sind Menschen, die sich online als Jugendliche ausgeben und Leute anlocken, die sich ihnen sexuell annähern. Einige dieser „Jäger“ übergeben sie dann der Polizei, andere treffen sie und machen online ein Spektakel daraus, wo sie sich selber als Helden feiern lassen, und wieder andere nutzen die Tatsache, dass ihre Opfer sozial als vogelfrei zählen aus, um selber Straftaten zu begehen, die von Erpressung und Raub bis hin zu kaltblütigem Mord gehen. „Pädojäger“ bauen sich einen moralischen Schutzschild daraus auf, sich selbst als „Kinderschützer“ zu inszenieren. Dahinter sehen sich als unverwundbar - schließlich muss jeder, der sie kritisiert ja gegen Kinderschutz oder gar selber eine Gefahr für Kinder sein - und haben damit überhaupt kein Interesse an einer sachlichen Diskussion, die dieses einfache Schwarz-Weiß-Bild nur ins Wanken bringen kann.

Schlimm ist, wie oft dies tatsächlich zu funktionieren scheint. Diese „Pädojäger“ bekommen viel Zuspruch aus der Bevölkerung und den Medien. Selbst extreme Gewaltverbrechen gegen vermeintliche „Pädophile“ werden in der Berichterstattung verharmlost und als verständlich und nachvollziehbare Reaktion dargestellt. Wenn diese mal kritisiert werden, dann eher aus der Perspektive, dass dadurch polizeiliche Ermittlungen erschwert werden. Dass „Pädophile“ es verdient haben, „gejagt“ zu werden, wird selten grundsätzlich infrage gestellt. Selbst Prof. Klaus Beier, Kopf eines bundesweiten Therapieprogramms, das sich an Pädophile richtet, wusste an den selbsternannten „Pädophilenjägern“ auch nur zu kritisieren, dass durch sie angeblich ohnehin schon zur Kriminalität neigenden Pädophile noch schneller kriminell werden würden. Das alles normalisiert und legitimiert Gewalt und Kriminalität gegen Pädophile. Ausführlich habe ich darüber hier geschrieben.

Pädojäger sind in den USA schon seit Jahren ein Phänomen. Mit diesem Jahr ist dieses Phänomen nun auch entgültig in den europäischen Mainstream angekommen und es sieht nicht so aus, als ob sich in nächster Zukunft ein kritischer Umgang damit in den Medien einstellen wird. Schaut man sich die Entwicklung in anderen Ländern an, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch hier in Deutschland Menschen durch die Hände solcher „Pädojäger“ ums Leben kommen werden.

⏸ Nichts Neues bei Kindersexpuppen und beim ICD-11

Nicht viel passiert ist dieses Jahr hingegen beim Thema Kindersexpuppen. Bemerkenswert ist lediglich eine Studie von 40 von dem Verbot betroffenen Personen, die in der Zeitschrift für Sexualforschung publiziert wurde und zu dem Ergebnis kam, dass unter den Betroffenen psychische Belastungen und problematische Verhaltensweisen nach dem Verbot zugenommen haben. Zu den Verfassungsbeschwerden gegen dieses Verbot gab es dieses Jahr ebenfalls keine Neuigkeiten. Inzwischen sind diese etwa 1,5 Jahre alt. Rein statistisch ist mit einer Entscheidung im nächsten Jahr zu rechnen, allerdings ist dies nicht garantiert, und deutlich längere Verfahrenszeiten sind ebenfalls nicht unüblich.

Ebenso wie die Bearbeitung der Verfassungsbeschwerden stagnierte die Adaption des ICD-11 in Deutschland. Die 11. Version der von der WHO herausgegebenen Diagnosehandbuch ist seit dem 01.01.2022 offiziell verabschiedet und für Pädophile besonders interessant, da dort Pädophilie nicht mehr grundsätzlich als Krankheit zählt. Dies ist unter anderem relevant, weil dadurch potenziell diskriminierende Behandlungen wie im Gesetz zum Schutz vor Konversionstherapien, von dem „Störungen der Sexualpräferenz“ explizit ausgenommen sind, beendet werden könnten, wenn Pädophilie nicht mehr als Störung gewertet wird. In Deutschland ist aber noch der ICD-10 rechtlich bindend, einen Zieltermin für eine Umsetzung der 11. Version gibt es immer noch nicht.

