Warum tue ich mir das eigentlich an? Diese Frage stelle ich mir mehr als einmal, während ich mich durch das 260 Seiten lange Büchlein arbeite, durch lange selbstgefällige Passagen eines Mannes, der zur Selbstreflexion unfähig zu sein scheint, Beschreibungen von sexuellen Handlungen an viel zu jungen Jugendlichen und einem überaus obszönen Gedicht mit dem Titel „Knabenliebe“, in dem selbstverständlich eine Erwähnung von Ganymed nicht fehlen darf. Die Antwort lieferte das Buch am Ende vielleicht selber, auf Seite 250: „Dabei hat Geschichte nichts mit Nostalgie zu tun, man muß wissen, woher man kommt, um seinen Standpunkt zu kennen, und nur, wer weiß, wo er steht, weiß, wohin er gehen muss.“ Besuche in Sackgassen ist, so sehr es auch wehtut das sagen zu müssen, ein durchaus relevantes Buch, wenn es darum geht die Geschichte der Pädophiliebewegungen zu verstehen. Es handelt sich um das Opus magnum eines ideologischen Vorkämpfers der Pro-Contact (Pro-C) Ideologie, also der Ansicht, dass sexuelle Handlungen mit Kindern und Jugendlichen nicht falsch sind und nicht verboten gehören. Diesen Begriff gab es seinerzeit natürlich noch nicht, sondern ist das Ergebnis einer Pädophilenszene, die erst Jahrzehnte später langsam erkennt, dass sexuelle Handlungen mit Kindern nicht in Ordnung sind, und in der sich den bislang dominierenden Pro-C Befürwortern eine immer größer werdende Fraktion an Anti-C Ablehnenden entgegenstellt.
Gegen den Angeklagten sprach auch, daß er völlig uneinsichtig ist. Er erklärte nämlich, er akzeptiere die vom Gesetz gezogene Altersgrenze von 18 Jahren für sich nicht. (Ausschnitt eines im Buch zitierten Gerichtsurteils)
Aber fangen wir von vorne an. Peter Schult war anarchistischer Aktivist, der in den 60er bis in die frühen 80er – Jahre innerhalb der linken und der Schwulenszene um München recht bekannt war. Als Journalist arbeitete er für das linksalternative Stadtmagazin „Blatt“, brachte auch eigene Zeitschriften heraus und schrieb als freier Autor Texte, die unter anderem in der taz und beim NDR publiziert wurden. Wenn sein Name heute kaum noch jemand kennt, liegt dies sicherlich auch daran, dass er sehr offensiv die Sexualmoral der BRD angriff, offen sexuelle Beziehungen mit männlichen Jugendlichen führte und mehr als einmal wegen Sexualstraftaten gegen Minderjährige inhaftiert wurde. All dies führte seinerzeit innerhalb der linken und Schwulenszene zu weitaus weniger Widerstand, als man heute gerne vermuten würde, sodass sich diejenigen, die sich damals mit ihm solidarisierten, heute diesen Umstand wohl gerne vergessen würden.
Ganz unkontrovers waren Schults Ansichten aber auch damals nicht, sie wurden zwar nicht einheitlich abgelehnt, aber immer wieder heftig diskutiert. Besuche in Sackgassen ist eine Antwort an die Kritiker Schults, in der er selbstgefällig und großspurig seinen sexuellen Werdegang resümiert, der vor allem aus Jahrzehnten des Missbrauchs von Jugendlichen bestand, für die Schult in der Spätphase seines Lebens auch im Gefängnis nicht eine Spur von Selbstkritik oder Schuldbewusstsein zeigte. Drei Jahre, nachdem Daniel Cohn-Bendit in seiner eigenen Autobiografie davon berichtet hatte, wie ihn fünfjährige Mädchen erotisch anmachten, was er später als „dumme Provokation“ abtat, veröffentlichte Schult im gleichen Verlag seine eigene offensive Provokation. Im Gegensatz zu Cohn-Bendit hat er die sexuellen Handlungen, von denen er berichtet, aber mit Sicherheit wirklich begangen. Für ihn war der Verkehr mit Jungen ein Akt politischen Widerstandes, er sah sich als Revolutionär an, der im Bett für die sexuelle Befreiung der Jugend aus der spießigen bürgerlichen Moral kämpfte.
