Es ist wieder Sonntag, und eine weitere Woche endet im nieselig-trüben Herbstwetter. Auch diese Woche über habe ich Fundstücke zum Thema Pädophilie in meiner Kiste gesammelt, die ich hier nun auspacken und kommentieren möchte. Diese Woche geht es unter anderem um einen hebephilen Charakter in der Lindenstraße, einer Kontroverse um den verurteilten Missbrauchstäter und Rocksänger Gary Glitter, und diversen weiteren Artikeln, die das Wort "Pädophil" benutzt haben.

1. Hebephilie in der Lindenstraße

Die Serie Lindenstraße beschäftigt sich seit der Folge 1732 mit dem Thema Pädophilie in Form eines Charakters, der bei sich Neigungen zu "jungen Mädchen" (Alter 10-13) entdeckt und nach langen ringen den Weg in die Therapie findet, um "zu lernen, kein Täter zu werden". Ich habe mir die Folgen angesehen und bin insgesamt ziemlich zufrieden mit damit, wie die Serie das Thema angegangen ist – vor allem, wenn man bedenkt, dass es sich bei der Lindenstraße eher um seichte Unterhaltung handelt. Konstantin (der hebephile Mann, um den es geht) wird als äußerst sympathisch und recht "durchschnittlich" dargestellt, und seine Hebephilie macht ihn nicht zum Monster, sondern zu einer "geplaten Seele" (siehe dazu auch den Blogbeitrag von mir zum Thema Pädophile Stereotypen). Lediglich eine Szene, in welcher der Charakter mit einem jungen Mädchen, in welches er sich verliebt hat im Fahrstuhl feststeckt, und er daraufhin Zittern und Angstschweiß bekommt finde ich ziemlich übertrieben; jedenfalls kann ich nicht sagen, dass ich je in der Nähe eines Mädchens, das ich attraktiv fand derart reagiert hätte. 

Enttäuscht bin ich eher ein wenig von KTW, die an der Gestaltung der Folgen beratend beteiligt waren. Die Geschichte des Charakters ist in vielerlei Hinsicht schon sehr stereotypisch: er merkt, dass er das Mädchen begehrt (unterlegt mit ominös-bedrohlicher Musik), ist daraufhin innerlich zerrissen und hadert mit sich selber, findet aber schließlich den Weg zur Organisation "Pädo-Prev", die ihm helfen mit seiner gefährlichen Neigung umzugehen. Das Ganze ist mit entsprechender symbolischer Bildsprache unterlegt: während er im defekten Fahrstuhl mit dem Mädchen noch im Halbdunkel (kurz vorm Absturz) sitzt, strahlt ihm ein helles Licht entgegen als er das Büro des Therapeuten entgegen, als ob ihm dort die Erlösung erwarten würde. Die Therapie als notwendiges Allheilmittel, die den vom Trieb Geplaten endlich die Erlösung verspricht? Beim Angucken der Folgen kam bei mir stellenweise schon der Eindruck, es mit einem Werbefilm von KTW zu tun zu haben, und ich hätte mir gewünscht wenn die Produzenten nicht nur mit KTW, sondern auch mit tatsächlich pädo- und hebephilen Menschen geredet hätten um ein umfassenderes Bild zu bekommen. An SuH ist jedoch keine Anfrage diesbezüglich gekommen.

Ein wenig irritiert bin ich auch von der Mitteilung auf der Seite von KTW. "Das Ergebnis ist eine differenzierte und glaubwürdige Darstellung der Pädophilie" steht dort geschrieben – dabei fühlt sich der Charakter ausdrücklich nicht zu vorpubertären Mädchen hingezogen, sondern nur zu Mädchen zu Anbeginn der Pubertät. Es handelt sich also um eine Darstellung von Hebephilie, und nicht von Pädophilie, trotzdem wird sowohl in der Meldung als auch in den Folgen der Eindruck erweckt, dass Konstantin sich mit einer pädophilen Neigung herumschlagen muss. Das ist vielleicht Wortklauberei, von KTW hätte ich an der Stelle aber doch irgendwie mehr begriffliche Präzision erwartet. 

2. "Joker"-Film: viel Wirbel um nichts

Ein Thema, das diese Woche immer wieder durch die Medien ging war eine Kontroverse um den kürzlich in die Kinos gekommenen Joker-Film. Eine Szene des Films verwendet ein Lied des wegen Kindesmissbrauchs und Kinderpornographie verurteilten Glam-Rocksängers Gary Glitter. Die Befürchtung vieler Kinogänger ist jetzt, dass Glitter (der aktuell eine 16-jährige Haftstrafe absitzt) durch den Film ein Vermögen verdient und sie durch den Kauf von Kinotickets also "Pädophilie unterstützen". "Joker" beschert Pädophilem Geldsegen titelt etwa N-TV, und auch die BILD hat einen Artikel dazu veröffentlicht. 

