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No Dogs Allowed: Ein Blick auf die Rezensionen

Von Sirius

Vor gut zwei Monaten feierte der Film No Dogs Allowed Premiere, seit langem der erste Film mit einem pädophilen Protagonisten, der differenziert und respektvoll mit dem Thema Pädophilie umgeht. Meine Meinung zu dem Film habe ich hier aufgeschrieben. Spannender ist aber vielleicht die Frage, was andere von dem Film halten und wie er vom Publikum aufgenommen wurde. Zumindest qualitativ hat der Film Publikum und Kritiker:innen überzeugt, auf zwei Filmfestivals hat er wichtige Preise gewonnen und ist auf der Internet Movie Database aktuell mit 7,7/10 Punkten bewertet.1 Spannender als die rein qualitative Bewertung des Films finde ich jedoch die Frage, wie das Publikum mit den Themen des Werks umgegangen ist und was für Botschaften Zuschauer:innen aus dem Film für sich mitgenommen haben. Konnte der Film nennenswerte Diskussionen über Pädophilie ausgelösen, und wenn ja, in welche Richtung sind diese gegangen?

Um dies herauszufinden, habe ich nach online nach Rezensionen und Kommentaren gesucht und Themen analysiert, die in den Interpretationen des Werkes immer wieder genannt wurden. Besonders einfach war es dabei nicht, überhaupt Filmbesprechungen zu finden. Obwohl der Film zweimal preisgekrönt wurde, ist er vom ZDF sehr stiefmütterlich behandelt worden, ohne große Werbung tief in der Mediathek versteckt und zusätzlich mit einer Alterskontrolle nur nachts überhaupt zugänglich gemacht worden. Es wirkt so, als ob sich das ZDF für den Film schämt oder Angst vor möglichen Reaktionen hat, sollte er eine zu große Öffentlichkeit erreichen. Dies dürfte jedenfalls dazu geführt haben, dass überhaupt nur wenige Menschen auf den Film gestoßen sind, und es entsprechend auch nur sehr wenige Kommentare dazu gibt.

Ein paar Rezensionen lassen sich dennoch finden, und daraus haben sich tatsächlich einige wiederkehrende Interpretationen und Ansichten finden lassen. Im Folgenden seien diese einmal vorgestellt.

Interpretation #1: Die besondere Vulnerabilität pädophiler Jugendlicher

Einen der Aspekte, die No Dogs Allowed in meinen Augen so besonders machen, ist, dass es nicht um einen Erwachsenen geht, der damit kämpft nicht zum Täter zu werden, sondern um einen Jugendlichen, der ganz konkret zum Opfer wird. Damit wirft der Bild ein Schlaglicht auf eine Bevölkerungsgruppe, die sonst fast überhaupt keine mediale Representation hat, und zeigt deren große Vulnerabilität.

Dieser Aspekt ist insbesondere in der Filmbesprechungen von Schicksal und Herausforderung und in meiner eigenen besonders stark gewichtet worden. So schreibt Markus bei Schicksal und Herausforderung: „Dieser Film zeigt eindrücklich, welche Gefahr darin besteht, wenn ein Jugendlicher aus einer Not heraus in dieser Stigmatisierung der Pädophilie in dieser Gesellschaft an einen Missbrauchstäter gerät.“ Es wird wohl kaum einen pädophilen Menschen geben, der in der Jugend nicht unter der Konfrontation mit dem gesellschaftlichen Stigma gelitten hat und die ein oder andere Narbe aus dieser Zeit davongetragen hat. Daher ist es wenig verwunderlich, dass wir als Pädophile diese Aspekte besonders stark wahrnehmen, und es ist ein Zeichen der Stärke und des Realismus des Films, dass als Betroffene das Einfühlen in den Film und die Identifikation mit dem Protagonisten Gabo so einfach möglich ist. Aber auch ein Teaser des Films, der auf der Webseite von Kein Täter Werden veröffentlicht wurde, betonte die „besondere Vulnerabilität junger Menschen in dieser Situation“.2

Außerhalb der Blase, die sich ohnehin schon mit dem Thema Pädophilie jeden Tag beschäftigt, konnte ich allerdings nur einen einzigen Kommentar finden, der diesen Aspekt ebenfalls gesehen und hervorgehoben hat. Der Kommentar von Janick Nolting auf digitalfernsehn.de erkennt die schwierige Situation pädophiler Jugendlicher ebenfalls und beschreibt Gabo als „der Jugendliche, der gerade selbst mit seiner Identität kämpft, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht, wie er seine Zukunft planen soll.“

Alle weiteren Interpretationen des Films haben leider eine deutlich verurteilende Haltung.

