Neulich las ich in einen Artikel zu Therapieangeboten für pädophile Menschen den Hinweis auf die Option, auch mit triebdämpfenden Medikamenten behandelt werden zu können. Diese Möglichkeit steht in Therapieangeboten wie Kein Täter Werden, deren primärer Fokus die Prävention von Kindesmissbrauch ist, meist zur Verfügung und hat sich als eine übliche Behandlungsmethode etabliert. Medikation ist ein schwieriges und kontroverses Thema, das einen eigenen, ausführlichen Beitrag verdient hat. Mich hat der besagte Artikel vor allem an eine eigene Erfahrung erinnert, die ich im Zuge meiner Behandlung bei Kein Täter Werden gemacht habe, und die ich hier bisher noch nicht beschrieben habe. Da diese vermutlich etwas anders abgelaufen ist, als bei den meisten anderen, möchte ich diese hier einmal ausführlich schildern.
Die Geschichte beginnt etwa Anfang 2019. Es gibt meiner Erfahrung nach nur sehr selten so etwas wie epiphanische Erlebnisse im Leben, und diejenigen, die doch mal passieren sind allermeistens negativ. Eine der seltenen Ausnahmen für mich war, in jenem Jahr Rubricappula kennenzulernen. In der Zeit bevor ich den Rubricon jedoch überschreiten konnte, ging es mir lange Zeit sehr schlecht. Ich hatte es zwar geschafft, mich als pädophil zu akzeptieren, und verstanden, dass mich dies nicht automatisch zu einem Monster macht und die verbreiteten Stereotype und Vorurteile nichts über mich aussagen. Dennoch warf die Erkenntnis eine Reihe schmerzhafter Fragen auf. Wer wäre je bereit, sich mit einem Pädophilen wie mir abzugeben? Würde ich je in der Lage sein, eine Beziehung zu führen, Freunde zu haben, Nähe zu erleben? Ich fühlte mich einsam und isoliert, rutschte immer mehr in ein Stimmungstief ab, das sich schließlich auch auf mein bis dahin sehr gut laufendes Studium auswirkte und es zum Entgleisen brachte. Die Zukunft sah düster aus. Ich war, um es in einem Wort zu sagen: verzweifelt.
Davon erzählte ich auch in der Therapiegruppe bei Kein Täter Werden, wo ich zu der Zeit noch seit einiger Zeit angebunden war. Der Standort, an dem ich war, hatte kurz vorher eine psychiatrische Anbindung durch eine Ärztin bekommen, sodass es möglich war, direkt über den Standort Medikamente verschrieben zu bekommen. Von den Therapeuten bekam ich daher das Angebot, von der Standortsärztin ein Antidepressivum verschrieben zu bekommen.
Im Rahmen von präventiven Therapien wie bei Kein Täter Werden werden Antidepressiva meist aufgrund ihrer triebdämpfenden Wirkung verschrieben. Normalerweise ist dies eher ein ungewollter Nebeneffekt vieler Antidepressiva, die bei Kein Täter Werden gezielt eingesetzt wird um Menschen, die ihren Sexualtrieb als belastend erleben Erleichterung zu verschaffen, ohne direkt auf stärkere Maßnahmen wie der chemischen Kastration zurückgreifen zu müssen.
Ich war daher vielleicht ein ungewöhnlicher Patient, da für mich Reduzierung des Sexualtriebs kein erstrebenswertes Ziel war. Zu der Zeit war ich an einem Punkt, an dem ich keine Probleme mehr mit meiner Sexualität hatte. Im Gegenteil führte die Selbstakzeptanz als Pädophiler dazu, dass ich erstmals meine sexuellen Fantasien als bereichernd erleben und genießen konnte. Weder die Stärke meines Sexualtriebs störte mich, noch hatte ich das ernsthafte Verlangen, in illegale Bereiche abzugleiten. Es war eine Phase, in der ich erfahren konnte, dass es auch möglich ist, durch reine Selbstbefriedigung eine erfüllende Sexualität zu erleben. Ich wollte ausdrücklich ein Antidepressivum in der Hoffnung auf eine stimmungsaufhellende Wirkung, nicht um etwas daran zu ändern, wie ich meine Sexualität erlebte.