Auch wenn in vielen (vor allem englischsprachigen) Artikeln Glitter als Pädophiler bezeichnet wird, habe ich interessanterweise nirgendswo eine Quelle gefunden die bestätigt, dass bei ihm tatsächlich eine pädophile Neigung diagnostiziert wurde. Die BILD verhält sich in der Hinsicht tatsächlich überraschenderweise vorbildhaft, indem sie darauf verzichtet Glitter als Pädophilen zu bezeichnen – auch wenn die von ihnen stattdessen genutzte Bezeichnung "Kinderschänder" leider auch nicht wirklich besser ist. 

Ich kann durchaus nachvollziehen, dass man Bauchschmerzen verspürt wenn es um künstlerische Werke von Menschen geht, bei denen sich herausstellt dass sie abscheuliche Verbrechen begangen haben. Im Fall der Nutzung von Glitters Lied im Joker-Film scheint aber ein Großteil der Aufregung unnötig zu sein, da nach Aussage der Produzenten Glitter die Rechte an dem Lied schon lange verkauft hat, und damit keinen Cent an der Nutzung des Liedes in dem Film verdient. 

3. Pädophilie kurieren?

Eine südtiroler Nachrichtenseite berichtet über einen Reitlehrer, der wegen Missbrauchs einer 15-jährigen verurteilt wurde. Dieser Bericht erwähnt auch das Thema Pädophilie in folgender Passage (Hervorhebung von mir):

Laut seinen Angaben muss der frühere Springreit-Profi zumindest auf dem Papier ein Jahr hinter Gittern verbringen. Begleitet von einer psychiatrischen Therapie, um die mit dem Urteil festgestellte Pädophilie des Verurteilten zu kurieren.

Diese Formulierung finde ich interessant. Spontan stellen sich mir dazu zwei Fragen: 

  1. Was hat eine möglicherweise vorhandene pädophile Neigung bei dem Täter mit dem Missbrauch einer (vermutlich sich schon längst in der Pubertät befindenden) 15-jährigen zu tun?
  2. Wie genau soll diese pädophile Neigung "kuriert" werden?

Vor allem auf die zweite Frage würde ich sehr gerne eine Antwort wissen.

4. Ein pädophiler Prozess gegen einen Pädophilen, der pädophile Pädophilie begangen hat

Nagut, die Überschrift ist ein wenig übertrieben. Dennoch finde ich es auffällig, wie oft in dem kurzen BILD-Bericht über die versuchte sexuelle Nötigung eines KiTa-Angestellten betont wird, dass es sich um einen "pädophilen Angeklagten" / "pädophil veranlagten Mann" / "pädophilen KiTa-Praktikanten" handelt.

Dem Artikel zu Folge wurde der Angeklagte von einem Gutachter als extreme Gefahr eingestuft. Durch die wiederholte Betonung seiner pädophilen Neigung könnte beim Leser der Eindruck entstehen, dass seine Neigung der Grund dafür ist – und in Folge davon, dass eine pädophile Neigung jemanden grundsätzlich zur Gefahr macht, was ohnehin schon eine weit verbreitete Meinung ist. Zwar stimmt es, dass die Rückfallgefahr bei pädophilen Missbrauchstätern gegenüber nicht-pädophilen Missbrauchstätern erhöht ist, aber dennoch ist es falsch daraus den Schluss zu ziehen, dass Pädophilie alleine grundsätzlich zur Gefahr macht. Gerade bei einem derart extremen Delikt wie der sexuellen Nötigung unter Vorhaltung einer Luftdruckpistole kann man wohl davon ausgehen, dass es der Angeklagte weitere psychische Probleme hat, die der eigentliche Grund dafür sind, dass er als Gefahr eingestuft wird. Diese meiner Ansicht nach sehr wichtige Differenzierung geht in Artikeln wie diesen leider immer wieder verloren.

5. Mögst du ewig jung bleiben…

Auch diese Woche möchte ich wieder mit einem musikalischen Beitrag abschließen. Diesmal mit dem Lied Forever Young des großen Songwriters Bob Dylan. Das Lied beschreibt die Gefühle und Wünsche eines Elternteils für dessen Kind ("Möge immer Freude in deinen Herzen sein / Möge dein Lied immer gesungen werden / Und mögest du für immer jung bleiben"), aber es passt auch ziemlich gut auf die Gefühle und Wünsche, die ich bezüglich Kindern empfinde.

Wäre es nicht schön, wenn Kinder tatsächlich ewig jung bleiben könnten? …

In dem Sinne wünsche ich euch einen schönen restlichen Sonntag und einen guten Start in die nächste Woche!