Ich möchte mich in diesem Beitrag einem (erneut eher kontroversem) Thema widmen, das mir schon lange im Kopf herumgeht. Durch eine Mail die uns kürzlich erreicht hat, wurde mir nun der nötige Anstoß dafür gegeben, auch tatsächlich einen Beitrag dazu zu schreiben: Das Verhalten (nicht-pädophiler) Missbrauchsbetroffener, pädophilen Menschen gegenüber.

Als pädophile Frau, die sich mit der Seite "Wir sind auch Menschen" in erster Linie an nicht-pädophile Menschen richtet und bereit ist, sich mit diesen auseinanderzusetzen, werden mir (und natürlich auch den anderen Teammitgliedern) gerne Vorwürfe gemacht, Taten und Charaktereigenschaften zugeschrieben und ganz allgemein die Fähigkeit abgesprochen, Mitgefühl für von Missbrauch Betroffene zu empfinden oder einen, ihrer Ansicht nach, angemessenen Umgang mit der Thematik zu haben. Gern wird mir auch persönlich unterstellt, ich wäre verantwortlich dafür, was (mitunter) andere pädophile Menschen, eigentlich: Missbrauchstäter, ihnen oder anderen Kindern angetan haben oder tun. 

Vorab jedoch etwas zu der Verwendung meiner Begriffe. In Nachrichten und Mails bezeichnen sich Betroffene oftmals selbst ganz platt als "Opfer". Dies ist also eine selbstgewählte Bezeichnung, die uns gegenüber sehr häufig verwendet wird, nicht meine Wortwahl. Ich persönlich fände "ehemaliges Opfer von Missbrauch" passender, da dies in meinen Augen vermittelt, dass entsprechenden Menschen zwar etwas angetan wurde, sie dies aber nicht für immer definiert. Sie sind Opfer einer Straftat geworden, dieses Ereignis hat natürlich Auswirkungen auf das weitere Leben in unterschiedlicher Form, es macht sie jedoch nicht zu einem permanenten Opfer. Da dies aber etwas holprig ist und ich als jemand, die selbst nicht als Kind missbraucht wurde, nicht für diese sprechen kann, nutze ich die gängigere Version: Missbrauchsbetroffene. Bezeichnungen wie  "Missbrauchsüberlebende" und "Sexualisierte Gewalt" sind meiner Ansicht nach nicht pauschal als Ersatz geeignet und nur in bestimmten Fällen passend, weshalb ich sie hier in einem Kontext, in dem ich allgemeiner über das Thema schreibe, nicht nutzen werde.

Worüber ich vor Allem sprechen möchte ist der Punkt Empathie. Hierzu muss ich ein wenig ausholen. Empathie ist, vereinfacht ausgedrückt, die Fähigkeit nachempfinden zu können, was ein anderer fühlt. Nicht nur sich dies theoretisch vorstellen zu können, sondern aktiv mitzufühlen. Wenn man es genau nehmen würde, kann man diese noch einmal aufteilen in eine Art "theoretische Empathie" (also das reine Vorstellungsvermögen, bzw. Verstehen, was ein anderer fühlt) und das tatsächliche Nachempfinden. Aber bleiben wir der Einfachheit halber bei dieser verkürzten Definition, mit der beides gemeint ist, die auch im allgemeinen Sprachgebrauch am häufigsten Verwendung findet, wenn jemand von Empathie oder auch Einfühlungsvermögen spricht.

Empathie zu haben, das wird in unserer Gesellschaft vorausgesetzt oder zumindest erwartet. Viele Menschen behaupten von sich selbst empathisch zu sein, denn dies gilt als gute Eigenschaft - und ein "zu viel" an Empathie gibt es in den Augen der Gesellschaft auch nicht, ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Eigenschaften die man so haben kann. Sie nicht zu haben, gilt als gefährlich. Sozial unverträglich. Seit einer Weile nun stelle ich jedoch immer wieder fest, dass Empathie für viele an Bedingungen geknüpft ist. Sie stellt also nicht unbedingt eine Fähigkeit dar, die man entweder pauschal hat oder nicht, sondern sie ist für die meisten personen - und situationsabhängig. Sie lässt sich verdrängen und "wegargumentieren" und wieder hervorholen. Das gilt insbesondere für unsere Thematik - und das formuliere ich jetzt ganz bewusst so vage. Letztlich betrifft das die Menschen, die Pädophilen grundsätzlich die Menschenrechte absprechen wollen, ebenso wie die Pädophilen die Probleme mit dem Konsum von Missbrauchsabbildungen haben.