Leider hatte ich im Umgang mit der Ärztin, welche die Medikamente verschrieb, nicht den Eindruck, dass sie in der Lage war, auf meine individuelle Situation einzugehen. Dies fing schon mit dem Behandlungsvertrag an, dem ich zu Beginn zustimmen sollte. Dort stand sinngemäß, dass ich der Einnahme des Medikaments mit dem Ziel meine sexuellen Triebe zu reduzieren, zustimmen würde. Ich musste mehrfach darauf bestehen, dass dies nicht mein Ziel ist, bis die Ärztin (sichtlich genervt) die Passage aus dem Vertrag strich. Viel gebracht hat es aber nicht: beim nächsten Termin begrüßte mich die Ärztin mit der Frage, wie gut das Medikament mir bei der Senkung meines Sexualtriebs schon geholfen habe.
Ab da habe ich ein wenig resigniert und mich der Behandlung ergeben. Ich dachte mir, solange die antidepressive Wirkung einsetzt und es mir stimmungsmäßig besser geht soll die Ärztin meinetwegen ruhig denken, dass ich das Medikament aufgrund der triebdämpfenden Wirkung nehme. Rückblickend hätte ich an dieser Stelle die Behandlung wohl schon abbrechen sollen, denn wenn die Behandelnden etwas völlig anderes problematisieren und behandeln wollen, als man selber behandelt haben möchte, kann kaum etwas Gutes daraus erwachsen. Aber wie gesagt, ich war verzweifelt, und Kein Täter Werden war damals die einzige Möglichkeit, schnell und niedrigschwellig an eine psychiatrische Anbindung zu kommen.
Leider setzte die stimmungsaufhellende Wirkung bei mir auch nach mehreren Wochen überhaupt nicht ein. Auch die triebdämpfende Wirkung hatte andere Folgen, als gedacht. Zwar hatte ich tatsächlich weniger Lust auf Selbstbefriedigung. Das Problem war aber, dass die Lust nicht ganz weg war, und das Medikament es gleichzeitig deutlich schwerer gemacht haben, einen Orgasmus zu erreichen. Im Endergebnis führte dies dazu, dass sich die Selbstbefriedigung zunehmend zu einer frustrierenden Angelegenheit entwickelte, die sich nicht selten endlos ohne zufriedenstellendes Ergebnis hinzog. Mehr als einmal kam mir dabei der Gedanke, dass ich die reduzierte Orgasmusfähigkeit vielleicht ja dadurch kompensieren könnte, nach visuellen Reizen zu suchen, statt sich nur auf Fantasien zu beschränken.
Kurz gesagt, die Hauptwirkung des Medikaments bestand für mich darin, eine weitestgehend stabile und erfüllende Sexualität völlig zunichtezumachen und zu destabilisieren. Wenn überhaupt, hatte das Medikament den Effekt, das Risiko für strafbare Handlungen bei mir zu erhöhen.
In den regulären Therapiesitzungen erzählte ich von diesen Problemen, hatte aber auch dort nicht den Eindruck, dass diese ernst genommen wurden. Als einzige Strategie für den Umgang mit den Problemen wurde mir nahe gelegt, einfach komplett mit der Masturbation aufzuhören. Sorry, aber auch für die meisten pädophilen Menschen ist ein komplett asexuelles Leben keine gangbare und menschenwürdige Lösung, insbesondere dann nicht, wenn man Sexualität mit sich selber vorher als erfüllend und unproblematisch erlebt hat.
All das wäre vielleicht noch als unschöne Nebenwirkung verkraftbar gewesen, wenn wenigstens die antidepressive Wirkung da gewesen wäre. Aber wie gesagt, auch das war nicht der Fall. Das Antidepressivum hatte für mich nur Nebenwirkungen ohne Wirkung. In einer Form naiven Urvertrauens nahm ich das Medikament dennoch ein paar Monate ein, den Versicherungen der Therapeutinnen vertrauend, dass die Wirkung möglicherweise nach etwas Zeit noch einsetzen könne. Als das nicht eintraf, setzte ich das Mittel dann irgendwann eigenständig ab. Weder von der Ärztin noch von den Therapeuten kam je der Vorschlag, das Medikament abzusetzen oder ein anderes auszuprobieren.
