Ich sitze im Publikum eines Konzerts. Das Thema des Abends: „Ich bin was ich bin.“

Begrüßt werde ich mit einem fröhlichen „Liebe Damen, liebe Herren, liebe Kinder und alles dazwischen und außerhalb“.

Zwischen den Stücken werden immer wieder kleine Reden geschwungen. Locker, lustig. Einige der Sprecher vermutlich selbst Teil der LGBTQI+ Bewegung. Ein Mann in einem glitzernden Jackett lobt unser Grundgesetz. Zitiert die ersten Zeilen, betont wie glücklich wir sein können, dass wir in Deutschland leben, weil es anderen Menschen anderswo nicht vergönnt ist in den Genuss eben jener Grundrechte zu kommen.

Nach dem nächsten Stück erläutert eine Frau wie jeder Teil der Vielfalt ist, nicht nur Leute aus der queeren Bewegung. Zum Beispiel auch People of Colour. Im Orchester sitzen Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Körperformen, unterschiedlichen Alters. Ziemlich bunt.

Ja jeder, der keinem anderen schadet, lautet der Nebensatz. Mir wird schlecht. Ich weiß wer damit gemeint ist.

Ich fühle mich ertappt und mir wird schlagartig schmerzlich bewusst: Alle sind damit gemeint. Alle, außer ich. Ich spüre wie sich zuerst Enttäuschung, dann bittere Ernüchterung und schließlich Wut anstaut.

Ich schade niemandem damit wie ich bin. Und doch weiß ich, dass hier eine Ausnahme gemacht werden würde. Ich möchte mich melden, möchte fragen. Möchte rufen. Doch natürlich tue ich das nicht. 

Stattdessen Passivität. Ich verweigere das Klatschen nach der Rede, doch fühle mich als dürfte ich selbst das nicht und als würde diese dreiste Unhöflichkeit nur bestätigen, wie falsch meine Existenz ist.

Teil der Show ist eine Transfrau und tatsächlich freue ich mich zu sehen wie normal dies geworden ist. Ganz ohne Drama – einfach nur eine Frau. Doch komme ich nicht über den bitteren Beigeschmack hinweg. 

Ich fühle mich ausgeschlossen aus der Gesellschaft und das in dem Land in dem ich aufgewachsen bin und welches ich mein Leben lang für seine Werte bewundert habe. Ich fühle mich belogen.

Warum darf ich nicht darüber sprechen wie es mir damit geht? Wie kann es sein, dass ich Angst haben muss, vor Polizeibesuch, vor psychischer oder gar physischer Gewalt, wenn ich das Schweigen breche? Wie kann es sein, dass ich nicht sein darf wie ich bin, mich verstecken muss, nicht zeigen darf? Wer hat allgemeingültig beschlossen, dass meine Werte und mein Verhalten nicht zählen, sondern nur wie ich geboren bin?

Und warum ist meine Würde als einzige antastbar?