Es ist soweit. Der erste (mir bekannte) Fall einer Verurteilung wegen des Besitzes von kinderpornografischen Zeichnungen. Ein 68 jähriger Mann aus Ennepetal wurde zu 2400€ Geldstrafe wegen des Besitzes (angeblich) "sehr real" aussehender kinderpornografischer Comicdarstellungen verurteilt. Mit einer Geldstrafe ist er auch nur davonkommen, weil die Wohnungsdurchsuchung bereits 2020 stattfand. Nach der Strafrechtsreform des § 184b StGB wäre es wohl eher auf ein Jahr Haft hinauslaufen - wegen Zeichnungen!
Das Schlimmste an der Sache sind vermutlich auch nichtmal die 2400€ Strafe. Das kann man i.d.R. noch verkraften. Das Schlimmste ist eher, dass er jetzt jemand ist, der wegen Kinderpornografie verurteilt wurde. Er kann von Glück reden, dass er erst mit 68 verurteilt wurde und vermutlich nicht darauf angewiesen ist, sich nochmal irgendwo zu bewerben. Das könnte er mit einem Eintrag wegen kinderpornografischer Schriften im Führungszeugnis wohl vergessen.
"Täter zeigt Reue" heißt es im Artikel zu dem Fall. Täter? Gehört zu einem Täter nicht eigentlich ein Opfer? Jemand, dem aufgrund der Tat geschadet wurde? Wo ist in diesem Fall das Opfer? Eigentlich auf der Anklagebank.
„Ich bereue diese Sache zutiefst. Ich kann es leider nicht rückgängig machen“, zeigt der Angeklagte Reue. Besonders schwer sei für ihn, dass seine Familie sehr darunter gelitten habe."
Seine Familie hat darunter gelitten? Worunter? Vermutlich unter seiner Festnahme und Verurteilung. Nun, das ist ja nun nicht gerade die Schuld des Mannes. Ich nutze ja ungern dieselbe Argumentation wie Pro-Contacter, aber der Schaden ist in diesem Falle alleine durch das Unrecht des Verbots gezeichneter Kinderpornografie entstanden [1]. Ohne diese Verurteilung und ohne die vorausgehende Wohnungsdurchsuchung wäre niemandem irgendein Schaden entstanden, nicht der Familie, dem Mann, einem Kind, der Gesellschaft, dem Staat... niemandem!
[A]uch habe er nie Bilder mit realen Menschen heruntergeladen. Er betonte: „Das wäre mir zuwider gewesen.“
Natürlich wäre ihm das, so wie jedem normalen anderen Menschen auch. Aber es waren eben keine realen Kinder. Es waren - ich kann's nicht oft genug wiederholen - Zeichnungen! Striche auf Papier! Eine solche Verurteilung kann Leben zerstören, Familien auseinanderreißen, Arbeitsplätze kosten. Und das wegen Strichen auf Papier. Es wäre zum lachen, wenn es nicht so traurig wäre.
In dem Artikel heißt es zudem, dass der Mann als Kind selbst Missbrauch erlebt hat und diese Zeichnungen wohl genutzt hat, um diese Erfahrungen zu verarbeiten. Er habe sie nicht zur sexuellen Erregung besessen. Ein völlig legitimer Grund, sich so etwas anzusehen. Genauso legitim wäre es natürlich auch gewesen, wenn er sie sich zur sexuellen Erregeung angeschaut hätte. Da wäre dann nur die Strafe vermutlich weniger milde ausgefallen.
Ich sehe schon die Leute, die sich die Hände reiben und sich freuen, dass so ein widerliches Subjekt, das sich pornografische Zeichnungen von Kindern anschaut, dafür bestraft wurde. Und ich sehe auch diejenigen, die sich darüber aufregen, dass es sich nur um eine Geldstrafe handelt. Gleich ganz wegsperren für den Rest des Lebens am besten, oder? Vielleicht nicht ihn, er hat es ja nicht zu seiner Erregung geschaut, aber auf jedenfall jeden, der auf die Weise seine sexuelle Neigung zu Kindern ausleben will. Es kommt dabei niemand zu schaden? Geschenkt. Ist trotzdem abartig. So jemand sollte nicht frei herumlaufen.