🧑‍⚖ Gesetzesentwicklungen

Nach langen Klagen aus der Justiz und Strafverfolgung hat der Gesetzgeber dieses Jahr endlich die fatalen Strafverschärfungen im Bereich Kinderpornografie, die 2021 von der Großen Koalition beschlossen wurde, zum Teil wieder zurückgenommen. Die Verschärfungen, welche auch kindliche Sexpuppen unter Strafe gestellt haben, hatte zum Teil die Diskriminierung pädophiler Menschen zum Ziel. Nicht mehr schädliches Verhalten, sondern für ekelig erklärte Sexualpräferenzen sollten bestraft werden. Aber auch hinter der erneuten Reduzierung der Mindeststrafen steckten diskriminierende Haltungen, so sollten diese vor allem für Fälle reserviert sein, in denen Pädophilie keine Rolle spielt, während insbesondere für pädophile Täter:innen die Höchststrafen von bis zu 10 Jahren Haft erhalten geblieben sind. Daraus ergibt sich die traurige Erkenntnis, dass es egal zu sein scheint, wer an der Macht sitzt oder in welche Richtung sich die Strafrahmen bewegen, die Idee, dass Pädophile grundsätzlich und vor allem besonders hart bestraft bestraft gehören, scheint sich aus den Köpfen der Entscheidungsträger:innen nicht entfernen zu lassen.

Neben Gesetzesänderungen im Bereich Kinderpornografie gibt es eine ganze Reihe weiterer Gesetzesvorhaben, die zum Teil mit dem Kampf gegen Kinderpornografie motiviert werden, und hinter denen sich oft aber gefährliche Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten verstecken. In Deutschland hat die mehrfach als verfassungswidrig eingestufte Vorratsdatenspeicherung in den letzten Monaten ein hässliches Comeback gemacht. Einen entsprechenden Vorstoß möchte Innenministerin Faeser noch vor den Neuwahlen zur Abstimmung bringen. Hätte sie Erfolg, könnten Internetprovider und Akteure mit schlechten Absichten, die Zugriff auf Datensätze der Provider bekommen voraussichtlich über Monate hinweg nachvollziehen, wer zum Beispiel Online-Selbsthilfeangebote zum Thema Pädophilie besucht hat. Zusammen mit der Zunahme der selbsternannten „Pädojäger“-Gruppen, von denen sich einige als Hacker identifizieren, entsteht damit ein besonders kritisches Bedrohungspotenzial für pädophile Menschen in Deutschland.

Keine bemerkenswerten Entwicklungen gab es wiederum bei der auf EU-Ebene verhandelten Chatkontrolle, und da die Chatkontrolle ebenfalls zahlreiche Gefahren für vulnerable Minderheiten und insbesondere Pädophile enthält ist in dem Fall keine Entwicklung eine gute Entwicklung. Noch immer steckt der Vorschlag im EU-Rat fest und konnte trotz zahlreicher Kompromissvorschläge nicht die notwendige Mehrheit erreichen.

Auf UN-Ebene wurde dieses Jahr wiederum die Cybercrime Convention diskutiert, die eine ganze Reihe neuer Vorgaben für den internationalen Umgang mit Computerkriminalität festlegt. Die Cybercrime Convention wird von zahlreichen Bürgerrechtsorganisationen scharf kritisiert, da sie kaum Schutzmaßnahmen für Menschen- und Grundrechte vorsieht und Staaten ein breites Spektrum an Befugnissen ermöglicht, die vor allem von autoritären Staaten für Menschenrechtsverletzungen benutzt werden können. Im Bereich Kinderpornografie fordert die Convention auch die Kriminalisierung von Fiktivpornografie. Mitgliedsstaaten können zwar optional Fiktivpornografie legal halten, grundsätzlich wird reale Missbrauchsabbildungen und fiktive Kinderpornografie aber gleichgestellt, wodurch die Convention weiter dazu beiträgt, harmlose Alternativen für pädophile Menschen zu kriminalisieren und Menschen, die nach Wegen suchen, mit ihrer Sexualität umzugehen, ohne anderen zu schaden, als Schwerkriminelle zu brandmarken. Gleichzeitig eröffnet die Convention weitere Möglichkeiten, um Konsument:innen von Fiktivpornografie international zu verfolgen und zu überwachen. Die Convention wurde im August einstimmig in einer Ad-hoc Abstimmung angenomme. Eine finale Abstimmung war ursprünglich für den 17.12 geplant, wurde aber kurzfristig verschoben. Es wird erwartet, dass der Vertrag angenommen wird und damit schon im nächsten Jahr geltendes Recht wird.

📖 Persönliches Fokusthema: Die Geschichte der Pädophilenbewegungen

Exponate der Ausstellung des SMU
Seit dem Besuch einer Ausstellung des SMU zu Pro-C Netzwerken fasziniert mich das Thema der historischen Pädophilenbewegungen. Seit einiger Zeit recherchiere ich ziemlich viel zu dem Thema, und finde oft erstaunliches. Sobald man sich mit offenen Augen in Literatur aus den 70er und 80er Jahren einliest, findet man die Ansicht, dass sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern oder Jugendlichen nicht nur nichts schädlich, sondern sogar positiv sein könnten, wirklich überall: bei politischen Parteien wie den Grünen und der FDP, bei der humanistischen Union, pro familia und dem Kinderschutzbund, in alternativen Zeitschriften der schwulen Szene, in wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Bändern und sogar Erziehungsratgebern. Aus heutiger Sicht, in der es zunehmend unmöglich wird als Pädophiler Gehör zu finden, selbst wenn man ausdrücklich nicht das Ziel verfolgt, Sex mit Kindern zu legalisieren, wirkt das schwer vorstellbar. Das Pendel der Geschichte scheint von dem einen Extrem zu einem anderen umgeschlagen zu sein.