Interpretation #2: Gabo als potenzieller oder tatsächlicher Täter

Es ist typisch für die allermeisten Diskussionen des Themas Pädophilie, dass Pädophile grundsätzlich als Täter dargestellt werden. Entweder, indem ihnen pauschal unterstellt wird, Taten begangen zu haben, oder indem sie als potenzielle Täter dargestellt werden – es also nur eine Frage der Zeit oder der „richtigen“ Situation ist, bis ein pädophiler Mensch zum Täter wird. Auch in vielen Kommentaren zu No Dogs Allowed lässt sich diese Ansicht wiederfinden.

„Der potenzielle Täter wird zum Opfer“, heißt es zum Beispiel in der Rezension von Thomas Gehringer für Titelbach.tv, der es außerdem für lobenswert hält, dass der Film Pädophilie nicht „verharmlosen“ würde. Anlässlich des Tallinn Filmfestivals, wo der Film mit dem Preis für den besten Featurefilm ausgezeichnet wurde, schrieb Earl Peterson für das englischsprachige Medium Journey Into Cinema, dass Gabo lediglich noch kein Täter sei, er aber sehr wahrscheinlich Missbrauch irgendwann begehen wird, zumindest wenn er sich nicht in Therapie begibt. Nicht nur zum potenziellen, sondern sogar zum tatsächlichen Täter wiederum wird Gabo in der Rezension von Oliver Armknecht auf film-rezensionen.de. Dabei erkennt der Autor sogar an, dass Gabo seiner „Neigung“ eben nicht nachgeht, beschreibt diese aber dennoch als „Krankheit“, bei der Menschen „Opfer und Täter zugleich sein können“, und Gabo folglich als jemanden, der „Opfer und Täter zugleich“ ist. Scheinbar sind für den Autor pädophile Menschen also immer automatisch Täter, auch dann, wenn sie gar keine Übergriffe begehen? Auch in einem Interview mit Regisseur Steve Bache für die international cinephile society wird Gabo als „komplexer Protagonist“ bezeichnet, der „Opfer und Täter zugleich ist“. Enttäuschenderweise widerspricht Bache dieser Darstellung nicht. Und auf cineuropa sieht Davide Abbatescianni in No Dogs Allowed gar Ähnlichkeiten zu einem Film über Marc Dutroux, und vergleicht damit Gabo mit einem Massenmörder und -Vergewaltiger, der darüber hinaus gar nicht pädophil ist.

Das ist hier besonders enttäuschend, da Gabo eindeutig kein Täter ist. Er ist Opfer. Rezensionen, die von Gabo als Täter sprechen, sind schlicht und ergreifend falsch. Gabos intimste Fantasien werden am Schluss des Films gegenüber einer Polizeibeamtin offengelegt, die ihn nach Hause gehen lässt, weil er eben kein Täter ist und sich nicht strafbar gemacht hat. Ausdrücklicher hätte der Film diesen Punkt kaum darstellen können. Und auch die Kommentare, die sich auf Gabo als potenziellen Täter fokussieren, verlieren aus den Augen, dass er der einzige ist, der in dem Film sexuelle Übergriffe erlebt. Gegen Ende des Films stellt Gabo der Polizeibeamtin, und damit stellvertretend auch den Zuschauer:innen die Frage, was er tun soll um zu beweisen, dass er kein Täter ist. Die Reaktionen zeigen, dass es für viele Menschen tatsächlich nichts gibt, was er, was wir tun können.

