Vor kurzem wurde mein Twitter-Account ohne Vorwarnung oder Angabe von Gründen gelöscht. Das kommt nicht wirklich unerwartet, nachdem Twitter erst im Oktober stillschweigend seine Richtlinien geändert hat, und seitdem das "Fördern oder Normalisieren von sexueller Anziehung zu Minderjährigen als Form der Identität oder sexuellen Orientierung" auf der Plattform verbietet. Einige andere Accounts von pädophilen Menschen, darunter auch welche von Aktivisten und Selbsthilfegruppen, die sich explizit für die Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch einsetzen, hat in der Vergangenheit bereits ein ähnliches Schicksal getroffen.
Eines der letzten Tweets, die ich auf der Plattform gelesen habe, stammen vom kanadischen Kriminologen Dr. Jamie Livingston und drehen sich passenderweise um die verschiedenen Formen von Stigmatisierung, die anhand eines Bildes erklärt werden . In den Tweets geht es um Stigmatisierung im Allgemeinen, aber die Aussagen lassen sich meiner Meinung nach sehr gut auf die Situation pädophiler Menschen im Besonderen anwenden. Ich habe die kurzen Texte daher einmal zum Nachlesen ins Deutsche übersetzt. Die Tweets kann man im Original hier nachlesen.
Stigmatisierung ist ein sozialer Vorgang, bei dem ganze Gruppen von Menschen aufgrund negativer Stereotype ausgeschlossen, abgelehnt, beschämt, diskreditiert und entwertet werden. Stigmatisierung ist die Ausübung von Macht.
Selbst-Stigmatisierung enthält die negativen Wahrnehmungen und widrigen Erfahrungen derer, die mit stigmatisierten Eigenschaften leben.
Ferkel hat zwar kein H1N1 (Schweinegrippe), aber er wird dennoch als minderwertig und gefährlich gesehen, was zu seiner sozialen Ausgrenzung und Entmachtung führt.
Soziale Stigmatisierung findet statt, wenn soziale Gruppen negativen Stereotypen zustimmen und sich schädlich und diskriminierend gegenüber Menschen mit stigmatisierten Eigenschaften verhalten.
Der wütende Mob steht in Solidarität zusammen. Ihr Verhalten wird von Angst, Abscheu und einem Streben nach sozialer Distanz angetrieben.
Strukturelle Stigmatisierung ist in den Regeln, Grundsätzen und Vorgängen sozialer Institutionen verwurzelt, welche die Rechte, Ressourcen und Möglichkeiten einzelner Menschen nach Belieben einschränkt.
Dominante soziale Gruppen behalten alle Ressourcen und nutzen sie, um auszugrenzen, zu unterwerfen, und zu benachteiligen.
Hinweis: um Missbrauch vorzubeugen, werden Kommentare von uns überprüft und manuell freigeschaltet. Neue Kommentare erscheinen deshalb nicht sofort.
Das Verhalten von Twitter ist in der Tat nicht überraschend, aber weiterhin äußerst verantwortungslos. Die unsägliche Gleichsetzung von Pädophilie und sexuellem Missbrauch/Kinderpornographie wird hier geradezu auf die Spitze geschrieben, da die entsprechenden Accounts ja gemäß den Twitter-Regularien an das NCEMC weitergeleitet werden müssen. Die Profile von Pädophilien, die sich explizit gegen sexuellen Missbrauch wenden, werden also in der Statistik des NCEMC (die ja oft in Gesetzgebungsverfahren für mehr Überwachung herangezogen werden) als "child sexual abuse material" geführt und können ggf. zu Ermittlungsmaßnahmen der deutschen Behörden führen. Völlig absurd.
Was folgt daraus? Nun, ich bin selbst auf Seiten wie diesen hier stets über TOR aktiv, verfüge über zwei anonyme E-Mail-Adressen und habe meine Festplatten vollverschlüsselt - obwohl ich nie auch nur in die Nähe irgendeiner kinderpornographischen Darknet-Seite gegangen bin oder dies vorhabe. Dass dieses konspirative Vorgehen mehr und mehr notwendig ist, birgt m.E. enorme Gefahren für Neulinge, die in so einem Umfeld auch mal schnell an die "falschen Seiten" geraten können, weil sie eben nicht mehr öffentlich auf alternative Angebote aufmerksam gemacht werden können...
Und in diesem Zusammenhang gewinnt ein Aspekt, der auf den obigen Bildern zum Ausdruck kommt, noch einmal besonders an Bedeutung: Die Stigmatisierung stärkt ganz wesentlich den Zusammenhalt in der Mehrheitsgesellschaft, die sich infolge gruppendynamischer Prozesse in ihrem Hass immer mehr gegenseitig bestärken und den Ausgegrenzten keine Empathie mehr entgegenbringen kann. Es ist keinesfalls verwunderlich - ohne dies rechtfertigen zu wollen - wenn sich als Gegenreaktion Teile der ausgegrenzten Gruppe zusammenschließen und ihrerseits immer mehr verrohen und an Empathiefähigkeit gegenüber Schwächeren (in diesem Fall den Kindern) einbüßen. Diese "Wechselwirkung" muss schleunigst durchbrochen werden.