In Wien haben sich vor einigen Tagen einige äußerst kuriose Geschehnisse abgespielt.
Auf einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen stürmte die Aktivistin Jennifer Klauninger mit einer erbeuteten LGBT-Fahne auf eine Bühne und zerriss vor versammelter Menge wutentbrannt besagte Fahne. Währenddessen hielt sie eine flammende Rede, in der sie der über die LGBT-Gemeinde sagte: "ihr seid kein Teil unserer Gesellschaft". Kinder müssen geschützt werden, sagte sie, und impliziert damit, dass Homosexuelle eine Gefahr für Kinder sind, die nicht existieren darf.
Die Reaktionen auf eine derart üble Bekundung von Homophobie ließen nicht lange auf sich warten. LGBT-Vereinigungen zeigten sich schockiert. Politiker bekundeten öffentlich ihre Solidarität mit der LGBT-Gemeinde. Eine Gegendemonstration unter dem Motto "Dem Hass kein Platz" ist durchgeführt worden, die von zahlreichen Personen des öffentlichen Lebens unterstützt wurde. Rechtliche Schritte wegen Volksverhetzung werden derzeit geprüft.
Problem dabei ist nur folgendes: Was ich zu Beginn erzählt habe, stimmt so gar nicht. Die ganze Aktion von Frau Klauninger war kein Ausdruck von Homophobie, sondern – in Ermangelung eines besseren Wortes – von Pädophobie.
Die Fahne, die der Gegenstand des ganzen Ärgers ist, war nämlich keine gewöhnliche LGBT-Fahne, sondern ein leicht abgewandeltes Motiv mit einem Herz in der Mitte. Und in genau diesem Herz will Frau Klauninger ein Symbol erkannt haben, dass einige pädophile Menschen benutzen, die sich zu Mädchen hingezogen fühlen.
Besagtes Symbol sieht übrigens so aus:
Frau Klauninger versicherte jedenfalls im Anschluss an den Shitstorm, den sie durch die Aktion geerntet hat, dass es ihr nie um die LGBT-Gemeinde gegangen sei. Und tatsächlich spricht sie in ihrer Rede kein einziges Mal etwa über homosexuelle Menschen. Stattdessen redet sie nur vom Symbol des Doppelherzen, und meint nach dem Zerreißen der Flagge dazu: "wir müssen unsere Kinder vor Kinderschändern schützen!"
Es ging Frau Klauninger und den Individuen, die mit ihr auf der Bühne standen, also nicht um LGBT, sondern um Pädophile. Sie wollten keine LGBT-Fahne zerreißen, sondern eine Fahne mit einem vermeintlichen Pädophilen-Symbol.
Das alles lässt die Aufregung und Empörung, die auf diese Aktion gefolgt ist, in einem etwas anderen Licht erscheinen, nicht wahr? Und es stellt sich die Frage, ob es den gleichen Aufschrei gegeben hätte, wenn allen von Anfang an klar gewesen wäre, dass es gegen pädophile Menschen gegangen wäre. Oder wenn Frau Klauninger etwa tatsächlich eine Flagge zerrissen hätte, die von pädophilen Menschen genutzt wird.
"Das eigentliche Verbrechen ist es, wenn die Schwulen mit den Pädophilen gleichgesetzt werden," erklärte Frau Klauninger – und impliziert damit, dass Pädophilie etwas derart Schlimmes ist, dass alleine schon der Vorwurf einer pädophilen Neigung quasi Volksverhetzung sein sollte. Und in der Hinsicht sind sich die rechts-gelehnten Anti-Corona Verschwörungstheoretiker und die zahlreichen Parteien und LGBT-Vereinigungen, die diese jetzt so scharf verurteilen, einer Meinung. Auch für die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien ist die Gleichstellung von Homosexualität und Pädophilie eine "böswillige Verleumdung", und so distanziert sie sich klar von jeglicher Solidarität mit pädophilen Menschen: "LGBTIQ-Menschen, sind genauso viel oder wenig pädophil wie heterosexuelle Menschen auch." Anne-Sophie Otte von der HOSI Wien macht darauf aufmerksam, wie schlimm es für homosexuelle Jugendliche sein kann, in der Phase ihres Coming-Ins mit Pädophilie in Verbindung gebracht zu werden – und verschwendet dabei keinen Gedanken an die Teilmenge der homosexuellen Jugendlichen, die tatsächlich pädophil sind, und für die es nicht nur schlimm ist regelmäßig als "Kinderschänder" öffentlich bezeichnet zu werden, sondern damit alleine zu stehen während sich alle beeilen, sich von ihnen zu distanzieren.
"Das ist Verhetzung, wenn auf der Bühne gegen eine ganze Gruppe von Menschen gehetzt wird,", erklärte der Sprecher der Grünen Andersrum in Wien nach dem Vorfall. Für mich als pädophilen Menschen wirkt diese Aussage wie zynischer Spot. Denn wenn der Vorfall in Wien eines gezeigt hat, dann, dass im Zweifelsfall all die Gruppen, die sich jetzt in rührenden Bekundungen von Solidarität, Respekt und Gleichberechtigung überschlagen sich eher mit ihren verhassten politischen Feinden vereinigen, um gemeinsam auf uns einzutreten, als sich gegen die Verhetzung pädophiler Menschen zu stellen.