Interpretation #3: Die Wichtigkeit von Prävention

Genauso wie das Thema Pädophilie immer zusammen mit dem Thema Kindesmissbrauch diskutiert wird, obwohl es sich dabei um eigentlich um sehr verschiedene Dinge handelt, so darf auch das Wort „Prävention“ in keiner Debatte zu dem Thema fehlen. Prävention ist eine scheinbare Wohlfühl-Antwort für Menschen, die das Thema Pädophilie nicht von Missbrauch trennen können und die Gesellschaft vor den Pädophilen schützen wollen (obwohl erwiesenermaßen die meisten Täter:innen von sexualisierten Gewalt gegen Kinder gar nicht pädophil sind), die sich aber gleichzeitig noch ein Grundmaß an Empathie und Ethik bewahrt haben. Was also tun, wenn man in Pädophilen pauschal eine Gefahr sieht und die Gesellschaft vor ihnen „schützen“ möchte, aber gleichzeitig erkennt, dass Segregation, Präventivhaft und Gewalt gegen Menschen für eine Sexualität, für die sie nichts können, grausam und unmoralisch wäre? Genau, man verweist auf Prävention und Therapie als pauschale Antwort auf die „Problematik“ der Pädophilie, was scheinbar humaner als die anderen Alternativen ist, und gleichzeitig den Blick auf Pädophile als potenzielle Täter:innen aufgibt. Es ist daher absolut nicht überraschend, dass in Kommentaren und Debatten des Films auch viel über Prävention gesprochen wird. Schon Regisseur Steve Bach bewarb den Film der Presse gegenüber damit, dass er ein „ganz klare[s] Plädoyer zu mehr Prävention“ sei.

Spannend ist, dass der Film dabei grundsätzlich eine Diskussion von Prävention aus zwei Perspektiven zulässt. Einmal mit Blick darauf, dass Gabo als besonders vulnerabler Mensch (Interpretation #1) Betroffener von sexuellen Übergriffen wurde. Unter dieser Perspektive würde man fragen: Wie können Menschen in der Situation von Gabo – pädophile Jugendliche – vor derartigen Übergriffen geschützt werden? Oder vielleicht sogar: Wie kann die Gesellschaft pädophile Menschen, insbesondere junge pädophile Menschen, besser schützen? Die andere Perspektive fokussiert sich mit Gabo auf jemanden, der vermeintlich aufgrund seiner sexuellen Wünsche besonders zu Sexualstraftaten neigt. Diese Perspektive fragt also: Wie kann verhindert werden, dass Gabo zum Täter wird? Dies ist am Ende nur das logische Weiterdenken der Interpretation, die in Gabo vor allem einen potenziellen oder tatsächlichen Täter sieht (Interpretation #2).

Letztere Perspektive nimmt etwa Fabian Schäfer ein, der auf queer.de die Wichtigkeit von Prävention betont. Dies sei „der einzige Weg, Kinder zu schützen“, da gesellschaftliche Segregation nicht möglich sei und man Pädophile eben nicht von Kindern fern halten könne wie Hunde von Spielplätzen. Es bleibt dabei unklar, ob der Autor Segregation aus Prinzip ablehnt, oder lediglich, weil dies realistisch nicht umzusetzen ist. Auch das Review von Earl Peterson sieht in einer präventiven Therapie die einzige Chance, die Gabo habe, um seinem vermeintlich unausweichlichen Schicksal als Missbrauchstäter zu entgehen. Wenig überraschend schlägt Kein Täter Werden als größter Anbieter solcher präventiven Therapien in eine ähnliche Kerbe und interpretiert die Geschichte als Darstellung der „Isolation und inneren Konflikte, die entstehen können, wenn Betroffene keine professionelle
Unterstützung suchen oder finden,“ anders gesagt, als Werbung dafür warum Menschen unbedingt zu Angeboten wie Kein Täter Werden gehen sollen.

Fast könnte man da vergessen, dass es nicht die Abwesenheit von Therapien ist, die Gabos Leidensdruck auslöst, sondern die gesellschaftliche Stigmatisierung des Themas und der daraus folgende Mangel an Bezugspersonen, denen gegenüber er völlig offen sein kann. Eine Therapie kann eine persönliche offene Freundschaft nicht ersetzen.

Interpretation #4: Verharmlosung von Pädophilie

Wenn ein Kunstwerk einen pädophilen Charakter nicht als geschickten Manipulator, moralloses Monster oder als widerlichen Perversling darstellt, sondern als tatsächlich menschliches Wesen mit einem intakten moralischen Kompass, werden nicht selten von Kritiker:innen Vorwürfe der „Verharmlosung von Pädophilie“ erhoben. Beiträge zur öffentlichen Diskussion, die zu sehr mit Pädophilen zu sympathisieren scheinen, werden mit diesen Vorwürfen teils erfolgreich unterdrückt und aus der Öffentlichkeit gelöscht.

