Liebe Leser,

diese Woche ist für mich besonders frustrierend. So habe ich in meiner Kiste zwar Haufenweise Medienberichte gesammelt, die sich stigmatisierend über Pädophilie äußern. Die meisten davon sind aber der "übliche Kleinkram", also Beiträge, die "nur" an einzelnen Stellen das Wort "pädophil" als gleichbedeutend mit "Kindesmissbrauch" benutzen. Dazu lässt sich nicht viel sagen – oder zumindest nicht viel, was ich hier nicht schon Dutzende Male zuvor gesagt habe. Zwei besonders hartnäckige Beispiele für diese unangenehme Angewohnheit von Journalisten, sich nicht zu informieren was das Wort "pädophil" überhaupt bedeutet bevor sie es benutzen, habe ich mir aber dennoch herausgegriffen und etwas ausführlicher kommentiert. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!

1. Vom schwierigen Umgang mit nicht-pädophilen Wiederholungstätern

Marc Dutroux ist ein Paradebeispiel für einen Sexualstraftäter, der nicht pädophil ist. Dutroux hat bis zu seiner Festnahme 1996 wahllos mehrere Kinder und Jugendliche entführt, vergewaltigt, und teilweise auch ermordet. Mehrere psychiatrische Untersuchungen, die an ihm durchgeführt wurden, haben bestätigt, dass er nicht pädophil ist, sondern ein aus Machtstreben und Geldgier handelnder Psychopath. Nichtsdestotrotz hängt bis heute gegenüber von Dutroux' ehemaligen Haus eine Gedenktafel mit der Aufschrift "En memoire de tous les enfants victimes de pédophilie" ("Im Gedenken an alle Opfer der Pädophilie"). 

Das Luxemburger Wort nimmt die Geschichte von Marc Dutroux zum Anlass, einen Artikel über den Umgang mit Wiederholungstätern in Luxemburg zu veröffentlichen. Dabei wird auch auf die wichtige Unterscheidung zwischen Pädophilie und Kindesmissbrauch eingegangen. So wird der Premier avocat général der Generalstaatsanwaltschaft Luxemburg, Simone Flammang, mit folgenden Worten zitiert: 

Die Täter, die wir tagtäglich vor Gericht stellen, das sind der Onkel, der Vater, der Stiefvater, der Freund der Eltern, der Großvater, der Lehrer oder sonst jemand, der dem Kind nahesteht und dem das Kind vertraut. Oft sind diese Täter nicht einmal pädophil. Die Opfer sind für sie schlicht verfügbar und für die Dinge, die beispielsweise in einer Beziehung nicht mehr funktionieren, muss dann das Kind herhalten.

Jeder Journalist kann mit fünf Minuten Recherchen schon dem Wikipedia-Artikel zu Dutroux entnehmen, dass seine Straftaten nichts mit Pädophilie zu tun haben. Deswegen ist es sehr schön zu lesen, dass diese wichtige Unterscheidung in einem Artikel zu Dutroux zu finden ist, der sonst sehr oft fälschlicherweise als pädophil bezeichnet wird! 

Wie ist der Artikel denn eigentlich überschrieben?


(╯°□°)╯︵ ┻━┻

2. Ein Schlaglicht auf Pädophiliefälle

Die Neue Züricher Zeitung hat ein Interview mit Gabriella Loser Friedli veröffentlicht, die jahrelang eine heimliche Beziehung zu einem katholischen Priester und über ihre Erfahrungen und ihre Wahrnehmung von Doppelmoral innerhalb der katholischen Kirche berichtet. Dabei kommt auch der Missbrauchsskandal zur Sprache, und natürlich wird dieser direkt mit Pädophilie in Verbindung gebracht. Die Fragen, welche die Neue Züricher Zeitung dabei stellt, lässt erkennen, wie sehr Pädophilie und Missbrauch für sie eine Sache ist:

Frau Loser Friedli, Fälle von Pädophilie erschüttern immer wieder die katholische Kirche. Ist dieser Missbrauch eine Folge der Pflicht für die Priester, sexuell enthaltsam zu leben?Geht es in Sachen Pädophilie um Vergangenheitsbewältigung – oder passiert immer noch Missbrauch in grossem Ausmass?Der Fall Mekongo warf nicht nur ein Schlaglicht auf Pädophiliefälle, sondern auch eines darauf, dass in der Kirche offenbar ein homoerotisches Klima herrscht.

3. Kriminalisierung pädophiler Menschen in den Medien

Nicht jeder pädophile Mensch wird zum Straftäter, und die meisten Kindesmissbrauchstäter und Konsumenten von Kinderpornographie sind nicht pädophil. 

Leider wird diese wichtige Unterscheidung in den Medien oft nicht gemacht, und Pädophilie mit Straftaten oft in einen Topf geworfen. Gerade das trägt aber massiv zur Stigmatisierung pädophiler Menschen bei, da die meisten Menschen so den Eindruck gewinnen, dass Pädophilie und Kindesmissbrauch ein und dieselbe Sache ist. Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, möchte ich hier jede Woche Beispiele für diese Behandlung des Themas Pädophilie in den Medien sammeln.

(tag24.de)

(berliner-zeitung.de)

(stern.de)

(stern.de)

(stern.de)

(suedkurier.de)

(schwaebische.de)

(berliner-kurier.de)

(suedkurier.de)

(swr.de)

(berliner-kurier.de)

4. Zur rechten Zeit geboren

Ich habe einen Traum … ach Mist, das hat ja schon jemand vor mir benutzt. Na ja, wie dem auch sei: eine der Gründe, weshalb ich an diesen Blog arbeite und jede Woche Beispiele für stigmatisierende Behandlungen von pädophilen Menschen in den Medien sammel ist es, dass ich hoffe, dass sich die Situation eines Tages bessert und ich damit aufhören kann. Das Lied Born at the Right Time von Paul Simon, mit dem ich diese Woche abschließen möchte, malt ein bisschen eine Welt, wie ich sie mir wünschen würde: eine Welt, in der man geboren werden kann, ohne einsam sein zu müssen, Rechte verweigert zu bekommen, oder in Angst leben zu müssen. 

Bis nächste Woche,
 Sirius