Willst du einen Menschen zerstören
Dann sag ihm, dass er nicht sein darf
Verurteile ihn für jeden seiner Atemzüge
Für die freche Widerspenstigkeit seines Herzschlags
Lass ihn spüren, dass der Puls in seinen Adern
Dich quält wie die Schläge eines Folterhammers
Zeig ihm, dass sein Leben ein Affront gegen jede Moral ist
Eine Blasphemie gegen die Natur, eine eiternde Wunde der Evolution
Dann lass ihn um sein Recht zu existieren betteln
Gewähr' es ihm wenn, dann nur widerwillig
Und du kannst vielleicht einen Menschen zerstören

Willst du einen Menschen zerstören
Dann erklär' ihm, dass er anders ist
Nicht tolerierbar, nicht akzeptierbar, böse und falsch
Bewirf' ihn mit giftigen Worten, die sich in sein Bewusstsein bohren
Krank, gestört, widerlich, abartig, gefährlich
Gib ihm keine Chance und keine Gnade
Keine Zukunft, keine Hoffnung
Und zeig ihm, dass er alleine ist
Dass niemand vor ihm je dort stand, wo er jetzt steht
Reich ihm nie die freundschaftliche Hand
Sondern schick ihn fort, zurück in den eisigen Sturm
Dann gib denen einen Platz an deinem Feuer, die ihn jagen wollen
Und du kannst vielleicht einen Menschen zerstören

Willst du einen Menschen zerstören
Dann verlange Verständnis von ihm
Verständnis für diejenigen, die ihn mit bellenden Hunden vertreiben
Denn sie wissen nicht, was sie tun
Verständnis für diejenigen, die hasserfüllt den Mob gegen ihn aufwiegeln
Denn sie haben es nie anders gelernt
Verständnis für diejenigen, die ihn bespucken und beschimpfen
Denn sie können ihre Gefühle nicht beherrschen
Verständnis für diejenigen, die ihn mit Steinen bewerfen
Denn sie brauchen das, um ihre Gemeinschaft zu stärken
Dann verwehre ihm jedes Verständnis, sollte er sich zu wehren wagen
Und du kannst vielleicht einen Menschen zerstören

Willst du einen Menschen zerstören
Dann erzähle ihm von seiner Schuld
Seiner Schuld dafür, Träume zu haben – weil sie dich schockieren
Seiner Schuld dafür, Gedanken zu haben – weil sie dich ekeln
Seiner Schuld dafür, Gefühle zu haben – weil du sie nicht verstehst
Seiner Schuld dafür, Schönheit zu sehen – weil sie unaussprechlich für dich ist
Seiner Schuld dafür, einen Platz in Raum und Zeit zu beanspruchen.
Dann zeig ihm den Weg in den tiefen, düstren See der Scham
Für jedes Neuron in seinem Kopf, für jede Regung in seinem Herzen
Und du kannst vielleicht einen Menschen zerstören

Willst du einen Menschen zerstören
Dann darfst du aber nicht alleine sein
Alleine ist deine Stimme nur ein Wirbel heißer Luft
Nein, du brauchst einen Chor, tausend Stimmen stark
Alle das gleiche Lied singend
Auf den Straßen und Plätzen und von den Dächern der Stadt
In dem Haus, in dem er aufwächst
In dem Haus, in dem er zu Gast ist
In dem Haus, in dem er sein Leben aufbauen will
Mit schreienden Buchstaben, von Zeitungsständen um Aufmerksamkeit buhlend
Mit eindringlichen Stimmen, aus knisternden Lautsprechern ertönend
Und hektischen Zeilen, flickernd auf bunten Fernsehbildschirmen erstrahlend
Lass ihn diesen Choral hören, mächtig und laut, pausenlos, ohne Entkommen
Der Wissenschaftler muss ihn singen, mit ernster Miene
Genauso wie der Politiker, mit erhobener Faust
Oder sein Nachbar, mit wutverzerrter Fratze
Und selbst sein engster Freund, in giftiger Dissonanz
Dann lass deine Stimme erklingen wie alle and'ren, in perfekter Harmonie
Und du kannst vielleicht einen Menschen zerstören

Willst du einen Menschen zerstören
Dann musst du ihn nur dazu bringen, eine einfache Botschaft zu glauben:
Dass die Welt ohne ihn ein besserer Ort wäre
Und zusehen, wie sich dieser Gedanke durch sein Bewusstsein ätzt wie Säure
Doch lass mich dich warnen, mein Freund
Die Würde des Menschen ist unantastbar
Du magst so einen Menschen zerstören
Doch du kannst ihm nicht seine Menschlichkeit nehmen
Sondern nur deine eigene verlieren