No Dogs Allowed blieb von diesen Vorwürfen weitestgehend verschont, aber nicht völlig. Im Gegensatz zu anderen Kritiker:innen kritisierte Lida Bach von Moviebreak den Film nicht nur, sondern sprach ihm sogar seine Existenzberechtigung ab, da er „zu viel Empathie für Pädophile“ wecken würde. Diese Aussage ist besonders vor dem Hintergrund verstörend, dass der Film zum Großteil eine reale Geschichte nacherzählt. Hier wird also lieber ein ausnahmsweise realistisches Porträt eines pädophilen Menschen problematisiert, als die eigenen Vorurteile zu hinterfragen oder das Gefühl der erwachenden Empathie einfach mal zuzulassen. Problematisiert werden von Bach auch die Szenen, die sexuelle Übergriffe durch Dave an Gabo zeigen, da diese „denen“ (also Pädophilen) angeblich „in die Hand spielt“. Scheinbar ist Frau Bach der Ansicht, dass Pädophile von Szenen sexueller Gewalt an 15-jährigen Jugendlichen, die von erwachsenen Schauspielern gespielt werden, angesprochen werden. Ich würde der Autorin an dieser Stelle einen Blick in den Duden empfehlen, befürchte aber, dass dies vergebene Mühe wäre und empfehle stattdessen in der Zukunft die Finger von Themen zu lassen, die sie, wie sie selber zugibt, „nicht verstehen können will.“

Auch in extremeren Kreisen ist der Film nicht gut weggekommen. In Communitys selbsternannter „Pädojäger“ wurde der Film dafür kritisiert, dass er angeblich Kindesmissbrauch fördern wurde. Dabei macht es nur Sinn, dass „Pädojäger“ etwas gegen den Film haben. Eine humanisierende Darstellung eines pädophilen Menschen wirft indirekt schließlich auch ein äußerst fragwürdiges Licht auf Menschen, deren Hobby es ist, vermeintlich Pädophile zu „jagen“.

Interpretation 5: Eine einvernehmliche Sexualbeziehung

Es gibt sicherlich viele Stellen, die einen Interpretationsspielraum zulassen. Dass es sich bei der Beziehung zwischen Dave und Gabo um Manipulation und Missbrauch handelt, gehört sicherlich nicht dazu. In zahlreichen Szenen äußert Gabo sein Unwohlsein und sagt auf sexuelle Annäherungsversuche von Dave sechsmal ausdrücklich „nein“ (ich habe gezählt), worüber Dave sich aber wiederholt hinwegsetzt und Gabo wahlweise manipuliert oder unter Druck setzt, bis dieser Dinge über sich ergehen lässt, die er eigentlich nicht will.

Dennoch hielt Dieter Gieseking in seiner Rezension auf krumme13.net das dargestellte Verhältnis zwischen Dave und Gabo als Beispiel für „sexuell einvernehmliche Beziehungen“, die man nur „fälschlicherweise“ als sexuellen Missbrauch bezeichnen kann. Psychische Probleme für Gabo würden nicht durch Daves Handlungen, sondern durch die ablehnenden gesellschaftlichen Reaktionen darauf und insbesondere die strafrechtliche Verfolgung entstehen – ein typisches Pro-Contact Argument, mit dem sexuelle Handlungen durch Erwachsene an Kinder legitimiert und deren Verfolgung problematisiert werden soll. Diese Interpretation des Films ist in meinen Augen besonders absurd und beweist lediglich, dass Gieseking ein äußerst fragwürdiges Verständnis davon hat, wie eine einvernehmliche sexuelle Beziehung aussieht.

No Dogs Allowed als Projektionsfläche

Es ist interessant zu sehen, wie sehr dieser Film von Rezensent:innen entlang der eigenen vorgefertigten Vorstellungen und Agenda interpretiert wird. Wem die Vulnerabilität speziell junger Pädophiler Menschen am Herzen liegt, der sieht in dem Film eine bemerkenswerte Darstellung der schwierigen Lebenslage, in der sich Betroffene oft finden. Wer in Pädophilen vor allem potenzielle Täter sieht, sieht in dem Film eine Bestätigung dieser Sicht und ein Lehrstück dafür, wie man die Gesellschaft besser vor Pädophilen schützen kann. Wer präventive Therapien für Pädophile anbietet, sieht in dem Film eine Bestätigung dafür, wie wichtig diese Therapien sind. Und wer sich für eine Absenkung des Schutzalters in Deutschland ausspricht, sieht in dem Film die Darstellung einer einvernehmlichen Beziehung zwischen einem Erwachsenen und einem Jugendlichen, der die grundsätzliche Unbedenklichkeit solcher Beziehungen beweist.