Ich wehre mich gegen die Gesetze und gegen die Moral, die solche sexuellen Beziehungen verbieten. Ich rufe die Jugendlichen auf, sich gegen die Bevormundung durch Staat, Eltern, Schule, Kirche und Justiz zu wehren und für sich das Recht auf Entscheidungsfreiheit zu beanspruchen.
Dabei ist die Autobiografie aus historischer Sicht teilweise durchaus interessant. Schults Werdegang war ziemlich bewegt. Er schreibt von seiner Kindheit, in der er den Zerfall der Weimarer Republik und den Aufstieg der NSDAP miterlebte, und später als begeistertes Mitglied der Hitlerjugend Hitler persönlich die Hand schüttelte. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er in der Luftwaffe, durchstreifte danach in der Nachkriegszeit als Teil einer Jugendbande das Land, mit der er weiter gegen die Besatzungsmächte kämpfte und sich mit Diebstahl und Raubüberfällen über Wasser hielt. Nach einer kurzen Haft startete er ein bürgerliches Leben, heiratete und hatte einen Sohn. Gleichzeitig machte er politische Karriere unter anderem in der FDP, bis diese ein abruptes Ende fand, nachdem seine sexuellen Verhältnisse mit minderjährigen Jungs ans Licht gekommen waren. Er flüchtete danach in die Fremdenlegion und kämpfte im Algerienkrieg sechs Jahre für die Franzosen, bis er nach München zurückkehrte und sich dort in die aufkeimende Jugendkultur und die Studentenbewegungen der 60er Jahre integrierte. Jahre verbrachte er im Untergrund auf der Flucht vor der Polizei machte als Drogendealer „Karriere“.
Zwischen den Zeilen erhält man also Einblicke in spannende Epochen, erfährt von den Pogromen gegen die Juden, von den Luftangriffen der Alliierten auf Berlin, vom Leben im zerstörten Deutschland der Nachkriegszeit, vom Algerienkrieg, von der Hippiezeit und den musikalischen Revolutionen Dylans, der Stones und später Pink Floyd, von den Ostermärschen und den Protesten gegen den Springer-Verlag, und das von jemanden, der bei all dem selber dabei gewesen war. Leider treten all diese historischen Ereignisse in den Hintergrund, das Hauptthema des Buches sind die sexuellen Erlebnisse und Verhältnisse Schults, alles andere ist sekundär.
Auch außerhalb seiner Übergriffe an Jugendlichen weckt Schult nicht gerade viel Sympathie. Zeit seines Lebens war er immer wieder in schwerste Kriminalität verwickelt: Diebstahl, Raub, Drogenhandel, Freiheitsberaubung. Schon als Jugendlicher war er an der versuchten Gruppenvergewaltigung eines Mädchens beteiligt, die nur durch das zufällige Eintreffen eines Lehrers verhindert werden konnte. In der Nachkriegszeit wurde er von Verwandten aufgenommen, die er prompt ausraubte, und sich, nachdem dies aufgeflogen war, aus dem Staub machte und nie wieder blicken ließ. In seiner Ehe war er dauerhaft untreu, und dies sogar mit dem Bruder seiner Frau. Seinen Sohn wiederum sah er vor allem als Störfaktor, er wird in seiner Autobiografie mit kaum zwei Sätzen erwähnt – den meisten sexuellen Begegnungen, die er im Buch beschreibt, räumt er mehr Raum ein als seinem eigenen Sohn. All dies erzählt er im lässigen Plauderton und findet kaum ein Wort des Bedauerns.
Ich habe nie ein richtiges Verhältnis zu meinem Sohn gehabt, mich störte das Geschrei, die Aufregungen, die ganze Arbeit, die mit ihm zusammenhing, und ich war stets froh, wenn ich zu Tagungen, Kongressen oder Vorstandssitzungen fahren konnte, außerdem war ich ständiger Delegierter der baden-württembergischen FDP für die Bundesparteitage. Und plötzlich war auch wieder die Sehnsucht nach Jungs da, der Wunsch, mit ihnen zu schlafen, was nun natürlich schwieriger war als vorher.