Wie mich diese Leute anwidern, sie, die selbst jede Möglichkeit haben, ihre Sexualität auszuleben, die eine Beziehung führen und einvernehmlichen Sex mit einem Partner/einer Partnerin haben können, die sich problemlos Milliarden von Pornos anschauen können, die sich anschauen können, wie 10 Männer eine 18 jährige (gespielt - oder vielleicht auch nicht gespielt?) vergewaltigen. Aber das ist ja normal. Das ist ja kein gezeichnetes Kind. Es widert mich an.
Es geht dabei (oder bei dem Verbot von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild) doch längst nicht mehr um den Kinderschutz. Es geht vielmehr darum, jede Form des Ausdrucks einer pädophilen Neigung unter Strafe zu stellen. Wir sollen gefälligst keine Freude an unserer Sexualität empfinden (etwas, auf das wir eigentlich nach Artikel 2 unseres Grundgesetztes das Recht haben müssten). Wir sollen gefälligst in Therapie gehen, unsere Sexualität unterdrücken und uns selbst hassen. Dann wären die Leute vielleicht (aber auch nur vielleicht) dazu bereit, unsere Existenz mit Ächzen und Stöhnen auszuhalten. Aber wehe wir wollen unsere Sexualität auch genießen, in Fantasien, mit Zeichnungen oder mit Puppen. Auch wenn dabei kein Kind zu Schaden kommt. Und dann soll es auch noch Pädophile geben, die mit Kindern arbeiten wollen. Pfui!
Ich rede gerade von Rechten, die Pädophile angeblich haben. Nun ja, Art. 2 GG gilt für uns ja augenscheinlich nicht. Vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz werden wir ja auch nicht geschützt mit der Begründung, Pädophilie sei eine "abnorme sexuelle Neigung", die sich "in Straftaten manifestiert oder manifestieren kann". Weil es ja noch nie eine sexuell motivierte Straftat gab, die von einer nicht pädophilen Person ausging. Außer natürlich alle Vergewaltigungen/Belästigungen von Jugendlichen und Erwachsenen, die für Pädophile nicht interessant sind oder auch je nach Studie 60-90% der sexuellen Missbrauchstaten an Kindern.
Welches Recht, das Pädophile noch haben, ist als nächstes dran? Bliebe ja noch Art. 1 GG. Glücklicherweise bezweifel ich, dass Pädophile ganz zum Abschuss freigegeben werden. Aber dass es einige gibt, denen das gefallen würde, steht ja außer Frage. Ihr habt keine Vorstellung davon, wie oft ich Morddrohungen oder Todeswünsche wegen meiner Neigung bekommen habe. In Deutschland wünschen etwa 14% der Menschen (hier die Ergebnisse einer Umfrage) nicht straffälligen Pädophilen den Tod. Aber darum ging es jetzt ja gar nicht.
Es geht darum, dass wir in einer Gesellschaft leben, die uns unter dem Vorwand des Kinderschutzes jede Äußerung unserer Pädophilie zu verbieten versucht. Völlig gleich, ob dabei nun ein Kind involviert ist oder nicht. Und die mit großer Sicherheit sich mit aller nur mobilisierbaren Kraft gegen ein Verbot von, sagen wir, Alkohol stemmen würde. Auch wenn der Schaden, der von Alkohol auf Kinder ausgeht, astronomisch größer sein dürfte als der durch gezeichnete Kinderpornografie oder kindliche Sexpuppen. Angefangen von den Schäden durch Trinken während der Schwangerschaft, über Kindesmisshandlung durch betrunkene Eltern bis hin zu Kindern, die von betrunkenen Autofahren angefahren werden. Aber da müssten sie sich ja selbst einschränken und könnten nicht genüsslich mit dem Finger auf diese kleine, abartige Minderheit zeigen. Uns.
[1] Um an dieser Stelle kurz auf die etwas undurchsichtige Rechtslage fiktiver Kinderpornografie einzugehen: Die Herstellung und Verbreitung steht nach § 184b StGB genauso unter Strafe, wie auch die Produktion realer Kinderpornografie und hat nur bei klar als fiktiv erkennbaren Darstellungen einen etwas niedrigeren Strafrahmen. Der Besitz ist nur bei „wirklichkeitsnahem“ Material strafbar, wobei nicht klar definiert ist, was genau darunter fällt. Und nicht zuletzt kann auch der Besitz von nicht wirklichkeitsnahem Material zumindest den Vorwand für eine Hausdurchsuchung bieten.