Auch gesamtgesellschaftlich ist das Thema der „Aufarbeitung“ relevant geblieben und wird es vermutlich auch weiterhin bleiben. Neben der Ausstellung des SMU war vor allem der Name Helmut Kentler präsent, der Sexualwissenschaftler, der mit behördlicher Segnung Jugendliche aus Heimen an verurteilte Sexualstraftäter vermittelte. Anfang des Jahres starteten wir auf Wir sind auch Menschen die Aktion #WirSindNichtKentler, um dagegen zu protestieren, dass die Ansichten Kentlers pauschal allen Pädophilen unterstellt werden. Der Erfolg war eher beschränkt, erst vor wenigen Wochen erschien unter dem Reizwort „Pädophilie“ eine neue Studie zur „Aufarbeitung“ des Einflusses Kentler, obwohl der Autor selber feststellt, dass das, wovon er schreibt, nicht viel mit Pädophilie zu tun hat. Deshalb schreibe ich auch bewusst von „Aufklärung“ in Anführungszeichen, denn es scheint mir so, als gehe es oft mehr um öffentlichkeitswirksame Schuldzuweisungen und Skandalisierungen als um das ernsthafte Bemühen um einen Erkenntnisgewinn. Auch das SMU hat das Ausmaß der Verbindung zwischen der Schwulenszene und den Pro-Contact-Aktivisten und ihr eigenes Verschweigen dieser Verbindungen eher verharmlost und versuchte stattdessen, sich als Opfer manipulativer Pädophiler zu inszenieren.

Die Geschichte der Pädophilenbewegungen ist überwiegend eine Geschichte der Pro-Contact Szene und ihrer Bemühungen, sexuelle Kontakte zu Kindern zu legalisieren. Dennoch war ich erfreut zu erfahren, dass es auch schon in den pädophilen Vereinigungen der 80er so etwas wie historische Vorgänger der Anti-Cs gegeben hat. Die Selbstreflexion dieser frühen Anti-Cs soll zum Zerbrechen der DSAP mit beigetragen haben, was die einflussreichste Pro-C Organisation und vermutlich der mächtigste Dachverband pädophiler Menschen war, der in Deutschland je existiert hat (Von »Knabenliebhabern« und »Power-Pädos«, S. 152).

Die Geschichte ist voll mit derart interessanten, erstaunlichen und teils erschreckenden Fakten, die heute fast vergessen sind (oder bewusst vergessen werden), und ich habe immer noch kaum mehr als an der Oberfläche gekratzt. Im nächsten Jahr wird es zu dem Thema definitiv mehr von mir zu hören geben.

🐶 No Dogs Allowed

Carlo Krammling als Gabo in „No Dogs Allowed“. © ZDF / Manuel Meinhardt
Neben all den trüben und problematischen Entwicklungen dieses Jahr gibt es zumindest eine gute Sache, von der dieses Jahr berichtet werden kann. Mit No Dogs Allowed ist endlich mal ein Spielfilm erschienen, der sich respektvoll und einfühlsam mit dem Thema Pädophilie beschäftigt. Insbesondere nach der großen Enttäuschung des Dramas Kopfplatzen war No Dogs Allowed zwar kein perfektes, aber ein alles in allem sehr erfreuliches und erfreuliches Porträt eines pädophilen Charakters. Detaillierter habe ich meine Gedanken zu dem Film hier aufgeschrieben.

Spannend ist an Filmen wie No Dogs Allowed das Potenzial, das solche Werke haben, um neue Perspektiven auf das Thema Pädophilie zu eröffnen, gesellschaftliche Diskussionen auszulösen und die öffentliche Debatte über Pädophilie zu beeinflussen. In den letzten Wochen habe ich daher besonders Ausschau gehalten nach Reviews und Besprechungen des Films. Leider wird der Film vom ZDF ziemlich stiefmütterlich behandelt, kaum beworben und im Nachtprogramm versteckt, weshalb er gerade im Vergleich mit dem deutlich schlechteren Film Kopfplatzen bisher kaum Beachtung gefunden hat. Eine genauere Analyse, wie der Film in der Öffentlichkeit aufgenommen wurde, folgt demnächst hier auf dem Blog.