Nun also zu den sexuellen Begegnungen. Schult beschreibt sich selber als Päderasten, sein Interesse galt vor allem Jugendlichen. Was das genaue Alter angeht, bleibt er oft vage, lediglich an einer Stelle schreibt er, dass er für sich eine Altersgrenze von 14 Jahren akzeptiert, die er allerdings öfter auch mal unterschritt. Als sexuelles Schlüsselerlebnis beschreibt er den Oralverkehr mit einem 13-jährigen Jungen im Berliner Tiergarten, den er auf einer Arbeitsreise traf, während seine Frau mit seinem Sohn zu Hause wartete. Nach diesem Erlebnis „war es endgültig aus mit den Frauen“, und identifizierte sich seitdem als homosexuell. Zu dieser Zeit, in der er noch als Funktionär der FDP hohe Stellungen innehatte, traf er sich nur insgeheim mit Jungen, sammelte heimatlose Jugendliche auf oder nahm die Dienste von „Strichjungen“ in Anspruch – einmal direkt vor einen Termin mit dem Bundesjustizminister. Später, als er eine Wohnung in München hatte, nahm er regelmäßig Jugendliche bei sich zu Hause auf, die von zu Hause weggelaufen waren und zeigte sich mit ihnen teils offen in der Untergrundszene. Selbst im Kriegsgebiet in Algerien fand er während seiner Zeit in der Fremdenlegion zahlreiche Gelegenheiten, einheimische Jungen für Sex zu finden. Während er gleichzeitig die Handlungen des französischen Regimes stark kritisierte, beteiligte er sich selber an der kolonialen Ausbeutung der Bevölkerung. Das Buch ist voll von derartigen Widersprüchen, die Schult selber nicht zu sehen scheint.
Er ist 13 Jahre alt, hat einen Körper, wie gemalt, kein Härchen, kein Flaum, eine Haut, glatt und rein wie Marmor. Sein Vater zieht mit ihm von Stadt zu Stadt und lebt von seinen Liebeskünsten. Er versteht sie wie kein zweiter, wurde von klein auf dafür ausgebildet, aber ihn zu verstehen, ist unmöglich. Ich glaube, man kann 50 Jahre hier leben, ohne in die Psyche eines Arabers eingedrungen zu sein.
Die strafrechtliche Bewertung von Schults Taten ist nachträglich gar nicht so einfach, wie man vielleicht meinen könnte. Bis 1969 war homosexueller Geschlechtsverkehr grundsätzlich verboten, und Schult hat sich selbst dann strafbar gemacht, wenn er mal mit einem volljährigen Sex hatte. Selbst danach lag bis 1793 das Schutzalter bei Homosexualität bei 21 Jahren, und von da an bis 1994 bei 18 Jahren. Erst seit 1994 ist homosexueller und heterosexueller Geschlechtsverkehr gleichgestellt und es gilt ein einheitliches Schutzalter von 14 Jahren (mit Einschränkungen). Auch, wenn Schults Handlungen also zu seiner Zeit eindeutig strafbar waren (und er auch einige Male dafür bestraft wurde), ist dies nach heutiger Gesetzeslage nicht ganz so eindeutig.
Bei der Lektüre wird aber schnell recht eindeutig, dass Schult sich in mehrfacher Hinsicht moralisch verwerflich, und vermutlich nach heutiger Rechtslage auch strafbar verhalten hat. Da wären auf der einen Seite die Handlungen, die er mit 13-Jährigen durchführte, was auch heute als Kindesmissbrauch gewertet werden würde. Eine Zeit lang, in seiner bürgerlichen Phase, arbeitete er als Heimleiter in einem Jugendheim und verging sich dabei auch an Jugendlichen aus seiner Einrichtung, die ihm also als Schutzbefohlenen unterstanden waren. Mehrfach bezahlte er Jugendliche für Sex. Vor allem aber nahm er zahlreiche Jugendliche bei sich zu Hause auf, die kein (gutes) Zuhause hatten, zu dem sie zurückkehren konnten. Von einer Freiwilligkeit kann hier kaum die Rede sein, wenn die Jugendlichen von ihm abhängig waren und ohne ihn keinen Platz zum Schlafen oder nichts zu essen gehabt hätten. Schult selber gibt in einem seltenen Anflug von Selbstreflexion zu, dass ihn vor allem die vulnerablen Jungen anziehen, aber das verleitet ihn keineswegs dazu, auch sein Verhalten zu überdenken.
Bei mir kommt noch hinzu, daß ich eine ausgesprochene Schwäche für die von früh an mißhandelten Jugendlichen habe, die sich jeder sozialen Eingliederung widersetzen. „Normale“ Jungens reizen mich nicht. Es muß der Zug nach unten hinzukommen, das Entwurzeltsein, die kriminelle Ader, das große Abenteuer, die Leere. […] Hier liegt sicher ein pathologischer Zug, vielleicht auch ein dämonischer, aber vermischt mit echter Nächstenliebe.