Wie problematisch diese Behandlung war, wurde mir erst viel später richtig bewusst. Als im Rahmen einer tagesklinischen Behandlung ein paar Jahre später auch das Thema Antidepressiva angesprochen wurde, und ich dort von meinen Erfahrungen in der Vergangenheit berichtete, wurde mir sofort angeboten Medikamente auszuprobieren, die ein weniger hohes Risiko haben, sich negativ auf den Sexualtrieb auszuwirken. Die Behandelnden dort waren übrigens alle darüber informiert, dass ich pädophil bin, und haben dennoch keine Sekunde damit verschwendet zu versuchen mir Medikamente anzudrehen oder mir nahezulegen, einfach asexuell zu leben. Hier hatte ich das Gefühl, dass ich nicht nur als „der Pädophile mit dem gefährlichen Sexualtrieb“ gesehen werde, sondern meine Ziele und Beschwerden ernst genommen und für ein passendes Behandlungsmodell berücksichtigt wurden.
Nicht nur das, wenn ein Medikament nicht die erwünschte Wirkung erzielt hätte es sogar die Option gegeben andere Medikamente auszuprobieren. Es wäre nicht notwendig gewesen, wochenlang an einem Medikament hängenzubleiben, das nur negative Nebeneffekte hatte. Warum wurde dies also bei Kein Täter Werden nicht versucht? Kann es sein, dass das, was ich als belastende Nebenwirkungen erlebt habe, für die Behandelnden bei Kein Täter Werden eine positive Wirkung war? Dass sie nur gesehen haben, dass mein Sexualtrieb verringert war, und sie dies als erfolgreiche Behandlung verbucht haben, ohne auf die individuellen Umstände einzugehen?
Aus heutiger Sicht würde ich so weit gehen zu sagen, dass diese psychiatrische Behandlung, die ich bei Kein Täter Werden erfahren habe, ziemlich unethisch war. Ich habe nachträglich den Eindruck, dass die Behandelnden mit der Behandlung eigene Ziele verfolgt haben, die sich nicht mit dem gedeckt haben, was ich in der Situation gebraucht habe. Zur Erinnerung: ich zu der Zeit in einer psychischen Ausnahmesituation und hätte dringend Hilfe benötigt. In dieser Situation eine Behandlungsmethode zu wählen, welche diese Hilfe nicht bereitstellt und stattdessen noch mehr Belastungen und Probleme erzeugt, und mich gleichzeitig im Umgang mit diesen Problemen ziemlich alleine zu lassen und keine realistischen Umgangsstrategien anzubieten, halte ich rückblickend für höchst problematisch.
Ein Therapeut an einem völlig anderen Standort von Kein Täter Werden, bei dem ich etwas später ein paar Mal war, hat übrigens ebenfalls nur verständnislos mit dem Kopf geschüttelt, als ich ihm von der Erfahrung erzählt habe, und den Behandlungsvorgang scharf kritisiert. Es scheint wirklich so, als hänge die Qualität der Behandlung, die man bei Kein Täter Werden bekommt, stark vom Standort und den Therapeuten ab, mit denen man am Ende wirklich zu tun hat.
Auch wenn das Thema den Rahmen dieses Erfahrungsberichts sprengt, möchte ich zum Abschluss dennoch ein paar Worte zum Thema verlieren. Für einige Menschen, die ihre Sexualität als belastend erleben, kann eine medikamentöse Behandlung zur Triebdämpfung zeitweise möglicherweise durchaus hilfreich sein – siehe zum Beispiel die Berichte von Max und Marco bei Schicksal und Herausforderung. Medikamente sind aber maximal eine temporäre Unterstützung nie eine endgültige Lösung, was in den genannten Erfahrungsberichten auch deutlich wird – und insbesondere sind sie nicht für alle pädophile Menschen notwendig oder hilfreich. Schwierig wird es dann, wenn sich die Ziele des Klienten und der Behandelnden unterscheiden. Die Senkung des Sexualtriebs mag für einige pädophile Menschen durchaus ein gutes Ziel sein, aber eben nicht pauschal für alle.