Liebe Leser,
ich hoffe, Ihr habt die Feiertage gut überstanden und hattet besinnliche Weihnachten mit allen, was dazu gehört. Übermorgen geht das Jahr schon zu Ende, und feurig-knallende Explosionen am Nachthimmel werden das neue Jahr 2020 einläuten. Doch vorher habe ich Euch noch zum letzten Mal in diesen Jahr meine Sonntagskiste mitgebracht. Diese Woche ist sie gefüllt mit einem Artikel der BILD über das Online-Portal "Troubled Desire", einem weiteren Beispiel dafür, dass manche Medien sogar bei Sexualstraftaten gegen Jugendliche gerne mal das Wort "Pädophilie" zücken, und den (leider) üblichen "Kleinkram" an stigmatisierenden Medienbeiträgen, die sich hier und da im großen weiten Internet finden ließen.
1. Bild über Menschen mit "kranken Neigungen"
(bild.de, 24.12.2019)
"250 000 Deutsche haben kranke Neigungen", titelt die BILD gewohnt reißerisch und leitet damit einen Artikel über das Online-Angebot troubled desire der Charité in Berlin ein. Im Gespräch mit Hannes Gieseler, dem Projektleiter des Online-Angebots informiert die BILD etwas oberfächlich über das Angebot. Dabei wird allerdings auch deutlich, dass das Boulevardblatt die Gleichstellung von Pädophilie und Kindesmissbrauch tief verankert hat. Dies zeigt sich etwa direkt in der Einleitung des Artikels:
Nur etwa zehn bis zwanzig Prozent der Männer, die Abbildungen sexuellen Kindesmissbrauchs nutzen oder sexuellen Kindesmissbrauch begehen, kommen mit der Justiz in Kontakt. Rund 80 bis 90 Prozent agieren im Dunkeln. Manche von ihnen sind bereits zum Täter geworden.
Wenn die Männer Kindesmissbrauch begangen oder Kinderpornographie konsumiert haben, sind sie per Definition bereits zum Täter geworden – damit ist der letzte Satz komplett sinnlos. Sinn ergibt er nur, wenn die BILD eigentlich sagen wollte, dass 80-90% der pädophilen Menschen (und nicht der Straftäter) nicht justizbekannt sind, und davon manche bereits zum Täter geworden sind.
Gemessen am sonst üblichen BILD-Niveau also ein sehr guter Artikel!
2. Nachtrag zu "Straftaten gegen Jugendliche und Pädophilie"
In meiner letzten Sonntagskiste habe ich kurz den Hang einiger Medien angesprochen, nicht nur bei Straftaten gegen Kinder, sondern auch bei Sexualstraftaten gegen (pubertierende) Jugendliche direkt von "Pädophilie" zu reden. Was im ersten Fall schon unzulässig ist (zur Erinnerung: die meisten Kindesmissbrauchstäter sind nicht pädophil), bekommt im zweiten Fall eine noch absurdere Note, da Sexualstraftaten gegen Jugendliche genauso wenig über eine sexuelle Neigung zu vorpubertären Kindern aussagt wie die Vergewaltigung eines Erwachsenen.
Diese Woche hat der Blick noch einen Artikel veröffentlich, der dieses Problem hat. Der Artikel berichtet über eine 27-jährige Lehrerin, die wegen sexueller Nötigung an einen ihrer 15-jährigen Schüler verhaftet wurde. Mit 15 ist der Schüler also aller Wahrscheinlichkeit schon längst in der Pubertät und damit für einen pädophilen Menschen schon längst nicht mehr interessant. Das ändert natürlich nichts an der grundlegenden Straftat – nur mit Pädophilie hat es eben absolut nichts zu tun.
Interessiert den Blick solche Feinheiten? Nun…
3. Kriminalisierung pädophiler Menschen in den Medien
Nicht jeder pädophile Mensch wird zum Straftäter, und die meisten Kindesmissbrauchstäter und Konsumenten von Kinderpornographie sind nicht pädophil.
Leider wird diese wichtige Unterscheidung in den Medien oft nicht gemacht, und Pädophilie mit Straftaten oft in einen Topf geworfen. Gerade das trägt aber massiv zur Stigmatisierung pädophiler Menschen bei, da die meisten Menschen so den Eindruck gewinnen, dass Pädophilie und Kindesmissbrauch ein und dieselbe Sache ist. Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, möchte ich hier jede Woche Beispiele für diese Behandlung des Themas Pädophilie in den Medien sammeln.
4. Hallelujah
Passend in diese weihnachtlich-winterliche Jahreszeit habe ich zum Abschluss diese Woche ein bemerkenswertes russisches Cover von Leonard Cohens Hallelujah mitgebracht. Gesungen und gespielt wird diese Version von zwei Jungen und zwei Mädchen, die alle eine großartige Leistung abliefern.
Damit war es das schon wieder mit der Sonntagskiste für diese Woche, und für das Jahr 2019 insgesamt. Ich plane in den nächsten Tagen einen persönlichen Jahresrückblick hier zu veröffentlichen, in dem ich ein Resumee für das vergangene Jahr und meine Hoffnungen für das kommende formulieren werde – auch was Kinder im Herzen angeht. Bis dahin wünsche ich allen Lesern einen guten Rutsch und bis zur nächsten Ausgabe im neuen Jahr 2020!
Bis zum nächsten Sonntag,
Sirius