Für mich ist Besuche in Sackgassen in erster Linie eine traurige Dokumentation darüber, wie sehr die BRD die Nachkriegsgeneration im Stich gelassen hat. Etwa zur gleichen Zeit, als Helmut Kentler in Berlin Jugendliche aus staatlich betriebenen Heimen mit Segnung des Senats an vorbestrafte Sexualstraftäter vermittelte, weil er der Meinung war, dass sexueller Missbrauch förderlich für ihre Entwicklung wäre, durchstreifte Peter Schult die Straßen Münchens auf der Suche nach heimatlosen Jungen, die er mit nach Hause nehmen und gegen sexuelle Gefälligkeiten eine Unterkunft anbieten konnte, und sah sich dabei als Befreier einer unterdrückten Jugend. Schult schien einen fast unerschöpflichen Vorrat an Jungen zu haben, die diesen Tausch bereitwillig eingingen, weil das Heim oder das Elternhaus, aus dem sie abgehauen sind, die schlechtere Alternative war, und sich niemand ernsthaft darum kümmerte, was mit den Jungen geschah. Auch, wenn sich die Schlinge um Schults Hals gegen Ende seines Lebens immer enger zog, konnte er lange Zeit weitestgehend ungehindert agieren, obwohl er sich hinterher auch nicht mehr wirklich versteckte. Hin und wieder wurde er zwar für ein paar Monate inhaftiert, nur um direkt nach der Haftstrafe dort weiterzumachen, wo er aufgehört hat, was er teils sogar großspurig im Gerichtssaal ankündigte.
Abends, als wir zu dritt vor dem Venezia sitzen, kommt noch ein Ausreißer an den Tisch und fragt mich, ob er bei mir schlafen könne. „Junge, meine Bude ist ja voll …“ ich zögere, da lächelt er und meint: „Wir kennen uns ja, ich habe schon mal mit Ihnen geschlafen.“ (Er sagt nicht etwa „bei Ihnen“.) […] Also nahm ich auch ihn noch mit, so daß nun drei Ausreißer bei mir wohnten. Als ich am nächsten Morgen von der Nachtschicht nach Hause kam, hielt plötzlich genau vor dem Haus der Streifenwagen vom 5. Revier neben mir, und einer der Bullen, der damals mit in meiner Wohnung war, beugte sich aus dem Fenster „Na, wieviele Ausreißer haben sie jetzt bei sich in der Wohnung?“ Ich sage „Wenn Sie es genau wissen wollen, drei.“ Da zieht er beleidigt seinen Kopf wieder ein und fährt weiter.
Peter Schult kann im heutigen Sinne nicht als pädophil bezeichnet werden. Sein Interesse galt nicht Kindern, sondern Jugendlichen und jungen Erwachsenen, er war also ephebophil, maximal hebephil. Dennoch sah er sich als Teil der Pädophilenszene, und sein Buch löste, wie er im Nachwort der 1982 erschienenen Ausgabe stolz verkündete, eine „bundesweite offene Diskussion über Pädophilie“ aus, die selbst in der FAZ und in Alice Schwarzers Emma geführt wurde. Hier zeigt sich, dass der Begriff der Pädophilie eine historische Wandlung durchgemacht hat und heute deutlich enger definiert ist als in den 70er und 80er Jahren, in denen mit dem Begriff auch oft ein sexuelles Interesse an Jugendlichen gemeint war und sich Menschen wie Peter Schult offen als pädophil bezeichneten, obwohl sie dies nach heutiger Verwendung des Begriffs gar nicht wären.
Bemerkenswert ist, dass das Buch zwar von Dutzenden sexuellen Beziehungen mit Jugendlichen berichtet, aber verhältnismäßig wenige Rechtfertigungen dafür enthält. Zwar lassen sich durchaus die üblichen Pro-C Argumente finden: es gehe um die sexuelle Befreiung Minderjähriger, meist seien sie es, die die Erwachsenen „verführen“ würden und nicht umgekehrt, und wenn daraus doch mal ein Schaden entstehen sollte, liege das nicht an den sexuellen Handlungen, sondern an der Reaktion der Gesellschaft darauf. Auch die häufig zitierten Grundpfeiler der Pro-C Ideologie, wie Wyneken, Blüher und die Päderasten im alten Griechenland, finden Erwähnung. Insgesamt nehmen diese Argumente und Rechtfertigungen aber wenig Raum ein. Schult scheint darauf zu vertrauen, dass seine Erzählungen von heimatlosen Jungs, die aus seiner Sicht völlig freiwillig zu ihm ins Bett kamen, ausreichen um den Leser davon zu überzeugen, dass seine sexuellen Handlungen moralisch nicht zu beanstanden seien und nur von bürgerlichen Spießbürgern verurteilt werden würden.
