Willkommen beim Eintrag #6 meiner Wochenrückschau zum Thema Pädophilie! Der heutige Sonntag war etwas turbulent, deswegen veröffentliche ich meine Sonntagskiste ein wenig später als sonst. Dennoch bin ich auch diese Woche meiner Pflicht nachgekommen und habe einige Fundstücke in meiner Kiste gesammelt: unter anderem eine spannende Veranstaltung der Klinik Nette-Gut in Andernach, ein Gesetzesentwurf des Gesundheitsministers, und ein Artikel über die Therapieabdeckung in Österreich.
1. Forensiktage in Andernach
Am 4. und 5. November fanden in Andernach die 16. Forensiktage unter der Überschrift "(Sexuelle) Gewalt und ihre Opfer" statt (das Programm mit den einzelnen Vorträgen kann nachträglich hier eingesehen werden). Das Besondere dabei ist, dass diesmal ein pädophiler Mensch als Referent eingeladen war – und zwar niemand Anderes als Max Weber. Vor mehr als 150 Zuhörern aus verschiedenen Einrichtungen erzählte er über seine Erfahrungen und Arbeit in der Selbsthilfe bei Schicksal und Herausforderung, Gemeinsam statt allein und VirPed, und beantwortete im Anschluss Fragen von Interessierten.
Einen Bericht über diese spannende Veranstaltung gibt es unter anderem vom SWR. Max wird außerdem denmächst hier einen ausführlichen Bericht über die Forensiktage hier veröffentlichen.
2. Keine flächendeckenden Therapien in Österreich
(derstandart.de, 7.11.2019)
Das österreichische Medium Der Standard schreibt über die Situation bezüglich Therapien für pädophile Menschen in Österreich. Diese ist insgesamt noch schlechter als in Deutschland, da es kein vergleichbares, landesweites Programm wie Kein Täter Werden gibt. Lediglich eine Anlaufstelle in Wien bietet Therapien für nicht-übergriffige pädophile Menschen an. Dies prangert der Artikel an, und kritisiert außerdem völlig zu recht, dass es zwar jede Menge Therapieplätze für Straftäter gibt, aber kaum Angebote für Menschen die keine Straftaten begehen möchten und dabei eventuell Hilfe benötigen – und somit jemand erst eine Straftat begehen muss, bevor ihm Unterstützung gegeben wird.
Der Aufhänger für den Artikel sind die Kontroversen um den Verein Original Play (ich schrieb darüber bereits in meinen letzten beiden Sonntagskisten). Diesen Zusammenhang wiederum finde ich etwas irritierend. In den Medien wird Original Play so dargestellt, als ob es vor allem ein pädophiles Problem wäre – dabei ist das Problem vor allem, dass es fremden Menschen völlig unkontrollierten engen physischen Kontakt zu Kindern gibt. Dies erzeugt zahlreiche Möglichkeiten, die körperlichen Grenzen von Kindern zu missachten und (sexuelle) Gewalt ihnen gegenüber auszuüben. Dafür muss man aber nicht pädophil sein, und es ist ziemlich diskriminierend und verkürzend es so darzustellen, als ob Original Play nur dann ein Problem ist, wenn es von Pädophilen ausgeübt wird; aber gerade das wird von den Medien in der Berichterstattung zu dem Thema meistens zumindest suggeriert.
3. Diskriminierende Antidiskriminierung
Gesundheitsminister Jens Spahn hat diese Woche mit einem geplanten Gesetzesentwurf für Aufsehen gesorgt, der Konversionstherapien zur "Umpolung" von Homosexuellen bei Minderjährigen unter Strafe stellen soll. Darüber berichtete unter anderem das ZDF, die Süddeutsche und die Zeit. Das Verbot soll dem Gesundheitsministerium nach immer dann gelten, "wenn der Gesprächspartner unzulässig Einfluss zu nehmen versucht auf die sexuelle Orientierung oder die selbst empfundene geschlechtliche Identität." Damit soll laut Spahn eine wichtige Botschaft vermittelt werden: "es ist okay, so wie du bist."