Nun bin ich eine Person, die diese Fähigkeit an sich immer geschätzt hat. Nicht umsonst beteilige ich mich seit Jahren an Selbsthilfeprojekten. Ich hatte bereits sowohl in meinem privaten Umfeld, über meine Tätigkeit als Moderatorin, sowie während meiner eigenen Selbstfindungsphase direkt und indirekt mit Missbrauchsbetroffenen zu tun. Ich muss(te) mich also öfter schon mit dieser Thematik auseinandersetzen. Dies hat zu einer Sensibilisierung für das Thema und das Leid der Betroffenen geführt und mir geht dieses oft sehr nahe. Für mich bedeutet pädophil zu sein auch, mich in einem besonderen Maße für das Wohlergehen von Kindern zu interessieren, das heißt meine eigene Empathie ist ein treibender Faktor für meine Moralvorstellungen, wie ich denke und mich verhalte. Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb Menschen Kinder missbrauchen, weil es für mich absolut abwegig ist die eigene Lust über das Wohl eines Kindes zu stellen. Die Empathie sorgt dafür, dass es mich physisch schmerzt bei dem Gedanken so etwas selbst zu tun oder von Fällen zu hören, in denen Leute das getan haben. Und hier kommen wir zum eigentlichen Thema. 

"Ich bin ein Missbrauchsopfer, ich darf das"

Als pädophiler Mensch der sexuelle Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen aus Überzeugung ablehnt, bin ich mir den möglichen Folgen bewusst, die solche Kontakte haben können, sonst würde ich schließlich nicht die Werte vertreten, die ich vertrete. Immer wieder dichten mir Außenstehende aufgrund meiner Pädophilie jedoch die Rolle des (potenziellen) Täters an. Gleichzeitig appelieren sie an meine Empathie, wenn sie mir in farbenfrohen Details, gespickt mit Angriffen gegen mich, von ihrem persönlichen Missbrauch erzählen. Viele missbrauchen damit ihren eigenen Missbrauch. Aus einer schlimmen Tat, die ihnen angetan wurde, wird eine Waffe, die sich gegen jemanden richtet, der vollkommen unschuldig und unbeteiligt an ihrem erfahrenen Leid ist um irgendjemandem dafür die Schuld zuschieben zu können. Die innere Suche nach Mitgefühl, Rache und/oder Heilung wird also zu einem ungerechtfertigten Angriff. Ein unfairer Kampf, der verloren ist, bevor er überhaupt begonnen hat. 

Dies habe ich mittlerweile so oft erlebt, dass ich mich innerlich distanziere, sobald ich sehe in welche Richtung das Ganze geht. Meine Empathie schalte ich für diesen Fall dann ab, es interessiert mich nicht mehr, was dir angetan wurde. Ich vertrete die Ansicht, dass jemand, der mich angreift, sein Recht auf mein Mitgefühl verwirkt hat. Diese merkwürdige Doppelrolle in die ich gedrängt werden soll, ist das was die Gesellschaft von mir verlangt. Als pädophiler Mensch soll ich mich diesen Angriffen aussetzen und der Rolle fügen, weil ich sie in ihren Augen verdient habe. Was man damit eigentlich erzielt ist ein Abstumpfen von Empathie, ein Rückzug aus Selbstschutz. Und damit macht man im Großen und Ganzen mehr in der Welt kaputt, als dass man etwas beiträgt. 

Ich habe Verständnis dafür, dass viele Missbrauchsbetroffene nicht in der Lage sind, sich differenziert mit dem Thema Pädophilie zu befassen - ich verlange das aber auch nicht von ihnen. Ich verlange, dass sie sich aus Eigeninteresse von Seiten wie unseren fernhalten, wenn sie dazu nicht in der Lage sind. Ich bin einzig für mich selbst verantwortlich und nicht dafür da um stellvertretend als Fußabtreter für die Fehltritte anderer Leute zu fungieren. Nein, Empathie ist keine Einbahnstraße - auch ich habe Empathie verdient. Das vergessen viele gern, sogar Pädophile selbst. 

Ich erwarte nicht, dass dieser Beitrag jemanden zum Umdenken bewegt, jedoch hielt ich es für notwendig diesem Aspekt einmal die nötige Aufmerksamkeit zu widmen.