No Dogs Allowed lässt sicherlich einen Raum für eigene Interpretationen und Bewertungen offen und hat nicht auf alle dargestellte Themen eine klare abschließende Antwort. Trotzdem halte ich einige der Interpretationen des Films schlicht für objektiv falsch. Ich finde es beispielsweise merkwürdig, wenn KTW davon spricht, der Film zeige wie wichtig Therapie für Pädophile sei, wenn Gabo im Film eine Therapie ausdrücklich ablehnt und sich Peer-Support statt klinischer Behandlung wünscht. Für falsch halte ich es, in dem Film die Darstellung einer einvernehmlichen Sexualbeziehung zu sehen, wenn Gabo in dem Film mehrfach „nein“ sagt und gegen Ende bei der Erinnerung an die sexuellen Vorfälle psychisch zusammenbricht. Gleichermaßen falsch ist es für mich, Gabo als „Täter“ zu bezeichnen, wenn all seine Handlungen und seine intimsten Fantasien am Ende auf der Polizeiwache auf den Tisch gelegt werden und er daraufhin das Gebäude als freier Mensch verlassen kann – weil er sich eben ausdrücklich nicht strafbar gemacht hat.

Aber vielleicht ist es ja auch meine Sicht auf den Film, die falsch oder verzerrt ist? Schließlich kann ich nicht leugnen, dass ich auch eine voreingenommene Sicht auf das Thema habe. Dan Olson sagte über den Film The Wall der legendären Progrockband Pink Floyd mal, dass es unmöglich sei sich mit dem Werk als Kritiker zu beschäftigen, ohne dabei eine Menge über sich selbst preiszugeben. Worauf man sich konzentriert, was man gut oder schlecht findet, und warum man dies so sieht, offenbart manchmal ungewollt mehr über den Kritiker als über das kritisierte Werk. Ich denke, so ähnlich ist es auch mit No Dogs Allowed.

Geht man nach den bisher veröffentlichten Rezensionen und Kommentaren, scheint der Film kaum Meinungen oder Vorurteile geändert zu haben, die bei den Zuscher:innen im Voraus existierten. Stattdessen wird eine Interpretation des Films gesucht, welche die Konsistenz mit diesen Vorurteilen und Ansichten bewahrt. Die Reaktionen auf den Film können somit vielleicht als ein Spiegel der gesellschaftlichen Einstellungen zum Thema Pädophilie bewertet werden, was erklärt, dass sie bislang vor allem von Themen wie (potenzieller) Täterschaft, vermeintlicher Verharmlosung von Kindesmissbrauch, Pathologisierung und Prävention dominiert werden.

Ist dies eine Stärke oder eine Schwäche des Films? Oder sind die Einstellungen und Vorurteile zu Pädophilen einfach derart tief in der Psyche der Gesellschaft verwurzelt, dass es einfach zu viel wäre von einem Spielfilm zu erwarten, an diesen Vorurteilen rütteln zu können? Ich bin mir da unsicher. Übrig bleibt für mich am Ende nur eine gewisse Enttäuschung, dass ein Film, der derart clever mit Vorurteilen und Erwartungen spielt und diese teils ins Gegenteil verkehrt keinen größeren Einfluss auf die Ansichten der Zuschauer:innen gehabt zu haben scheint.


  1. Zum Vergleich: Kopfplatzen hat derzeit eine Bewertung von nur 7/10 Punkten. 

  2. Kein Täter Werden vermeidet es auffällig, Gabo als pädophil zu bezeichnen, und redet stattdessen von einem jungen Menschen in „dieser Situation“ und mit einer „sexuellen Ansprechbarkeit für das kindliche Körperschema“. Diese sehr klinische Formulierung geht wohl darauf zurück, dass das Projekt es vermeiden will, bei Jugendlichen von Pädophilie zu sprechen, wirkt aber durchaus irritierend, wenn es um einen fiktiven Charakter geht, der im Kontext der Geschichte ganz eindeutig pädophil ist.