⚠ Vorsicht vor der ePA

Zum Abschluss noch ein wichtiger Hinweis. Anfang nächsten Jahres soll sie deutschlandweit kommen: die elektronische Patientenakte (ePA). Geplant ab dem 15.02. (und in einzelnen Modellregionen schon am 15.01.) wird jede:r gesetzlich Versicherte automatisch eine elektronische Akte bekommen, in der fortan Diagnosen, Behandlungen und andere medizinische Daten gesammelt werden. Diese Akte wird zentralisiert gespeichert und die Daten auch der Forschung zur Verfügung gestellt.

Für Pädophile ergeben sich mit der ePA einige Risiken, so kann insbesondere Pädophilie als Diagnose nach dem ICD-10 in der Akte landen. Daraus folgen Diskriminierungs- und Stigmatisierungsrisiken, insbesondere bei unbefugtem Zugriff auf das ePA-System. Sicherheitsforscher:innen konnten durch Ausnutzen teils eklatanter Sicherheitslücken in der Vergangenheit theoretisch bereits mehrfach unbefugten Zugriff auf fremde ePAs erlangen.

Die gute Nachricht: gegen die ePA kann Widerspruch eingelegt werden. Vor allem pädophile Menschen, die gerade aktiv in psychotherapeutischer Behandlung sind, sollten diese Option in Betracht ziehen.

🚀 Held des Jahres

Die letzten Worte dieses Jahres möchte ich einer Danksagung widmen. Wie bereits erwähnt, haben wir über Wir sind auch Menschen dieses Jahr eine noch nie zuvor erlebte Welle an Hass erfahren. Auch, wenn uns das nicht kaltgelassen hat, ist es eine Sache, wenn Drohungen und Hassbotschaften über elektronische Postfächer empfangen werden und sich gegen Internet-Pseudonyme richtet. Georg von Schicksal und Herausforderung e. V., der sich schon seit Jahren als Ansprechpartner für unsere Impressen zur Verfügung stellt und uns damit einen rechtssicheren Betrieb unserer Webseiten überhaupt erst ermöglicht, hatte diesen Luxus nicht. Die Drohungen, die eigentlich an uns als inhaltliche Gestalter der Webseite gerichtet waren, erreichten ihn direkt über das Haustelefon. Als einziger Anti-C Pädophiler, der in Deutschland mit Echtnamen öffentlich bekannt ist, ist er ein leichtes Ziel für die zahlreichen Menschen, die ihren aufgestauten Frust an jemanden auslassen wollen, der nur wenig Sympathie und Solidarität erwarten kann. Dass er trotz all dem nach all den Jahren (und immer noch als Einziger) sich unermüdlich als öffentliches Gesicht der Anti-C Pädophilenszene hinstellt und für Aufklärung wirbt, ist ein Zeugnis seines Mutes und Durchhaltevermögen selbst in Angesicht wenig rosiger Chancen.

Georgs Aktivismus beschränkt sich nicht nur auf passive Eintragungen in Impressen und Vereinsregistern. Anfang des Jahres beschwerte er sich bei einer Lokalzeitung über stigmatisierende Berichterstattung, verteilte Flyer von Wir sind auch Menschen auf einer Veranstaltung für Toleranz in Enger und wollte dies auch auf einem Straßenfest in Spenge tun. In beiden Fallen wurde er abgewiesen, laut Bürgermeister Bernd Dumcke sei das „sehr, sehr schwere Thema“ für den Durchschnittsbürger „tendenziell nicht vermittelbar“. Hier schließt sich der Kreis zu den Verleumdungen der AfD. Das  Jahr 2024 scheint unter dem Motto einer Gesellschaft zu stehen, die sich immer stärker gegen Aufklärung wehrt und versucht, Betroffene, die nicht in das Schema üblicher Vorurteile passen, unsichtbar zu machen und notfalls auch mit (digitaler) Gewalt zum Schweigen zu bringen.

Umso wichtiger ist es, sich nicht einschüchtern zu lassen, sichtbar zu bleiben und Leuchtfeuer im Dunkeln der Verleumdungen und Desinformationen zu bilden, deren Licht all denjenigen die falschen Vorurteile und Lügen offenbaren kann, die noch bereit zu sehen und zuzuhören. In dem Sinne möchte ich abschließend einen großen Dank an Georg für seinen Einsatz zur Aufklärung und Entstigmatisierung aussprechen, einem der hellsten Leuchtfeuer, ohne den Projekte wie Wir sind auch Menschen und auch Kinder im Herzen so nicht möglich wären.

It's hard but you know it's worth the fight
'Cause you know you've got the truth on your side
When the accusations fly, hold tight
Don't be afraid of what they'll say
Who cares what cowards think, anyway
They will understand one day, one day

Yann Tiersen - Les Jours Tristes (YouTube-Link)