Gerade für pädophile Menschen wäre es auch äußerst wichtig, diese Botschaft zu vernehmen, da viele pädophile Menschen mit dem Gefühl hadern, krank, falsch, gefährlich, abartig, pervers und ein Monster zu sein. Leider macht der Gesetzesentwurf hier eine große Ausnahme: "sexuelle Störungen" wie etwa Pädophilie sind explizit von dem Verbot ausgeschlossen. Spahn erkennt also – völlig zu Recht – an, dass Konversionstherapien "schweres Leid" erzeugen, zur Stigmatisierung beitragen und damit unethisch sind, und legitimiert im gleichen Atemzug die Zufügung dieses Leids an (unter anderen) Menschen mit Pädophilie. Zurück bleibt bei mir das Gefühl, dass ein grundsätzlich gutes Gesetz zur Antidiskriminierung von sexuellen Minderheiten selber einen Beitrag zur Diskriminierung von (gesellschaftlich nicht gewünschten) sexuellen Minderheiten leistet.
4. Pädophilie-Prozesse, pädophiler Missbrauch und Pädo-Pfarrer
Auch diese Woche gab es leider wieder einige Medienberichte, die nicht hinreichend zwischen Pädophilie und Straftaten differenziert haben. Das Luxemburger Wort etwa berichtete von einem Lehrer, der wegen Kinderpornographie und sexuellen Übergriffen an Kindern vor Gericht stand, und nannte das Gerichtsverfahren einen "Pädophilie-Prozess". Der Blick wiederum schreibt von einem ehemaligen Schauspieler, der wegen Übergriffen auf Kinder verurteilt wurde, und nennt ihn groß einfach den "Pädo-Pfarrer". Der Standard schließlich berichtet von einem Missbrauchsfall, und redet dabei von "Pädophilievorwürfen" und einem "pädophilen Missbrauch".
Was all diese Beispiele gemeinsam haben: das Wort Pädophilie wird so verwendet, als ob damit die berichtenswerten Straftaten vollumfassend beschrieben werden. In dem Prozess um den Lehrer geht es somit laut Artikel nicht um Missbrauch, sondern um "Pädophilie", als ob Pädophilie die schlimme Straftat wäre für die sich der Lehrer verantworten muss. Der Schauspieler ist kein Täter, sondern ein "Pädo". Und die Vorwürfe handeln nicht etwa von schweren sexuellen Kindesmissbrauch, sondern von "Pädophilie". Wenn man sich diese Artikel durchliest könnte man fast auf den Gedanken kommen, als ob Pädophilie noch schlimmer als Kindesmissbrauch ist, und als wäre es verurteilenswerter pädophil zu sein als ein Straftäter zu sein.
Die Absurdität solcher Artikel lässt sich immer gut messen, wenn man sich vorstellt, über Vergewaltigungen an Frauen durch Männer oder anders herum würde so berichtet werden. Bisher habe ich noch nie von einem "Heterosexualitäts-Prozess", einem "Hetero-Pfarrer" oder "heterosexuellen Missbrauch" gelesen, vielleicht weil diese Wortschöpfungen genauso absurd klingen wie sie es beim Thema Pädophilie eigentlich auch sollten.
5. Komm die Jahre hoch
Als dieswöchigen musikalischen Abschluss möchte ich nur ein kleines Lied der Progrock-Band Jefferson Airplane vorstellen. In Come Up The Years geht es um einen Menschen, der von seiner obsessiven Liebe zu einem wesentlich jüngeren Mädchen geplagt wird. Dies ist durchaus kein seltenes Thema in der Liedkunst (ein anderes populäres Beispiel ist "Girl, You'll Be a Woman Soon" von Urge Overkill), und hier wie ich finde ganz humorvoll verpackt.
Damit verabschiede ich mich für diese Woche auch wieder. Ich wünsche allen Lesern einen erfolgreichen Start in die nächste Woche und hoffe, am nächsten Sonntag wieder mehr positive Fundstücke in meiner Kiste zu finden.