Dieser Ansatz wäre vielleicht wirkungsvoller, würde er diese Beziehungen nicht gleichwertig zu Fällen erzählen, in denen er als Jugendheimleiter mit seinen Schützlingen verkehrte, oder in Afrika Sex mit Kindern suchte, die von ihren Vätern zur Prostitution gezwungen wurden.
Ich habe auch keine Lust, mich etwa zu verteidigen, daß ich mit Jungens schlafe, ich greife vielmehr die Moral an, die dies verbietet und die für mich nicht nur verlogen ist, sondern auch bewusst mit Lügen argumentiert.
Schults Haltungen zum Schutzalter bleiben ambivalent. Zwar schreibt er auf der einen Seite, dass er ein Schutzalter von 14 Jahren für sich akzeptiert, was zumindest grob der heutigen Gesetzeslage entsprechen würde. Andererseits unterschritt er selber regelmäßig diese Altersgrenze. Man muss in andere Publikationen schauen, etwa in seine 1976 verfasste Kampfschrift „Für eine sexuelle Revolution - wider die linken Spießer!“, um zu erfahren, dass er zwar einerseits tatsächlich ein Schutzalter von 14 Jahren zu befürworten scheint („ich halte Jugendliche ab vierzehn Jahre für alt und reif genug, allein über ihre sexuellen Beziehungen zu entscheiden“), gleichzeitig aber auch zugibt, dass ihn zu dieser Einstellung seine „eigenen Bedürfnisse“ geführt haben, es aus sexualwissenschaftlicher Sicht seiner Ansicht nach keine Basis für diese Grenze gibt und er mit Bewegungen sympathisiert, die das Schutzalter grundsätzlich abschaffen wollen. Sprich: ihm reichte ein Schutzalter von 14, weil er selber vor allem auf Jungen ab 14 stand und somit alles hätte machen können, was es selber wollte, es hätte ihn aber auch nicht gestört, wenn das Schutzalter tiefer liegt oder gar nicht mehr existiert.
Überraschend ist aus heutiger Sicht außerdem, wie viel Solidarität Schult aus der linken und der Schwulenszene zuteilwurde, obwohl seine Verhältnisse zu Jungs teils ein offenes Geheimnis war. Im Nachwort beschreibt er, dass er in den frühen 80ern in mehrere unabhängige Jugendzentren in verschiedenen deutschen Städten eingeladen wurde, um dort mit Jugendlichen über Päderastie zu diskutieren. Hier scheint es noch einiges zu geben, was aufgearbeitet werden müsste.
Schult sah sich ebenso sehr als Schwuler, wie er sich als Päderast identifizierte. Noch 2006 wurde Besuche in Sackgassen im Männerschwarm-Verlag neu herausgegeben, und als Band 41 in die Bibliothek rosa Winkel aufgenommen, einer Sammlung schwuler Literatur. In dem hinzugefügten Vorwort des Historikers Florian Mildenberger resümiert dieser: „Dabei erfuhr Schult auch Solidarität, gerade von der Schwulenbewegung, die ihn als einen der Ihren ansah“. Außerdem: „Vertreter der Schwulenbewegung pochten darauf, daß die eigene Emanzipation nur Teil einer Reform des gesamten Sexualstrafrechts sein könne. Gemeinsam mit den Pädophilen machte man sich über die Verführungsthese lustig und wußte sich dabei einig mit verschiedenen linken und ökologischen Bewegungen.“ Natürlich darf man nicht pauschal alle heute lebenden Schwulen für diese bedrückende Solidarität verantwortlich machen und verurteilen, wie es etwa Vertreter:innen der AfD gerne tun. Zu bedenken ist aber, dass dies auch für heute lebende Pädophile gilt, insbesondere Anti-C Pädophile, die sich nie mit Schult und anderen, die wie er dachten und handelten, solidarisiert haben.